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Augmentative and Alternative Communication – Scoping Review / Unterstützte Kommunikation – Scoping Review


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Einleitung

Kommunikation ist ein entscheidender Faktor im Austausch mit unserer Umwelt sowie für die Teilhabe in verschiedenen Lebensbereichen (World Health Organization [WHO], 2005). Laut der Schweizerischen Gesundheitsbefragung (SGB) von 2014 können 0,4 % der Schweizer Bevölkerung aufgrund verschiedener Ursachen entweder nur mit starken Schwierigkeiten oder gar nicht sprechen (Bundesamt für Statistik [BFS], 2017). Dies entspricht ungefähr 27.350 Personen. Die Anzahl der Personen, die in ihrer Kommunikationsfähigkeit eingeschränkt sind, ist jedoch vermutlich höher, da in der SGB nur erwachsene Personen, die zu Hause leben, erfasst werden. Zu den Personen mit komplexen Kommunikationsbedürfnissen, die nicht selbstständig kommunizieren können, gehören Kinder und Jugendliche mit einer angeborenen zerebralen Lähmung, mit geistigen Defiziten, Sprachentwicklungsstörungen und Autismus-Spektrum-Störungen, aber auch Erwachsene, die infolge einer MS-Erkrankung, Gehirnblutung o. ä. ihre Sprachfähigkeit verlieren. Unterstützte Kommunikation (UK) kann diese Personen befähigen, mit ihrer Umwelt zu kommunizieren und daran teilzuhaben. Unter UK sind zusammengefasst verschiedene Methoden der Kommunikation mit analogen sowie digitalen Kommunikationshilfen zu verstehen. Aufgrund der raschen Entwicklung von digitalen Applikationen für UK (z. B. die Apps „Soundingboard“, „Tap Speak Button“) haben sich die Möglichkeiten in den letzten Jahren vervielfacht. «Unterstützte Kommunikation (engl.: Augmentative and Alternative Communication = AAC) orientiert sich an einem humanistischen Menschenbild und betont das Recht eines jeden Menschen auf Selbstbestimmung und Partizipation. UK geht davon aus, dass jeder Mensch ein Bedürfnis nach Kontakt und Kommunikation hat. Ausgehend von den aktuellen Kompetenzen einer Person entwickelt UK individuelle Maßnahmen für eine bessere Verständigung und mehr Mitbestimmung im Alltag» (Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation e. V., 2017). Um der Komplexität der UK zu entsprechen, ist die Diagnostik und Therapie durch ein interprofessionelles Team (Trageser, Schultheiss, Angst & von Stokar, 2016) z.B. aus Sprachtherapeuten/innen, Ergotherapeuten/innen, Lehrpersonen, Heilpädagogen/ innen, Ärzten/innen und Technikern/innen nötig.

Das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) der Schweiz garantiert Diagnostik, Therapie und Ausführung notwendiger Massnahmen im Bereich Kommunikation, um allen Personen eine ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten entsprechende Teilhabe zu ermöglichen (Bundesgesetz 151.3, 2016). Dies wird auch in Deutschland durch das Behindertengleichstellungsgesetz (2016) und in Österreich durch das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (2013) garantiert. Mit der Neugestaltung des Finanzausgleichs zwischen dem Bund und den Kantonen (NFA) 2008 hat sich die rechtliche Lage der Finanzierung von UK in der Schweiz geändert. Die Leitenden der beiden Organisationen, die in der Schweiz für die Vergabe und Anpassung von technischen Hilfsmitteln der UK bis 2017 zuständig waren

Fiore Capone von Active Communication AG sowie Verena Von Holzen von der nicht mehr exisitierenden Stiftung FST Technologie für Menschen mit Behinderung, Stiftung für elektronische Hilfsmittel in persönlicher Kommunikation, 25. Februar 2016. Die Stiftung FST ist Anfang 2017 aufgelöst worden. In der Schweiz besteht eine Versorgung mit technischen Hilfsmitteln der UK seither ausschliesslich über die Active Communication AG.

, wiesen darauf hin, dass sich seit 2008 die Verschreibungen und Kostenübernahmen für UK reduziert hätten. Es bestünden demnach Unklarheiten bezüglich Zuständigkeit der Kostenträger, aber auch uneinheiltiche institutionelle Erwartungen daran, was die UK leisten könne und solle. So sind die Kantone für die Finanzierung von UK innerhalb sonderschulischer Massnahmen zuständig, während die vom Bund finanzierte Invalidenversicherung (IV) für die Finanzierung von Kommunikationshilfen zum Einsatz ausserhalb der Schule aufkommen muss. Diese beiden Bereiche lassen sich aber im realen Alltag kaum trennen. Auch der 2016 in der Schweiz vom Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) veröffentlichte Bericht «Analyse der Abgabe von Kommunikationsgeräten an Versicherte der Invalidenversicherung» (Trageser et al., 2016) unterstreicht die Bedeutung von Kommunikationshilfen für die Partizipation der Personen mit komplexen Kommunikationsbedürfnissen und zeigt einen Optimierungsbedarf v. a. in Bezug auf den diagnostischen Prozess, das Training und die Nutzung sowie beim Übergang von den Sonderschulen in Erwachseneninstitutionen auf.

Für Personen mit komplexen Kommunikationsbedürfnissen ist eine passende, ihren Bedürfnissen entsprechende UK-Methode bzw. ein entsprechendes Gerät essenziell, um mit der Umwelt zu kommunizieren und daran teilzuhaben. Ein Gelingen der UK hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab: ob ein passendes Gerät (z. B. ein sprachgenerierendes Gerät oder ein IPad), eine passende Methode (z. B. Blickkontakt und Zeigen mit einfachen Symbolkarten) vorliegen; ob die Personen mit komplexen Kommunikationsbedürfnissen ihren Bedürfnissen entsprechend in diese eingeführt werden, ob deren Bezugspersonen und soziales Umfeld (Eltern, Geschwister, Kameraden/innen, Lehrpersonen) in die UK-Methode eingeführt werden sowie vom richtigen Zeitpunkt der Einführung (Binger et al., 2012). Da zu diesen Bedingungen der UK zahlreiche verstreut publizierte Erkenntnisse vorliegen, im Schweizer bzw. deutschen Sprachraum jedoch ein Mangel an soliden Kenntnissen zur Wirksamkeit von UK besteht, war es das übergeordnete Ziel dieser Scoping-Review, einen Überblick aufzustellen und daraus den Forschungsbedarf für die interprofessionelle Abklärung und das interprofessionelle Training in der Schweiz abzuleiten. Die spezifischen Ziele waren, herauszufinden,

welche Forschungsdesigns und Methoden in der aktuellen Forschung im Bereich UK eingesetzt werden,

ab welchem Alter UK eingesetzt wird,

mit welchen Assessments die Wirksamkeit der UK überprüft wird,

welche Geräte und Methoden der UK zum Einsatz kommen.

