Die gesundheitliche Lage Studierender in Deutschland ist insgesamt gut (Meier, Krämer & Stock, 2007). Im Zusammenhang mit der gesundheitlichen Lage und im Kontext der Gesundheitsförderung gewinnt
Neben der Schrift- und Sprachkompetenz beinhaltet Gesundheitskompetenz kognitive und soziale Fähigkeiten zur Beurteilung und Umsetzung von Gesundheitsinformationen auf den Ebenen der Gesundheitsförderung, Prävention und Krankheitsbewältigung. Sie kann darüber hinaus Basis für Gesundheitsverhalten und Gesundheit sein (Schaeffer & Pelikan, 2017).
Sørensen, Van den Broucke, Fullam, Doyle, Pelikan, Slonska et al. (2012) schlugen im Rahmen der Studie „Health Literacy in Europe“ (HLS-EU) ein konzeptuelles Modell für den bis dato unterschiedlich und methodisch uneinheitlich erfassten Begriff der Gesundheitskompetenz vor. Grundlage dafür war ein systematisches Review, in dem 17 Definitionen und 12 konzeptuelle Modelle zur Gesundheitskompetenz inhaltlich analysiert wurden. Gesundheitskompetenz wird nach diesem Modell, das auch Basis neuerer Erhebungen in Europa ist (Pelikan & Ganahl, 2017), als ein auf der allgemeinen Kompetenz (Literacy) basierendes Konzept definiert, in dem Wissen, Motivation und Fähigkeiten von Menschen einfließen, um Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden. Dies erfolgt mit dem Ziel, im Alltag Entscheidungen zu treffen, die der Krankheitsbewältigung, der Krankheitsprävention und der Gesundheitsförderung dienen und die Lebensqualität erhalten oder verbessern (Sørensen et al., 2012; übersetzt und zitiert nach Pelikan & Ganahl, 2017, S. 94). Gesundheitskompetenz wird in diesem Konzept in sieben Subindizes beschrieben. Dazu zählen die drei Bereiche Gesundheitsförderung, Prävention und Krankheitsbewältigung und vier Stadien des Umgangs: Gesundheitsinformationen finden, verstehen, beurteilen und anwenden (ebd.).
Bisherige Studien legten einen Schwerpunkt auf die Beschreibung der Gesundheitskompetenz in verschiedenen Bevölkerungsgruppen. In den europäischen Gesundheitssystemen werden Schwierigkeiten für Nutzer erkennbar, sich gesundheitsrelevantes Wissen anzueignen, in gesundheitsrelevantes Verhalten umzusetzen und in den Alltag zu integrieren (Zok, 2014). Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung (64%) hat Probleme mit dem Finden, Verstehen, Beurteilen und Umsetzen von Gesundheitsinformationen (Schaeffer, Berens, Weishaar & Vogt, 2017). Dies trifft auch für höher gebildete Menschen zu (Dierks, 2017). Insgesamt ist die Gesundheitskompetenz in vulnerablen und sozial benachteiligten Gruppen deutlich niedriger (Schaeffer, Vogt, Berens & Hurrelmann, 2016). Bei Menschen mit Migrationshintergrund scheinen Sprache, Bildung und Einkommen mehr Einfluss auf die Gesundheitskompetenz zu haben als der kulturelle Hintergrund (Quenzel, Schaeffer, Messer & Vogt, 2017). Gesundheitskompetenz scheint die subjektive Gesundheit und gesundheitsbezogene Verhaltensweisen zu beeinflussen (Göhring & Rudolph, 2015; Schultes, 2017). Menschen mit einer niedrigen Gesundheitskompetenz schätzen ihren Gesundheitszustand schlechter ein und nehmen häufiger Einrichtungen der Akutversorgung in Anspruch.