Methode

Mit den oben genannten spezifischen Zielen im Fokus wurde eine Literaturreview (Dawidowicz, 2010) durchgeführt. Sie entstand in Zusammenarbeit von vier Forscherinnen aus den Bereichen der Ergotherapie, Pädagogik, Psychologie und Sprachwissenschaft. In Bezug auf die oben genannten spezifischen Ziele haben die Erst- und die Letztautorinnen die Keywords inklusive Synonyme und MeSH-Terms definiert: child∗, disability, cerebral palsy, augmentative and alternative communication, intervention, therapy. Die Keywords wurden einzeln sowie in verschiedenen Kombinationen in den elektronischen Datenbanken PubMed, AMED und CINAHL eingegeben und mit den Boole›schen Operatoren AND und OR verknüpft. Die Resultate der Suche wurden danach in einer Search History festgalten. Dann wurden die Titel der gefundenen Studien daraufhin begutachtet, ob sie das Thema der Fragestellung behandeln.

Eine erste Literatursuche wurde am 09.06.2016 abgeschlossen und führte zu 51 eingeschlossenen Artikeln. Die Suche wurde am 09.03.2017 nochmals aktualisiert und mit einer Handsuche ergänzt. Durch das mehrstufige Suchverfahren konnten 58 Artikel identifiziert und eingeschlossen werden.

Die Abstracts der eingeschlossenen Studien wurden von der Erst- und Letztautorin gelesen und inhaltlich bezüglich Alter und Beeinträchtigung der im Fokus der Studien stehenden Personen, der durchgeführten Interventionen, der untersuchten Geräte und Methoden der UK sowie der zur Überprüfung der Wirksamkeit eingesetzten Assessments ausgewertet. Mit den weiteren Co-Autorinnen wurden die Ergebnisse der Suche und der Inhalt der Studien diskutiert. Inhalte dieser Diskussion war beispielsweise die Frage, ob die Studie zur Zielsetzung dieser Arbeit passt. Allerdings wurden die Studien nicht auf ihre methodologische Qualität hin überprüft, da es das Ziel dieser Review war, einen Überblick über den aktuellen Einsatz in UK zu gewinnen, nicht die Qualität der Evidenz der Studien zu überprüfen. Somit kann keine Aussage über die Robustheit oder Generalisierbarkeit der einzelnen Ergebnisse gemacht werden (Arksey & O’Malley, 2005).

Ergebnisse
Studiendesign und Methoden

Unter den 58 eingeschlossenen Artikeln waren 16 Literaturreviews (Michael Clarke, Price & Griffiths, 2016; Drager, Reichle & Pinkoski, 2010; Ganz, 2015; Iacono, Trembath & Erickson, 2016; Kent-Walsh, Murza, Malani & Binger, 2015; Koppenhaver & Williams, 2010; David McNaughton & Light, 2015; Millar, Light & Schlosser, 2006; Roche, Sigafoos, Lancioni, O’Reilly & Green, 2015; Romski, Sevcik, Barton-Hulsey & Whitmore, 2015; Sargent, Clarke, Price, Griffiths & Swettenham, 2013; Schlosser et al., 2014; Simeonsson, Bjorck-Akesson & Lollar, 2012; M. M. Smith, 2015; M. C. S. Therrien, Light & Pope, 2016; Wilkinson & Hennig, 2007), sechs theoretische Artikel (Blackstone & Pressman, 2016; Light & McNaughton, 2015; Pless & Granlund, 2012; Raghavendra, Bornman, Granlund & Bjorck-Akesson, 2007; Rowland et al., 2012; Ryan et al., 2015) sowie 36 Originalstudien. 32 Artikel kamen aus den USA, neun aus Schweden, acht aus Australien, sieben aus Grossbritannien, vier aus Kanada, drei aus Norwegen, jeweils zwei aus Deutschland und Südafrika, und jeweils eine aus Finnland, Irland, Kenia und den Niederlanden. Dabei waren einige Artikel Kooperationen mehrerer Länder. Keiner der Artikel kam aus der Schweiz.

Unter den 36 Originalstudien waren 11 Interventionsstudien, 20 deskriptive Studien, zwei experimentelle Studien und drei Studien zur Entwicklung oder Evaluation von Assessments:

Sechs der Interventionsstudien hatten ein quantitatives Vorher-Nachher-Design (Barker, Akaba, Brady & Thiemann-Bourque, 2013; Brady, Thiemann-Bourque, Fleming, & Matthews, 2013; McCarthy, Hogan, Beukelman & Schwarz, 2015; Myers, 2007; Saloviita, Leppanen & Ojalammi, 2014; Stephenson, 2016), eine Studie hatte ein gemischtes Vorher-Nachher-Design (Bunning, Gona, Newton & Hartley, 2014), eine Studie war eine quantitative Einzelfallstudie mit Variation eines mehrfachen Baseline-Designs über vier Stimuli (Snodgrass, Stoner & Angell, 2013), zwei quantitative Studien (Medeiros & Cress, 2016; M. C. Therrien & Light, 2016) und eine qualitative Studie (Ferm, Claesson, Ottesjö & Ericsson, 2015) verglichen zwei Interventionen miteinander. Die inhaltlichen Ergebnisse dieser Review werden aus Platzgründen vorwiegend in Tabellenform dargestellt. Tabelle 1 zeigt die zentralen Ergebnisse sowie weitere Parameter der Interventionsstudien.

Übersicht Interventionsstudien

StudieStudienteilnehmerInterventionAssessments/Haupt-Outcome-Variablen zur Überprüfung der InterventionZentrales Ergebnis
Land NAlter

Das Alter bezieht sich auf die Personen mit komplexen Kommunikationsbedürfnissen, d. h. nicht generell auf die Studienteilnehmer.

(Jahre)
CharakteristikaDesignFragestellung/en oder Ziel/e
Training der Kinder
Barker et al. (2013)USA713–5Kinder mit KKB und ASS, DS, ZP, andere BeeinträchtigungenVorher-NachherDie Ziele der Studie waren, die Anwendung der UK von Kindern mit KKB in Vorschulklassen, die Methoden der Lehrpersonen und Kameraden und die Erfahrungen der Lehrer von Kindern mit UK zu beschreiben.Gezielte Unterstützung bei der UK durch Kameraden und LehrpersonenMullen Scales of Early Learning (MSEL) (Mullen, 1995): Unterskalen für rezeptive und expressive Sprache; Peabody Picture Vocabulary Test, 4th Edition (PPVT-4; Dunn & Dunn, 2007)Geringe Unterstützung durch Lehrpersonen, grosse Unterstützung durch Kameraden; Zunahme der Sprachfertigkeit; Lehrpersonen gaben an, zu wenig Training erhalten zu haben
Brady et al. (2013)USA823–5Kinder mit KKB und ASS, DS, IBVor-her-NacherDas Ziel der Studie war, ein Modell für die Sprachentwicklung von Kindern mit UK zu beschreiben.UK-Training in der VorschuleAnzahl verschiedener Wörter, produziert mit Sprache, Zeichen oder sprachegenerierenden GerätenBestätigung des Modells: der Intrinsic Symbolic Factor (ISF) sagte die Wortproduktion voraus
McCarthy et al. (2015)USA75–7Kinder mit KKB und ZPVorher-NachherVerbessert das computerbasierte Hörtraining die korrekt Phonologie von Kindern mit KKB und ZP?achtmonatiges computerbasiertes Hör-TrainingKorrekt ausgesprochene Pseudowörter und korrekte PhonologieZunahme der phonologischen Korrektheit
Myers (2007)USA45–9Kinder mit KKBVorher-Nachher PARUnterstützt das vierwöchige Trainingsprogramm die Sprachfähigkeit, Interaktion und die Dominanz der Teilnehmenden?vierwöchiges Sommer-Trainingsprogramm in UKSprache: Non-Speech-Test, Peabody Picture Vocabulary Test (PPVT), Preschool Language Scale–3 (PLS-3), Test for Auditory Comprehension of Language (TACL-R), Interaction Checklist for Augmentative Communication (INCH); Lese- und Schreibfähigkeit; Beobachtungen der TechnologienutzungFortschritte in der Kommunikation sowie Zunahme der Partizipation und Unabhängigkeit während des Trainingsprogramms bei allen; bei zwei von vier Kindern fortbestehende Fortschritte
Saloviita et al. (2014)Finnland117–15Kinder mit KKB und ASS, IBVorher-NachherWas sind erfolgreiche Beispiele für UK in einer geografisch begrenzten Region?Gestützte Kommunikation/gestütztes Schreiben (Facilitated Communication (FC))Objekt-und Bildbenennung Bildbeschreibung, Lesen und Schreiben des eigenen Namens, unabhängiges ZeigenDas Geschriebene wurde durch den Stützer stark beeinflusst; Störung der Leistung bei bestehender Schreibfähigkeit
Snodgrass et al. (2013)USA19Kind mit KKB, Taubblindheit und weiteren BeeinträchtigungenEinzel-fallKann ein Schüler mit KKB taktile Symbole erkennen und auf neue Stimuli übertragen?Modifiziertes Training mit dem Picture Exchange Communication System (PECS)Beobachtung und Videoanalyse: symbolische Kommunikation vs. nicht-symbolische KommunikationErlernen adäquater Anwendung von drei taktilen Symbolen
Stephenson (2016)Australien17Kind mit KKB, ASS und IBVorher-NachherKann das Training mit dem Choiceboard Creator App die Entscheidungsfindung und die -fähigkeiten von Kindern verbessern?Training mit der Choiceboard Creator App für EntscheidungsfindungFähigkeit, Bilder nach einem gesprochenen Wort oder einem Objekt auszuwählen und Objekte nach einem gesprochenen Wort oder einem Bild auszuwählenErlernen der Nutzung von Displays mit 2–5 Bildern
Therrien et al. (2016)USA2 64Dyaden: Kinder mit KKB und Prader-Willi-, Mikrodeletions-Syndrom 22q11 Kameraden OBEinzel-fallWie wirksam ist das Sprecherwechsel-Training in Bezug auf die Frequenz des Sprecherwechsels bei Kindern mit KKB in Interaktion mit Kameraden? Was sind die Erfahrungen der Stakeholder mit diesem Training?Sprecherwechsel-Training mit Einsatz der GoTalk NOW APP (Attainment Company, 2011) auf dem iPadFrequenz des Sprecherwechsels durch die Kinder mit KKBErhöhung der Frequenz im Sprecherwechsel (vorübergehend und dauerhaft)
Training der Bezugspersonen
Bunning et al. (2014)Australien, Kenia, United Kingdom93–12Kinder mit KKB im ländlichen KeniaVorher-NachherWelchen Einfluss hat der Einsatz von UK zu Hause auf die Kommunikation von Kindern mit KKB in drei verschiedenen Domänen?Einführung der Eltern in den Einsatz von UK im häuslichen Setting, hauptsächlich mit lokalen Lowtech-MaterialienElternbericht und adaptierte Version des Communication Profiles (Baker & Hartley, 1999)Die Eltern nahmen die Kommunikation der Kinder besser wahr; teilweise Zunahme der sozialen Aktivitäten der Kinder
Abgabe eines UK-Geräts und Beobachtung der Interaktion
Ferm et al. (2015)Schweden2 2 24–6Triaden: Kinder mit KKB und ZP Kameraden OB unterstützende ErwachseneQualitativ kontrollierte StudieWie beeinflusst der Einsatz von LekBot die Teilhabe in und Symmetrie der Kommunikation von Kindern mit KKB und ZP in Interaktion mit Kameraden? In welchem Kommunikations-Kontext erleben die Kinder Freude?Abgabe und Instruktion von LekBot (Spielroboter mit Sprachausgabe), mit der Aufforderung, LekBot intensiv mit allen Kindern zu nutzenVideoanalyse/Konversationsanalyse: Partizipation und Freude in Bezug auf gesprochene und gestische Kommunikation, Körperhaltung, Blicke und GefühlsäusserungenTeilweise entstanden kreative, spontane und freudvolle Spielsequenzen; die Teilnahme der Kinder mit KKB blieb dabei geringer als die der Kameraden OB
Medeiros et al. (2016)USA25 250–4Diaden: Kinder mit KKB weibliche BezugspersonenKontrollierte StudieBeeinflusst die Vertrautheit mit einem Spielzeug und der Einsatz von UK die Interaktion der Mutter während des Spiels mit dem Kind mit KKB?Interaktion mit vertrautem und neuem Spielzeug, jeweils einmal mit und einmal ohne SprachausgabeVideoanalyse des Verhaltens der Bezugspersonen während der Interaktion mit Kind und SpielzeugBei Interaktion mit dem vertrautem Spielzeug gingen die Bezugspersonen mehr auf die Kinder mit KKB ein; keine Ablenkung in der Interaktion durch Zusatz der Sprachausgabe

Anmerkung. ASS = Autismus-Spektrum-Störung; DS = Down-Syndrom; IB = Intellektuelle Beeinträchtigung; KKB = komplexe Kommunikationsbedürfnisse; OB = ohne Beeinträchtigung; ZP = Zerebralparese; UK = Unterstütze Kommunikation.