Gesundheitskompetenz steht in Verbindung mit verschiedenen soziodemografischen Merkmalen. Die Mehrzahl der Studien weist auf zunehmende Gesundheitskompetenz mit steigendem Lebensalter hin (Zok, 2014; HLS-EU Consortium, 2012a). In der Arbeit von Sørensen, Pelikan, Röthlin, Ganahl, Slonska, Doyle et al. (2015) nahm die Gesundheitskompetenz dagegen mit zunehmenden Lebensalter geringfügig ab, der Effekt ist allerdings schwach (0,04 Punkte weniger Gesundheitskompetenz pro Lebensjahr). Auch der Einfluss des Geschlechts auf die Gesundheitskompetenz wurde untersucht. Die Ergebnisse sind uneinheitlich. Berens, Vogt, Messer, Hurrelmann und Schaeffer (2016), Göhring et al. (2015) und Schaeffer et al. (2016) sehen eine bessere Gesundheitskompetent bei Männern. Andere Studien ermittelten bei Frauen eine höhere Gesundheitskompetenz (HLS-EU-Consortium, 2012a; Jordan & Hoebel, 2015). Die Unterschiede sind insgesamt klein und statistisch nicht signifikant. Der Bildungsstand steht erwartungsgemäß in enger Verbindung mit der Gesundheitskompetenz. Je höher der Bildungsstand ist, desto gesundheitskompetenter sind Menschen (Berens et al., 2016; HLS-EU-Consortium 2012a; Jordan et al., 2015; Schaeffer et al., 2016; Sørensen et al., 2015).
Das Konzept der Gesundheitskompetenz ist für Bildungseinrichtungen und Hochschulen interessant. Studierende gesundheitsbezogener Studiengänge werden künftig als professionell Handelnde im Gesundheitswesen die Rahmenbedingungen der Arbeit und der Gesundheitsversorgung mitgestalten (Göring & Rudolph, 2015). Sie sind damit auch Mittler und Vermittler gesundheitsbezogener Informationen für Patienten/-innen und ihre Angehörigen.
Die Studie beschreibt die Gesundheitskompetenz Studierender einer deutschen Hochschule für Gesundheit und vergleicht ihre Ausprägung mit bereits veröffentlichten Arbeiten zur Gesundheitskompetenz. Ergebnisse können als Basis für Aktivitäten zur gesundheitsförderlichen Gestaltung des Settings Hochschule dienen. Ferner können Sie für Verlaufsstudien genutzt werden, die z.B. gesundheitsfördernde Projekte und Aktivitäten evaluieren. Leitende Forschungsfrage dieser Studie ist, wie gesundheitskompetent sind Studierende in Gesundheitsberufen? Dies wird in vier Teilfragestellungen untersucht:
Wie gesundheitskompetent sind Studierende? Unterscheiden sich Studierende verschiedener Departments aufgrund ihres Alters oder Geschlechts hinsichtlich ihrer Gesundheitskompetenz? Gibt es Unterschiede zwischen Studierenden mit und ohne einen Gesundheitsberuf? Ist die Gesundheitskompetenz Studierender mit der Gesundheitskompetenz anderer Bevölkerungsgruppen in Deutschland vergleichbar?
Die Studie wurde an der Hochschule für Gesundheit Bochum durchgeführt, an der Gesundheitsfachberufe (Department A und C) sowie sozial- und gesundheitswissenschaftliche Fächer (Department B) studiert werden können. Knapp zwei Drittel der Studierenden sind im Department A, etwa ein Sechstel studiert im kleinsten Department C (vgl. Tabelle 1).
StichprobenbeschreibungVariable n (%) N = 127 Geschlecht weiblich 114 (89.7) männlich 10 (7.9) anderes 2 (1.6) keine Angabe 1 (0.8) Department Department A (N= 637; 64%) 92 (72.5) Department B (N= 203; 20%) 21 (16.5) Department C (N= 164; 16%) 13 (10.2) keine Angabe 1 (0.8) Alter M= 24.1; SD= 5.5; Md= 23; Range 19–53 Fachsemester 1.–4. Semester 89 (71.2) 5.–10. Semester 36 (28.8) Akademischer Gesundheitsberuf bereits abgeschlossen 27 (21.3) noch in Ausbildung 48 (37.7) keiner 49 (38.6) nicht beendet 2 (1.6) keine Angabe 1 (0.8)
Für die Messung der Gesundheitskompetenz wurde die deutschsprachige Kurzversion des Fragebogens der HLS-EU-Studie mit 16 Items eingesetzt (HLS-EU-Q16) (HLS-EU- Consortium, 2012b). Der HLS-EU-Q16 wird als reliabel bewertet und wurde in acht europäischen Ländern validiert (Pelikan & Ganahl, 2017). Die Rechte am HLS-EU-Q16 liegen beim HLS-EU-Consortium. Die Nutzung in nichtkommerziellen wissenschaftlichen Erhebungen wird ausdrücklich erlaubt (HLS-EU-Consortium, 2012c). Das Einverständnis für die Nutzung der deutschsprachigen Version des HLS-EU-Q16 in dieser Studie wurde eingeholt.