Von den 20 deskriptiven Studien arbeiteten sechs qualitative Untersuchungen mit Fokusgruppen (Caron & Light, 2016; Hemsley, Kuek, Bastock, Scarinci & Davidson, 2013; Hemsley et al., 2014; Johnson, Nilsson & Adolfsson, 2015; D. McNaughton et al., 2008;

Thunberg, Buchholz & Nilsson, 2016), drei qualitative Studien mit Interviews (Batorowicz, Campbell, von Tetzchner, King & Missiuna, 2014; Lindsay, 2010; Lund, Quach, Weissling, McKelvey & Dietz, 2017) und vier quantitative Studien mit Fragebögen (M. Clarke et al., 2012; Cockerill et al., 2014; Meder & Wegner, 2015; A. L. Smith & Hustad, 2015), um die Erfahrungen von Personen mit komplexen Kommunikationsbedürfnissen und deren Umfeld zu erheben. Drei qualitative Studien analysierten die Interaktion von Diaden, bestehend zum Beispiel aus einem Kind mit komplexen Kommunikationsbedürfnissen und dessen Mutter. Zwei quantitative Studien beobachteten natürlich aufkommende Kommunikation (Andzik, Chung & Kranak, 2016) bzw. UK (Batorowicz, Stadskleiv, von Tetzchner & Missiuna, 2016), und zwei quantitative Studien analysierten den Sprachgebrauch von Kindern ohne Beeinträchtigung zur Bestimmung eines Referenz-Wortschatzes. In Tabelle 2 werden die zentralen Ergebnisse und weitere Parameter der deskriptiven Studien beschrieben.

Übersicht deskriptive Studien

StudieLandStudienteilnehmerKontextZentrales Ergebnis
NAlter

Das Alter bezieht sich auf die Personen mit komplexen Kommunikationsbedürfnissen, d. h. nicht generell auf die Studienteilnehmer.