MitdemHLS-EU-Q16könneneinGesamtindexsowiesieben Subindizes gebildet werden: (1) Gesundheitsförderung, (2) Prävention und (3) Krankheitsbewältigung sowie (4) Gesundheitsinformationen finden, (5) verstehen, (6) beurteilen und (7) umsetzen. Die Items wurden in dieser Studie auf einer vierstufigen Skala (sehr schwer [1] bis sehr einfach [4]) bewertet. Der Gesamtindex der Gesundheitskompetenz sollte nicht berechnet werden, wenn mehr als zwei von 16 Fragen des HLS-EU-Q16 nicht beantwortet werden (Pelikan & Ganahl, 2017). Subindizes der Gesundheitskompetenz sollten nur mit vollständig beantworteten Datensätzen gebildet werden (ebd.).
Für die Analysen und die Kategorisierung werden die Rohwerte der einzelnen Indizes auf einen Bereich von 0 (keine Gesundheitskompetenz) bis 50 (höchste Gesundheitskompetenz) transformiert (Pelikan & Ganahl, 2017). Das HLS-EU-Consortium (2012a) schlägt folgende Kategorisierung vor: 0–25 entspricht einer unzureichenden, >25–33 einer problematischen, >33–42 einer ausreichenden und >42–50 einer ausgezeichneten Gesundheitskompetenz.
Der Fragebogen erfasst zudem Informationen zum Geschlecht, Alter, Fachsemester, ob bereits ein Gesundheitsberuf abgeschlossen wurde und die Departmentzugehörigkeit (indirekt Studiengangszugehörigkeit). Der konkrete Studiengang durfte aus Datenschutzgründen nicht erfasst werden.
Den Forschungsfragen wurde in einer Querschnittserhebung mittels standardisierter Online-Befragung nachgegangen, die im Juni 2017 durchgeführt wurde. Der Fragebogen wurde mit EvaSys SurveyGrid (Electric Paper. Evaluationssysteme GmbH, 2017) realisiert und Teilnehmern auf www.surveygrid.evasys. de zur Verfügung gestellt. Verbunden mit der Teilnahme war ein freiwilliges Gewinnspiel. Alle Studierenden der Hochschule wurden per E-Mail über die Datenerhebung informiert und um Teilnahme an der Studie gebeten. Zur Erhöhung der Rücklaufquote wurde innerhalb des Bearbeitungszeitraums im Juni 2017 eine Erinnerungs-Mail ebenfalls an alle Studierenden versendet.
Die Studienpopulation umfasst alle zum Zeitpunkt der Studie (Juni 2017) eingeschriebenen Studierenden der Hochschule für Gesundheit Bochum (N= 1004). Die Teilnahme an der Studie war freiwillig. Es gab keine Ausschlusskriterien. Eine Bestimmung der idealen Stichprobengröße im Vorfeld erfolgte nicht.
Insgesamt beteiligten sich 203 Studierende an der Befragung. Zwei Studierende haben keine der Fragen beantwortet, sodass 201, teils unvollständige Datensätze vorliegen. Um Ergebnisse zu den Subindizes berichten zu können, wurden gemäß der Empfehlung von Pelikan & Ganahl (2017) ausschließlich vollständige Datensätzen des HLS-EU-Q16 berücksichtigt. 127 vollständige Datensätze standen somit für die Auswertungen zur Verfügung.