(Jahre)
CharakteristikaFragestellung/en oder Ziel/e
Fokusgruppen-und Interview-Studien
Batorowicz et al. (2014)Kanada/Norwegen8514Kinder mit KKB und ZP und deren ElternDas Ziel war, die Erfahrungen der Kindern mit KKB und ZP und Ihrer Eltern In Bezug auf UK, auf die soziale Partizipation und Interaktion und die Beziehungen zu erforschen.Soziale Partizipation mit UKEs bedarf vielseitiger Unterstützung bei Einführung und Anwendung der UK, um die soziale und kommunikative Partizipation zu fördern
Caron et. al (2016)USA923–67Erwachsene mit ZPDie Ziele waren, die Vorteile und Nachteile der sozialen Medien, die Förderfaktoren und Hindernisse der Nutzung für Erwachsene mit ZP zu erforschen und Empfehlungen für andere Personen mit KKB, für Politiker und technische Entwickler zu formulieren.Soziale MedienSoziale Medien wurden als sehr positiv und hilfreich für die Kommunikation erlebt; gleichzeitig wurden auch Barrieren für die Nutzung beschrieben
Hemsley et al. (2014)Australien49Pflegepersonen von Kindern mit KKB und ZPDas Ziel war, die Erfahrungen von Gesundheitsfachpersonen, welche Kinder mit KKB und ZP in der Anwendung von UK im Krankenhaus unterstützen, zu untersuchen.KrankenhausDie Kinder erfuhren keine Unterstützung im Bereich UK durch die Pflegepersonen; verschiedene umweltbedingte Barrieren wurden beschrieben; Strategien zur Förderung/Unterstützung der UK werden als Desiderat formuliert
Hemsley et al. (2013)Australien7 102–17Kinder mit KKB und ZP und deren ElternDas Ziel war, die Kommunikationsbedürfnisse und Erfahrungen von Eltern mit Kindern mit ZP und KKB zu verstehen.KrankenhausDie Kinder hatten das Bedürfnis, direkt mit den Pflegepersonen zu kommunizieren, um sich mitzuteilen und Informationen zu erhalten, ihre Umgebung zu kontrollieren und an bevorzugten Aktivitäten teilzuhaben
Johnson et al. (2015)Südafrika/ Schweden386–21Lehrpersonen von Kindern mit KKB und ZPWie beobachten Gesundheitsfachpersonen das Schmerzempfinden von Kindern mit ZP und wie kommunizieren sie darüber? Wie kommunizieren Kindern mit ZP ihr Schmerzempfinden mit Gesundheitsfachpersonen?Wahrnehmung von und Kommunikation über SchmerzenDie Lehrpersonen beobachteten die Schmerzkommunikation der Kinder durch Körperzeichen, Verhaltensänderungen sowie verbale und nonverbale Zeichen; UK wurde dabei kaum genutzt
Lindsay (2010)Kanada11Sprach- und Ergotherapeuten, autorisiert für die Verschreibung von UKWelchen Herausforderungen begegnen Gesundheitsfachpersonen in der Versorgung von Kindern mit KKB mit UK?Bedarfsabklärung und Verschreibung von UKTechnische, soziale und politische Barrieren sowie die Einstellung zur Technik beeinflussen die Entscheidung für die Verschreibung von UK
Lund et al. (2017)USA84–5Sprachtherapeuten, spezialisiert in UK für 1 Kind mit KKB und ZP 1 Kind mit KKB und ASSWie gehen Gesundheitsfachpersonen im Prozess der Versorgung von Kindern mit KKB und ZP mit UK vor?Bedarfsabklärung von UK: motorische versus sozial-interaktive BeeinträchtigungEs wurden in beiden Fällen ähnliche Assessment-Bereiche diskutiert, was auf einige universelle Aspekte im UK-Assessment verweist; die spezifischen Aspekte unterschieden sich jedoch zwischen den beiden Fällen
McNaughton et al. (2008)USA76–30Eltern von Personen mit ZPDas Ziel war, die Perspektiven der Eltern über die Technik der UK zu verstehen.Vorteile und Herausforderungen von UKDie Familie sowie die Beziehung zwischen Familie und den Lehrpersonen/Therapeuten spielt eine elementare Rolle im Prozess von Bedarfsabklärung und Training von UK
Thunberg et al. (2016)Schweden102–12Eltern und Pflegepersonen von Kindern mit KKBDas Ziel war, die Erfahrungen der Eltern von Kindern mit KKB zu verstehen und die Kommunikation mit Gesundheitsfachpersonen im Krankenhaus zu verbessern.KrankenhausDirekte Kommunikation zwischen den Kindern und den Pflegepersonen ist von grosser Wichtigkeit; um dies zu ermöglichen, braucht es eine Ausbildung der Pflegepersonen
Fragebogen-Studien
Clarke et al. (2012)United Kingdom693–21Bezugspersonen von Kindern mit KKB und ASS, ZP, Dyspraxie, LernschwierigkeitenDas Ziel war, die Unterschiede in der Häufigkeit der Partizipation an ausserschulischen Aktivitäten von Kindern mit KKB zu beschreiben.Häufigkeit der Partizipation an ausserschulischen AktivitätenJüngere Kinder partizipierten häufiger an ausserschulischen Aktivitäten als ältere Kinder; jüngere Kinder mit partieller Sprechverständigung partizipierten häufiger, sowohl als jüngere Kinder ohne Sprache wie auch als ältere Kinder
Cockerill et al. (2014)United Kingdom34616–18Jugendliche mit ZPDas Ziel war, die Kommunikationsprobleme von Kindern mit ZP, Ihre Erfahrungen und die Ihrer Eltern zu beschreiben und die Möglichkeiten der UK aufzuzeigen.aktuelle Versorgung und Nutzung von UKDie meisten Jugendlichen waren mit UK versorgt, aber nur wenige nutzten diese auch zu Hause
Meder et al. (2015)USA64Bezugspersonen von Kindern mit KKBDas Ziel war, die Bedürfnisse und Präferenzen von Kindern mit KKB und Ihren Familien In Bezug auf UK zu eruieren.Mobile Multimedia-Technologie als Form der UKMangelnde Information und Unterstützung der Familien durch die Fachpersonen, einschliesslich der Sprachtherapeuten; Einfachheit und Erschwinglichkeit waren die Hauptentscheidungskriterien für die Anschaffung mobiler Multimediageräte und Kommunikations-APPs
Smith et al. (2015)USA262Eltern von Kindern mit KKB und ZPWie schätzen Eltern von Kindern mit KKB deren Kommunikationsfertigkeiten ein? Wie viele zweijährige Kinder mit ZP erhielten eine frühe Intervention? Was waren die Ziele und Strategien dieser frühen Interventionen In Bezug auf UK?Ziele und Strategien früher Interventionen und Einführung UKKinder, die nicht sprachen, erhielten mehr Interventions- und UK-Ziele als Kinder, die sprachen; expressive Sprache hatte den grössten Einfluss auf Entscheidungen bezüglich UK
Beobachtungsstudien
Andziketal. (2016)USA235–11Kinder mit KKB und ASS, IB, SHT, multiple BeeinträchtigungenDas Ziel war, die natürlich aufkommenden Kommunikationsmöglichkeiten in der Schule für Kinder, welche UK nutzen, zu beschreiben.Schule, natürlich aufkommende KommunikationsmöglichkeitenKommunikation vorwiegend mit Erwachsenen; nur sehr wenig spontane Initiativen; in fast der Hälfte aller Kommunikationsmöglichkeiten bestand kein Zugang zum UK-System
Batorowicz et al. (2016)Kanada/Norwegen18 175–15 5–15Diaden Kinder mit KKB und ZP und Kinder OBDie Ziele waren herauszufinden, wie häufig Kinder mit KKB und ZP in ihrer Kommunikation mit Kameraden UK nutzen, wie sie die anderen Instruieren und wie die Qualität ihrer Kommunikation Ist.Instruktionen zum Nachbau eines Modells, welches der Partner nicht sehen konnteKinder mit KKB konnten ihre Kameraden mithilfe der UK ebenfalls Instruieren; Ihre Instruktionen dauerten aber meistens länger; die Instruktionen der Kinder OB waren detaillierter und erfolgreicher
Clarke, et al. (2013)United Kingdom1 111 111 Diade Kind mit KKB und ZP und Kind OBDas Ziel war, den Sprecherwechsel eines Kindes mit KKB und ZP und einem Kind OB zu beschreiben.Interaktion/Sprecherwechsel mit UK (Sprachausgebendes Gerät und Laser-Pointer)Analyse verschiedener Kommunikationspraktiken von theoretischem und klinischem Interesse; wie der Sprecherwechsel ein Orientierungsmerkmal innerhalb der Kommunikation darstellt
Clarke et al. (2008)United Kingdom227 & 147 & 142 Diaden Kinder mit KKB und ZP und Kinder OB Welche Probleme entstehen in der Kommunikation mit Kameraden, wenn das Kind mit KKB und ZP ein sprachausgebendes Gerät verwendet?Interaktion mit UK (Sprachausgebendes Gerät)Die mit dem sprachausgebenden Gerät initiierten Sprecherwechsel führten wiederholt zu Missverständnissen
Ferm et al. (2012)Schweden1 16 62 Diaden Kind mit KKB und ZP und Bezugsperson Kind OB und BezugspersonDas Ziel war, den Zusammenhang zwischen der Interaktion und der täglichen Essensroutine zu Hause zu überprüfen.Interaktion während des EssensDie Interaktion in der Fokus-Diade (Kind mit KKB) war nicht UK-unterstützt (das vorhandene Blissymbol-Tool wurde nicht benutzt), es wurde mit Wörtern, Vokalisierungen und Körperkommunikation kommuniziert; es gab wenig Pausen, viele Wechsel, kurze, manchmal gleichzeitige Beteiligung
Studien zur Analyse des Sprachgebrauchs
Trembath et al. (2007)Australien63–5Kinder OBWie viele verschiedene Wörter verwenden Vorschulkinder typischerweise in ihrem Alltag? Welches sind Ihre am häufigsten verwendeten Wörter? Welche Empfehlungen resultieren daraus für die UK?Bestimmung GrundwortschatzDie Kinder nutzten ein kleines Kernvokabular aus häufig und gewöhnlich benutzten Worten, zusammen mit einem stark individualisierten Randvokabular
Boenisch et al. (2015)Deutschland / USA307–14Kinder OBDas Ziel war, das Kern-Vokabular von Kindern OB in der Ausführung von verschiedenen Schulaktivitäten zu beschreiben.Bestimmung GrundwortschatzErstellung eines Inventars des mündlichen Kernvokabulars unauffällig entwickelter Schulkinder; dieses kann zur Vokabularauswahl für Kinder mit KKB genutzt werden

Anmerkung:ASS = Autismus-Spektrum-Störung; IB = Intellektuelle Beeinträchtigung; KKB = komplexe Kommunikationsbedürfnisse; OB = ohne Bee inträchtigung; SHT = Schädel-Hirn-Trauma; ZP = Zerebralparese; UK = Unterstütze Kommunikation.

Die beiden experimentellen quantitativen Studien verglichen die Effektivität zweier UK-APPs (Caron, Light & Drager, 2016) und die Einstellung von Erstklässlern gegenüber ihren Kameraden/innen die UK nutzen (Hyppa-Martin et al., 2016). Ergebnisse und weitere Parameter der beiden experimentellen Studien werden in Tabelle 3 beschrieben.