Die Mehrzahl der Studienteilnehmer ist weiblich und studiert am Department A einen Gesundheitsberuf. Im Department A war der Rücklauf etwas größer als in den Departments B und C. (vgl. Tabelle 1). Es nahmen prozentual mehr Studierende aus diesem Department teil als anteilig in diesem Department der Hochschule studieren. Auch der Anteil Studierender der übrigen Departments entspricht nicht der Verteilung Studierender auf die Departments in der Grundgesamtheit. Im Durchschnitt waren die Studierenden knapp 24 Jahre alt. Die Hälfte der Studierenden war im vierten oder einem höheren Fachsemester. Knapp ein Drittel befindet sich in einem Studium für einen Gesundheitsberuf. Diejenigen, die keinen Gesundheitsberuf studieren, befinden sich in einem Studienangebot der Hochschule mit gesundheits- und sozialwissenschaftlichem Schwerpunkt (Tabelle 1). Die Differenzierung in akademischer Gesundheitsberuf und Gesundheitsberuf erfolgt, weil in Deutschland ein Gesundheitsberuf in der Pflege, der Ergotherapie, Hebammenkunde, Logopädie und Physiotherapie derzeit noch nicht überwiegend studiert, sondern in einer Berufsfachschule oder Fachschule erlernt wird.
Zur Stichprobenbeschreibung werden absolute und prozentuale Häufigkeiten, arithmetische Mittel und Standardabweichung, Median und Interquartilsabstand sowie die 95%-Konfidenzintervalle der Parameter berichtet. Die Normalverteilungsannahme wird mit dem Kolmogorov-Smirnov-Test überprüft. Daten der Zielgröße „Gesundheitskompetenz“ sind nicht normalverteilt, die Untersuchung von Unterschieden zwischen Gruppen erfolgt daher mit nichtparametrischen Verfahren (U-Test nach Mann und Withney, Kruskal- Wallis-Test). Mittels chi-Quadrattest wird untersucht, ob Studierende unterschiedlich häufig bestimmten Graden der Gesundheitskompetenz zugeordnet werden, als dies in bereits veröffentlichten Studien zur Gesundheitskompetenz berichtet wurde. Die Datenanalyse erfolgte mit R (R Core Team, 2014).
Gemessen mit dem HLS-EU-Q16 (Range 0 bis 50) erreichen die Studierenden beim Gesamtscore wie in den Subindizes einen Mittelwert von etwas über 30 Punkten. In den Stadien zeigt sich eine breitere Streuung: Die Studierenden trauen sich mit Abstand am wenigsten zu, Gesundheitsinformationen zu beurteilen; am höchsten schätzen sie ihr Verstehen von Gesundheitsinformationen ein (Tabelle 2).
Gesundheitskompetenz Studierender: Ergebnisse für den HLS-Q16; Gesamtscore, Bereiche und Stadien (N= 127)HLS-Q-16-Gesamtscore 30.6 (6.1) [29.5; 31.6] 30.2 (26.0; 34.9) [17.7–47.9] Gesundheitsförderung 30.9 (8.2) [29.3; 32.4] 33.3 (25.0; 37.5) [0–45.8] Prävention 30.4 (6.6) [29.3; 31.6] 30.0 (26.7; 33.3) [16.7–50.0] Krankheitsbewältigung 30.5 (6.5) [29.4; 31.6] 28.6 (26.2; 34.5) [11.9–47.6] Gesundheitsinformationen finden 30.2 (8.1) [28.7; 31.6] 29.2 (25.0; 33.3) [8.3–50.0] Gesundheitsinformationen verstehen 36.8 (7.2) [35.5; 38.1] 36.1 (33.3; 41.7) [16.7–50.0] Gesundheitsinformationen beurteilen 21.5 (9.6) [19.8; 23.2] 22.2 (16.7; 27.8) [0–50.0] Gesundheitsinformationen umsetzen 27.7 (7.3) [26.5; 29.0] 27.8 (22.2; 33.3) [11.1–50.0]
Werden die Werte des HLS-EU-Q16 gemäß den Empfehlungen des HLS-EU-Consortiums (2012a) kategorisiert, zeigt sich folgendes Bild: Nur 30.8% der Studierenden weisen eine ausreichende oder ausgezeichnete Gesundheitskompetenz auf (Gesamtindex). Am höchsten schätzen Studierende ihre Gesundheitskompetenz im Bereich Gesundheitsförderung ein, gefolgt von Prävention und Krankheitsbewältigung. Auch hier hat nur rund die Hälfte oder weniger eine zumindest ausreichender Gesundheitskompetenz (Tabelle 3).
Gesundheitskompetenz Studierender: Kategorien für Gesamtscore, Bereiche und Stadien (N= 127)unzureichend problematisch ausreichend ausgezeichnet Gesamtscore 20.5% 48.8% 28.4% 2.4% Gesundheitsförderung 34.6% 12.6% 45.7% 7.1% Prävention 19.7% 36.2% 39.4% 4.7% Krankheitsbewältigung 17.3% 47.2% 30.7% 4.7% Gesundheitsinformationen... Gesundheitsinformationen finden 37.8% 14.2% 44.1% 3.9% Gesundheitsinformationen verstehen 7.9% 16.5% 56.7% 18.9% Gesundheitsinformationen beurteilen 70.9% 12.6% 12.6% 3.9% Gesundheitsinformationen umsetzen 40.9% 30.7% 23.6% 4.7%
Bei den Stadien der Gesundheitskompetenz haben drei Viertel der Studierenden eine zumindest ausreichende Kompetenz beim Verstehen von Gesundheitsinformationen, lediglich 28.3% schätzen ihre Fähigkeit Gesundheitsinformationen umsetzen zu können auch als ausreichend oder ausgezeichnet ein (Tabelle 3).
Die Ausprägung der Gesundheitskompetenz in den verschiedenen Gruppen Studierender ist in Tabelle 4 dargestellt. Bezüglich Geschlecht, Alter, Studiendauer, Departmentszugehörigkeit zeigen sich keine signifikanten Unterschiede in der Gesundheitskompetenz. Auch Studierende, die das Studium bzw. die Ausbildung in einem Gesundheitsberuf bereits abgeschlossen haben, unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Gesundheitskompetenz nur unbedeutend von Studierenden, die keinen Gesundheitsberuf haben.
Gesundheitskompetenz (HLS-Q16-Score) nach Geschlecht, Alter, Departmentzugehörigkeit, Fachsemester, (akademischer) GesundheitsberufGeschlecht weiblich 30.8 (6.0) [29.7; 32.0] 449.5 (−1.11) 0.27 männlich 29.0 (6.3) [24.4; 33.5] anderes∗ 21.4 (6.0) Alter 19 bis <21 Jahre 29.2 (7.1) [26.0; 32.3] 2.54 (3) 0.47 21 bis <23 Jahre 30.7 (6.2) [28.8; 32.7] 23 bis <25 Jahre 31.7 (5.1) [29.6; 33.6] ≥25 Jahre 30.5 (6.1) [28.4; 32.5] Department Department A 31.1 (6.4) [29.8; 32.4] 3.35 (2) 0.19 Department B 28.7 (5.0) [26.4; 31.0] Department C 30.1 (5.5) [26.7; 33.4] Fachsemester 1.–4. Fachsemester 30.2 (6.4) [28.9; 31.5] 1.405 (-1.08) 0.28 5.–10. Fachsemester 31.4 (5.5) [29.5; 33.2] Gesundheitsfachberuf bereits abgeschlossen/ in Ausbildung 30.5 (5.6) [29.2; 31.8] 1.848.5 (-0.32) 0.75 keiner/nicht beendet 30.9 (6.6) [29.1; 32.8] Akad. Gesundheitsberuf bereits abgeschlossen/in Ausbildung 30.7 (5.9) [29.6; 31.9] 991.5 (-1.04) 0.30 keiner/nicht beendet 29.8 (7.0) [26.7; 32.9]
Der Vergleich mit drei Erhebungen in Deutschland zeigt, dass die Studierenden der vorliegenden Untersuchung den niedrigsten Mittelwert aufweisen (Tabelle 5). Dies trifft sowohl für den Vergleich mit gesetzlich Versicherten (Zok, 2014), mit der Normalbevölkerung (Sørensen et al., 2015) als auch für den Vergleich mit Bachelorstudiernden der Hochschule Fulda zu (Schultes, 2017). In dieser Studie wurden Studierende aus vier Fachbereichen der Hochschule Fulda untersucht. Es wird nicht berichtet, wie hoch der Anteil Studiernder in den Gesundheitsberufen war, die in Fulda ebenfalls studiert werden können.