Übersicht experimentelle Studien

StudieLandStudienteilnehmerKontextZentrales Ergebnis
NAlter (Jahre)CharakteristikaDesignFragestellung/en oder Ziel/e
Caron et al. (2016)USA8 2VorschülerLehrpersonen Kinder OBCross-overkontrollierte StudieSind die Lehrpersonen erfolgreicher im Hinzufügen von Vokabular, wenn sie weniger Erfahrung in der Programmierung haben? Was sind die Unterschiede der UK-Apps in Bezug auf Hotspots und auf den Einbezug der Kinder?Hinzufügen von Vokabular mit zwei verschiedenen UK-Apps für mobile TechnologieDie Lehrpersonen waren effektiver mit der APP, welche weniger Programmierungsschritte benötigt (EasyVSD); das Engagement und die Beteiligung der Kinder am Programmieren war bei beiden APPs hoch, aber höher bei EasyVSD als bei GoTalk Now
Hyppa-Martin et al. (2016)USA115ErstklässlerKinder OBKontrollierte klinische StudieBeeinflusst die Verwendung des iPadVR versus von nichtelektronischen UK von Kindern mit KKB die Einstellungen ihrer Kameraden? Welches UK präferieren die Kameraden? Gibt es einen geschlechtsspezifischen Unterschied in den Einstellungen und Präferenzen von UK?Einstellung gegenüber Kameraden die UK nutzen (iPad vs. nicht-elektronisches Kommunikationsboard)Das Gerät, welches die Kinder mit KKB nutzten, hatte keinen signifikanten Einfluss auf die Einstellung ihrer Kameraden; Mädchen hatten tendenziell eine positivere Einstellung gegenüber ihren Kameraden, die UK nutzen, als die Jungen; die Mehrheit bevorzugte das iPad für den Gebrauch durch ihre Kameraden wie für sich selbst

Anmerkung. KKB = komplexe Kommunikationsbedürfnisse; OB = ohne Beeinträchtigung; UK = Unterstütze Kommunikation.

Drei quantitative Studien hatten die Entwicklung und Evaluation von Assessments zum Ziel (Broberg, Ferm & Thunberg, 2012; Geytenbeek, Mokkink, Knol, Vermeulen & Oostrom, 2014; Rowland et al., 2016), siehe Tabelle 4 zu Ergebnissen und weiteren Parametern.

Übersichtsstudien zur Evaluation/Entwicklung von Assessments

StudieLandStudienteilnehmerAssessmentZentrales Ergebnis
NAlter

Das Alter bezieht sich auf die Personen mit komplexen Kommunikationsbedürfnissen, d.h. nicht generell auf die Studienteilnehmer.

(Jahre)
CharakteristikaDesignFragestellung/en oder Ziele/e
Broberg et al. (2012)Schweden28 431–5Kinder mit KKB und ASS, DS, ZP, IB und deren ElternKohortenstudieDas Ziel der Studie war, die Interrater- und Intrarater-Reliabilität und die Sensitivity to Change des RAAC zu analysieren.Responsive Augmentative and Alternative Communication Style (RAACS) Scala, Version 2 und 3Version 3 der RAACS wurde entwickelt und empfohlen; akzeptable Inter- und Intrarater-Reliabilität und exzellente Interne Konsistenz
Rowland et al. (2016)USA61Lehrpersonen und SprachtherapeutenRandomisiert kontrollierte Studie und FeldstudieDie Ziele waren, die Wirksamkeit des CSI-CY auf die Individuellen Ziele und die Nutzerzufriedenheit zu evaluieren.Communication Supports Inventory-Children & Youth (CSI-CY)Das Ausfüllen des CSI-CY vor dem Erstellen des individuellen Ausbildungsprogramms führte zu mehr CSI-CY-bezogenen Zielen als beim direkten Erstellen des Individuellen Ausbildungsprogramms
Geytenbeek et al. (2014)Niederlande806 871–7 1–12Kinder OB Kinder mit KKB und ZPKohortenstudieDie Ziele der Studie waren, die psychometrische Qualität und die Praktikabilität des C-BILLT zu überprüfen.Computer-Based Instrument for Low Motor Language Testing (C-BiLLT).Gute Werte für Reliabilität und Validität; die Testaktivitäten waren auch für Kinder machbar, welche bei standardisierten Assessments häufig nicht mitmachen können; 97 % konnten den C-BILLT vollenden

Anmerkung: ASS = Autismus-Spektrum-Störung; DS = Down-Syndrom; IB = intellektuelle Beeinträchtigung KKB = komplexe Kommunikationsbedürfnisse; OB = ohne Beeintächtigung; ZP = Zerebralparese.

Studienteilnehmende

Die Teilnehmenden der Studien waren nicht immer die (alleinigen) Personen im Fokus der Untersuchung. So wurden häufig Eltern und Lehrpersonen über ihre Erfahrungen mit den komplexen Kommunikationsbedürfnissen ihrer Kinder bzw. Schüler/ innen befragt.

Die Stichprobengrösse der Originalstudien (d. h. ohne Literaturreviews) lag zwischen einem und 806 Teilnehmenden (M = 60,3, SD = 152,9). Teilnehmende der Studien waren vorwiegend Kinder und Jugendliche (zwischen acht Monaten und 21 Jahren, M = 9,2, SD = 7,7) mit unterschiedlicher Beeinträchtigung (siehe Tabelle 5) sowie Kinder ohne Beeinträchtigung in der Rolle als Kameraden/innen oder zur Erhebung eines Referenz-Wortschatzes, Bezugspersonen (meist die Eltern) und medizinisches, therapeutisches oder pädagogisches Personal, wobei einzelne Studien mehrere Beeinträchtigungen und Personengruppen einschlossen.

Beeinträchtigung der im Fokus der Studien stehenden Personen mit komplexen Kommunikationsbedürfnissen

BeeinträchtigungAnzahl Studien

Einzelne Studien schlossen mehrere Beeinträchtigungen ein.

Zerebralparese26
Autismus-Spektrum-Störung14
Intellektuelle Beeinträchtigung11
Komplexe Kommunikationsbedürfnisse

Komplexe Kommunikationsbedürfnisse wurden teilweise als einzige Diagnose angegeben, teilweise zusätzlich, meist zusammen mit Zerebralparese, genannt.

10
Down-Syndrom7
Sprach-, Sprech- und Kommunikationsbeeinträchtigung5
Entwicklungsbedingte Beeinträchtigung4
Mehrfache Beeinträchtigung4
ADHS2
Prader-Willy-Syndrom2
Schädel-Hirn-Trauma2
Andere10

Im Fokus standen meist Kinder und Jugendliche. Zwei Studien interessierten sich auch für Erwachsene mit Zerebralparese: McNaughton et al. (2006) untersuchten Möglichkeiten und Herausforderungen im Umgang mit den Technologien der UK bei Personen zwischen sechs und 30 Jahren, und Caron and Light (2016) erhoben die Erfahrungen von Erwachsenen zwischen 23 und 67 Jahren, die UK und Soziale Medien nutzen.