Gesundheitskompetenz (HLS-Q16-Score) im Vergleich mit der GKV- und HLS-EU-NRW-StudieVariable Studierende Gev HL S-EU Studierende Fulda 127 1.959 1.045 533 Mittelwerl 30.6 % 31.9 % 34.5 % 33.5 % [95% [95% [95% [95% unturuiehend 20.5 [13.5; 27.5] 14.5 [12.9; 0.1] 11.0 [9.1; 12.9] Schlecht: problematisch 48.8 [40.1; 50.5] 45.0 [42.8; 47.2] 35.3 [32.4; 38.2] 46.0 [42; 50] ausreichend 28.4 [20.6; 36.2] 33.4 [31.3; 35.5] 34.1 [31.2; 37.0] Gut: ausgezeichnat 2.4 [0.0; 5;2] 7.0 [5.9; 8.1] 19.6 [17.2; 22.0] 54.0 [50; 58] 8.201 (3) 0.04 34.080 (3) <0.001
Werden die Daten gemäß der Empfehlung von Pelikan & Ganahl (2017) in vier Kategorien aufgeteilt, zeigen sich signifikante Unterschiede zwischen den Studierenden der vorliegenden Untersuchung und den Erhebungen von (Zok, 2014) und (Sørensen et al., 2015). Schultes (2017) berichtet in ihrer Studie den Anteil Studierender mit „guter“ und „schlechter“ Gesundheitskompetenz. Ein direkter Vergleich mit der vorliegenden Studie ist daher über die Häufigkeiten in einzelnen Kategorien nicht möglich. Mit M= 33.5 ist die Gesundheitskompetenz dort höher ausgeprägt als in der vorliegenden Studie.
Die untersuchten Studierenden an der Hochschule für Gesundheit Bochum weisen mehrheitlich eine problematische Gesundheitskompetenz auf. Die angenommenen Einflussfaktoren Alter, Geschlecht, Fachsemester, Departmentzugehörigkeit (Studienrichtung), Zugehörigkeit zu einem Gesundheitsberuf haben keinen Einfluss auf die Gesundheitskompetenz. Im Bereich der Gesundheitsförderung gibt es mehr Studierende mit einer ausreichenden bzw. exzellenten Gesundheitskompetenz als im Bereich der Krankheitsbewältigung und der Prävention. Am meisten Probleme haben Studierende beim Beurteilen von gesundheitsrelevanten Informationen. Ausreichende Kompetenzen liegen im Verstehen von Gesundheitsinformationen vor. Im Vergleich mit anderen Bevölkerungsgruppen in Deutschland gibt es in der vorliegenden Untersuchung mehr Studierende mit einer problematischen Gesundheitskompetenz. Bevölkerungsgruppen mit niedriger Gesundheitskompetenz sind Menschen mit Migrationshintergrund, mit niedriger Bildung, im höheren Lebensalter ab 65 Jahren und mit chronischer Erkrankung (Schaeffer, Vogt, et al., 2017). Studierende gehören primär keiner dieser vulnerablen Gruppen an, was die hier vorgelegten Studienergebnisse umso bedenklicher erscheinen lässt.
Zok (2014) konnte durch demografische Merkmale wie Alter und Geschlecht ebenfalls keine großen Unterschiede in der Gesundheitskompetenz erklären. Anders als in bevölkerungsweiten Studien sind die hier untersuchten Studierenden mehrheitlich weiblich. Durch das Studium befinden sie sich ferner in einer ähnlichen Lebens- und Altersphase, sodass die Stichprobe insgesamt homogener ist als bevölkerungsweite Stichproben. Allerdings fielen auch in diesen Studien allenfalls schwache Einflüsse soziodemografischer Merkmale auf die Gesundheitskompetenz sowie zwischen den Geschlechtern und unterschiedlichen Altersgruppen auf (Jordan & Hoebel, 2015; Sørensen et al., 2015).
Die Ausprägung der Subdimensionen „Krankheitsbewältigung“, „Prävention“ und „Gesundheitsförderung“ unterscheidet sich in der untersuchten Studierendenstichprobe wie auch in anderen Erhebungen kaum. Deutliche Unterschiede fanden sich beim Vergleich der Stadien „Gesundheitsinformationen finden, verstehen, beurteilen und umsetzen“. Die erkennbar höheren Kompetenzen im Bereich des Verstehens könnten durch die wissenschaftliche Auseinandersetzung Studierender mit Gesundheitsfragen innerhalb des Studiums erklärt werden. Gesundheitswissenschaftliche Informationskompetenz ist ein wesentlicher Baustein im Curriculum der untersuchten Hochschule (Betker & Kustos, 2014). Die niedrigen Werte im Bereich des Umsetzens, noch stärker im Bereich des Beurteilens, kann ein Ausdruck der evtl. geringen Erfahrungen Studierender mit Gesundheit und Krankheit insgesamt diskutiert werden. Der Fokus von akademischen Gesundheitsberufen liegt zudem auf vulnerablen, gesundheitsbeeinträchtigten oder sozial benachteiligten Menschen, sodass die Fragen zur Gesundheitskompetenz bei primär gesunden Bevölkerungsgruppen möglicherweise weniger im Vordergrund stehen. Vielleicht sind Studierende in Gesundheitsberufen in der Selbsteinschätzung ihrer Gesundheitskompetenz auch kritischer als Menschen ohne diesen beruflichen Hintergrund. Kolpatzik und Zok (2017, S. 152) diskutieren niedrige Kompetenzwerte der GKV-Versicherten im Vergleich mit den EU-Werten als „Ausdruck einer grundsätzlich medienkritischeren Haltung“ in Deutschland. Weitere Analysen der erhobenen Daten könnten Erklärungsansätze liefern, inwieweit es Zusammenhänge zwischen der niedrigen Gesundheitskompetenz, dem Gesundheitsverhalten und den studienbezogenen Belastungen der Studierenden gibt.
Die vorgelegte Studie stützt Befunde, wonach „in Deutschland mehr Menschen als bislang angenommen eine limitierte Health Literacy haben“ (Schaeffer, Vogt, et al., 2017, S. 141). In der untersuchten, nicht-repräsentativen Stichprobe Studierender befindet sich die Mehrheit in einer gesunden und jungen Lebensphase. Zudem erfolgt durch das Studium eine konsequente Auseinandersetzung mit Gesundheitsthemen und den einflussreichen Determinanten von Gesundheit. Dennoch scheinen dieses Wissen und diese Kompetenzen insgesamt keinen hinreichenden Impact für eine hohe Gesundheitskompetenz in dieser Gruppe zu haben.
Die Ergebnisse dieser Studie können aus verschiedenen methodischen Gründen verzerrt sein. Zur Untersuchung der Gesundheitskompetenz wurde die insgesamt zwar als reliabel und valide eingeschätzte Kurzform des HLS-EU-Questionnaire (HLS-EU-Q16) genutzt (Pelikan & Ganahl, 2017), die allerdings Sørensen et al. (2012) zufolge auch nachvollziehbar ungenauer misst als die Langversion.
Ferner unterschied sich die Erhebung von einigen Vergleichsstudien. In der HLS-EU-Studie wurden Daten in persönlichen Interviews, in der GKV- und HLS-GER-Studie mit computergestützten Telefoninterviews erhoben (Berens, Vogt, Messer, Hurrelmann & Schaeffer, 2016; Kolpatzik & Zok, 2017). Die GEDA-Studie erfasste Gesundheitskompetenz, wie die vorliegende Studie, online bzw. postalisch per Fragebogen (Jordan & Hoebel, 2015). Der Einsatz eines Selbsteinschätzungsinstruments bei Interviews kann durch sozial erwünschte Antworten stärker verzerrte Ergebnisse liefern als dies bei Fragebögen vermutet werden kann (Jordan & Hoebel, 2015). Dies kann möglicherweise ein Grund für die gezeigten Unterschiede zwischen den Studien sein.