Bei den untersuchten Beeinträchtigungen handelte es sich in den allermeisten Fällen um angeborene Beeinträchtigungen, wobei Zerebralparese und Autismus-Spektrum-Störungen die am häufigsten genannten Diagnosen waren. Nur zwei Studien schlossen Personen mit Schädel-Hirn-Trauma und eine Studie Personen mit einer nicht näher bezeichneten erworbenen Beeinträchtigung ein (s. Tabelle 5).

Assessments

Um den Erfolg der Interventionen oder den Einsatz von Geräten und Methoden der UK zu untersuchen, wurden verschiedene Assessments eingesetzt (wie z. B. Mullen Scales of Early Learning (MSEL), Peabody Picture Vocabulary Test, 4th Edition (PPVT-4), Non-Speech-Test, Peabody Picture Vocabulary Test (PPVT), Preschool Language Scale-3 (PLS-3), Test for Auditory Comprehension of Language (TACL-R), Interaction Checklist for Augmentative Communication (INCH), adaptierte Version des Communication Profiles, siehe auch Tabelle 1).

In drei Studien war das Assessment selbst Gegenstand der Analyse. Broberg et al. (2012) haben den Responsive Augmentative and Alternative Communication Style (RAACS) evaluiert und weiterentwickelt, um den Kommunikationsstil zu analysieren, den Eltern mit ihren unterstützt kommunizierenden Kindern nutzen. Geytenbeek et al. (2014) untersuchten Reliabilität und Validität des Computer-Based Instrument for Low Motor Language Testing (C-BiLLT) und verglichen diesen mit der Reynell Developmental Language Scales (RDLS), dem Peabody Picture Vocabulary Test III (PPVT III) und der Raven’s Coloured Progressive Matrices (CPM). Rowland et al. (2016) evaluierten das Communication Supports Inventory-Children & Youth (CSI-CY), ein Instrument, das die Entwicklung kommunikationsbezogener Lernziele für Schüler/ innen mit komplexen Kommunikationsbedürfnissen vereinfachen soll. Das CSI-CY beinhaltet ein Codierungs-Set, basierend auf der ICF-CY (World Health Organization [WHO], 2007). Tabelle 4 zeigt die Ergebnisse der Evaluationsstudien.

Geräte und Methoden der Unterstützten Kommunikation

In den Originalstudien wurde die gesamte Bandbreite der Unterstützten Kommunikation abgedeckt: von Gesten, Blickkontakt und Zeigen mit einfachen Symbolkarten bis hin zu komplexen elektronischen Geräten. Die Verbreitung mobiler Alltagsgeräte zeigte sich dabei auch in der UK. So haben seit 2015 sechs Studien den Einsatz eines iPads untersucht (Caron & Light, 2016; Caron et al., 2016; Hyppa-Martin et al., 2016; Meder & Wegner, 2015; Stephenson, 2016; M. C. Therrien & Light, 2016). Zu Ergebnissen und weiteren Parametern siehe Tabellen 1 bis 3.

Im Einzelnen wurden die im Folgenden aufgelisteten Geräte und Kommunikationsmethoden in den Studien genannt (diese Liste ist jedoch nicht abschliessend): Low-Tech/analog

Im ländlichen Afrika zur Verfügung stehende Materialien, die weder Strom noch technische Expertise benötigen (Bunning, Gona, Newton, & Hartley, 2014)

Picture Exchange Communication System (PECS) (Brady et al., 2013; Snodgrass et al., 2013)

Zeichen (Brady et al., 2013)

Papierbasierte Kommunikationshilfen (Clarke et al., 2012)

Gestützte Kommunikation/gestütztes Schreiben (Facilitated communication (FC)) (Saloviita et al., 2014)

Gesten, Blickkontakt, Gesichtsausdrücke, Zeigen, Kommunikationsbuch (Myers, 2007)

Kommunikationsboard (Caron & Light, 2016; Hyppa-Martin et al., 2016; Myers, 2007)

High-Tech/elektronisch

Sprache generierende Geräte (Batorowicz et al., 2014; Brady et al., 2013; Caron & Light, 2016; M. Clarke, Bloch & Wilkinson, 2013; M. Clarke & Wilkinson, 2008; D. McNaughton et al., 2008; Medeiros & Cress, 2016; Myers, 2007)

iPad und AAC-Applikationen für mobile Technik (Caron & Light, 2016; Caron et al., 2016; Hyppa-Martin et al., 2016; Meder & Wegner, 2015; Stephenson, 2016; M. C. Therrien & Light, 2016)

LekBot (Spiel-Roboter mit Sprachausgabe) (Ferm et al., 2015)

Diskussion

Die Ergebnisse zeigen, dass beinahe doppelt so viele deskriptive Studien wie Interventionsstudien durchgeführt wurden. Im Fokus standen dabei vor allem Kinder mit Zerebralparese oder einer Autismus-Spektrum-Störung; erworbene Einschränkungen stellten jeweils lediglich eine Teil-Indikation unter mehreren innerhalb einer Studie dar. Den Studien zufolge kommt UK schon sehr früh, ab dem ersten Lebensjahr, zum Einsatz. Untersucht wurde ein breites Spektrum an Methoden und Geräten der UK, wobei sich ein Trend zu mobilen Alltags-Kommunikationsgeräten ausmachen liess. Auffallend war, dass es keine Studien im deutschsprachigen Raum gab. Die einzige Studie mit deutscher Mitautorenschaft (Boenisch & Soto, 2015) wurde in den USA durchgeführt. Die vorliegende Review beschränkt sich auf einen Überblick, ohne inhaltlich in die Tiefe zu gehen. Auch wurde die Qualität der ausgewerteten Studien nicht beurteilt. Unabhängig von diesen Limitationen zeigen sich klare Implikationen für die Forschung sowie für die Praxis.

Für die Forschung lassen sich mehrere Handlungsfelder ableiten. Um den längerfristigen Nutzen der einzelnen Trainings sowie der notwendigen interprofessionellen Zusammenarbeit zu untersuchen, bedarf es weiterer Interventionsstudien (Light & McNaughton, 2015).

Weitgehend unerforscht ist bislang die Anwendung von UK im Bereich des Übergangs von der Schule in die Berufsausbildung und ins Studium. Gerade die Integration in die sekundäre und tertiäre Bildung sowie in den Beruf wird als transformativer Schritt in die Gesellschaft hinein erst durch UK ermöglicht und ist zentral für eine gelingende Partizipation (World Health Organization, 2005, 2011). Es handelt sich somit um ein Forschungsfeld mit gesellschaftlicher Bedeutung, welches einer Beteiligung therapeutischer, pädagogischer, linguistischer, medizinischer und technischer Berufsgruppen bedarf. Um den Nutzen von Bedarfsabklärung, Verschreibung, Einführung, Training und Update der UK valide und reliabel zu evaluieren, gibt es bisher nur wenige etablierte und standardisierte Assessments. Diese Tatsache erschwert die Evaluation der bisherigen Versorgungspraxis und der Wirksamkeit komplexer, interprofessioneller Interventionen (Craig et al., 2008). Ein standardisiertes Assessment zur Erfassung der Partizipation im Bereich der Kommunikation, welches auch zur Evaluation der Wirksamkeit der UK eingesetzt werden könnte, ist beispielsweise das ESI – Evaluation of Social Interaction (Fisher & Griswold, 2015). Die weitere Entwicklung, Evaluation und der Einsatz standardisierter und valider Assessments zur Erfassung der Partizipation von Personen ist für die interprofessionelle Praxis und Forschung deshalb unabdingbar (z. B. Grimby, Ekholm, Fisher & Stibrant Sunnerhagen, 2005; Neumann et al., 2010).

Die Zunahme der Nutzung mobiler Technologie (z. B. iPad), welche auch von Personen ohne komplexe Kommunikationsbedürfnisse regelmässig im Alltag eingesetzt wird, bietet sowohl Chancen als auch Risiken für die UK: Chancen bestehen aufgrund der leichteren Zugänglichkeit der alltäglichen mobilen Geräte (Meder & Wegner, 2015) sowie unter dem psychologischen Aspekt, nicht auf spezielle Kommunikationshilfen angewiesen zu sein (Caron & Light, 2016); Risiken bestehen in Bezug auf eine Überschätzung der Möglichkeiten sowie Unterschätzung eines Trainingsbedarfs (Meder & Wegner, 2015). Zudem bestehen laut der Active Communication AG und der Stiftung FST zunehmende Hindernisse bei der Verschreibung und Kostenübernahme der teureren hoch spezialisierten Geräte (persönliche Kommunikation, 25.Februar 2016). Um den technischen Fortschritt für die UK sinnvoll zu nutzen, ist auch in diesem Bereich weitere interprofessionelle Forschung wichtig (Caron & Light, 2016).

Der deutschsprachige Raum wurde bislang in Studien zur UK von Kindern und Jugendlichen sehr vernachlässigt. Viele Aspekte der UK, wie zum Beispiel der Prozess der Verschreibung oder das Bildungssystem, sind je nach Land und Kultur sehr unterschiedlich. Um dem spezifischen Bedarf im deutschsprachigen Raum gerecht zu werden, sind somit dringend auch Studien im deutschsprachigen Raum nötig. Dies wird auch durch den vom BSV veröffentlichten Bericht «Analyse der Abgabe von Kommunikationsgeräten an Versicherte der Invalidenversicherung» (Trageser et al., 2016) bestätigt, welcher für die Schweiz einen Optimierungsbedarf v. a. in Bezug auf den Abklärungsprozess, das Training und die Nutzung sowie beim Übergang von den Sonderschulen in Erwachseneninstitutionen aufzeigt.

Für die Praxis lassen sich aus den Ergebnissen mehrere Erkenntnisse und Empfehlungen ableiten. Kinder mit komplexen Kommunikationsbedürfnissen zeigten ein klares Bedürfnis nach direkter Kommunikation mit den Pflegepersonen (Hemsley et al., 2013; Thunberg et al., 2016). Diesem stand wiederholt ein unzureichendes Training und fehlende Information der Pflegepersonen im Wege (Hemsley et al., 2014; Thunberg et al., 2016). Auch Lehrpersonen gaben an, für eine gute Unterstützung der Schüler/ innen mit komplexen Kommunikationsbedürfnissen nicht ausreichend ausgebildet zu sein (Barker et al., 2013). Schulung und Training aller beteiligten Personen, d. h. Eltern, Lehrpersonen, Therapeuten/ innen und Pflegepersonen, sind unabdingbar für eine gelingende Kommunikation mit den Kindern mit komplexen Kommunikationsbedürfnissen, ebenso wie die interprofessionelle Zusammenarbeit und die Zusammenarbeit mit den Eltern (Batorowicz et al., 2014; Bunning et al., 2014; Hemsley et al., 2014; D. McNaughton et al., 2008; Meder & Wegner, 2015; Thunberg et al., 2016). Auch das Einbeziehen der Kameraden/innen ohne komplexe Kommunikationsbedürfnisse in die UK wirkt sich positiv auf die Kommunikation der Kinder mit komplexen Kommunikationsbedürfnissen aus (Barker et al., 2013). Die Ergebnisse zeigten zudem, dass die Trainingsprogramme in der UK zu Fortschritten in den Kommunikationsmöglichkeiten (McCarthy et al., 2015; Myers, 2007; Snodgrass et al., 2013; Stephenson, 2016; M. C. Therrien & Light, 2016) sowie zu einer Zunahme der Partizipation der Kinder mit komplexen Kommunikationsbedürfnissen führten (Myers, 2007). In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Kinder mit komplexen Kommunikationsbedürfnissen nicht von Kindern mit einer unauffälligen Sprachentwicklung, auch diese brauchen für die Entwicklung ihrer kommunikativen Kompetenzen Anregungen und Unterstützung (Ehlich, 1996/2013).

Zusammenfassung

Der Einsatz Unterstützter Kommunikation bietet ein grosses Potenzial, um die Partizipation von Personen mit komplexen Kommunikationsbedürfnissen zu gewährleisten, wenn er den jeweiligen Bedürfnissen entspricht. Um dieses Potenzial zu fördern und auszuschöpfen, bedarf es der Entwicklung neuer sowie der Validierung bereits bestehender standardisierter Assessments der Kommunikation und sozialen Interaktion für Personen mit komplexen Kommunikationsbedürfnissen. Es bedarf komplexer Interventionsstudien in der Schweiz und im deutschsprachigen Raum und der Evaluation von Wirksamkeit und Kostenwirksamkeit der Unterstützten Kommunikation. Ausserdem besteht ein Bedarf, die Bedürfnisse von Personen mit komplexen Kommunikationsbedürfnissen in den Bereichen der sekundären und tertiären Bildung zu erfassen, in Beruf und Berufsbildung sowie in der Transition von einem in einen anderen Bereich. Da in allen oben genannten Bereichen nicht nur die Betroffenen selbst, sondern verschiedene Stakeholder, wie Gesundheitsfachpersonen, Techniker/innen, Linguisten/innen, Politiker/innen, Interessensvertreter/innen, Kostenträger, Lehrpersonen und andere, involviert sind, eröffnet sich ein grosses Feld an interprofessioneller Zusammenarbeit und Forschung.

eISSN:
2296-990X
Languages:
English, German
Publication timeframe:
Volume Open
Journal Subjects:
Medicine, Clinical Medicine, other