In der HLS-EU-Studie und vermutlich auch in den Folgestudien wurden die Antwortkategorien in der Reihenfolge von „sehr einfach (1)“ bis „sehr schwer (4)“ abgefragt und die Werte zur Analyse anschließend umgepolt. Die vorgelegte Studie erfasste Gesundheitskompetenz entgegen den Empfehlungen umgekehrt (von „sehr schwer (1)“ bis „sehr einfach (4)“. Dadurch müssen die Items anschließend zwar nicht invertiert werden (Pelikan & Ganahl, 2017), allerdings kann die Beantwortung der Fragen so schwieriger eingeschätzt worden und damit auch die Ergebnisse schlechter ausgefallen sein.
Die hier untersuchte Stichprobe ist nicht repräsentativ für Studierende in Gesundheitsstudiengängen in Deutschland, weil sie Studierende aus lediglich einer deutschen Hochschule rekrutierte und die Ziehung aus Datenschutzgründennicht auf Zufallsbasis erfolgenkonnte. In der GKV-Studie wurden z.B. gesetzlich versicherte Personen mit einer repräsentativen Zufallsstichprobe ab 18 Jahren bis über 65 Jahre untersucht. Die HLS-Studie befragte sowohl in der GKV als auch in der PKV versicherte Mitglieder ab 15 Jahren (Kolpatzik & Zok, 2017). Das Durchschnittsalter war in der HLS-Studie in NRW 48,2 Jahre (Schaeffer, Vogt, et al., 2017) und weicht somit erheblich von der hier untersuchten deutlich jüngeren Stichprobe ab. Zudem unterscheidet sich die untersuchte Stichprobe Studierender auch bei der Geschlechterverteilung deutlich von den herangezogenen Vergleichsstudien, in denen Männer und Frauen mit ähnlich großen Anteilen in den Stichproben repräsentiert waren.
Studierende in gesundheitsbezogenen Bachelor- und Masterstudiengängen werden für die Arbeits- und Leistungsanforderungen im Gesundheitswesen ausgebildet. Sie erlernen in akademischen Gesundheitsberufen die Gesundheitsversorgung von Menschen in Gesundheitsförderung, Prävention und Therapie zu begleiten oder zu übernehmen (Hochschule für Gesundheit, 2017b). Ziel ist es, spezifische Bevölkerungsgruppen bei der Verantwortungsübernahme ihrer eigenen Gesundheit sowie bei der Orientierung im Gesundheitssystem zu unterstützen (Hochschule für Gesundheit, 2017a). Curricula gesundheitsbezogener Studiengänge sollten neben der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Gesundheitskompetenz auch Konzepte zur Förderung der eigenen Gesundheitskompetenz, aber auch der von gesunden sowie vulnerablen Bevölkerungsgruppen beinhalten. Dies scheint bedeutsam, weil Menschen mit guter Gesundheitskompetenz vermutlich gesundheitlich „bessere“ Entscheidungen treffen können (Jordan & Toppich, 2015). In den zukünftigen gesundheitlichen und pflegerischen Versorgungs-Settings wird die Erfassung und Förderung der Gesundheitskompetenz eine bedeutende Aufgabe sein. Dabei wird von einem Wandel von direkten Ausführungen zu mehr bildungsbezogenen Tätigkeiten ausgegangen (Ewers, Schaeffer & Meleis, 2017). Ob Studierende mit einer problematischen Gesundheitskompetenz in der Lage sind, Patienten und Klienten gut zu beraten und zu unterstützen, ist fraglich.
Der Förderung der Gesundheitskompetenz wird zunehmend auch politische Bedeutung beigemessen. Im Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz in Deutschland wird das Gesundheitssystem als ein Handlungsfeld definiert (
Künftige Forschungsvorhaben könnten Handlungsebenen und Konzepte für die Entwicklung einer gesundheitsförderlichen Hochschule in Verbindung mit der Gesundheitskompetenz von Studierenden und allen Angehörigen einer Hochschule untersuchen. Weitere Analysen scheinen notwendig, um mögliche Zusammenhänge zwischen der Gesundheitskompetenz Studierender und der subjektiv wahrgenommenen Gesundheit, des Gesundheitsverhaltens, aber auch den gesundheitsrelevanten Studienbedingungen zu untersuchen.