In Deutschland sind derzeit 2,37 Millionen Menschen im Alter von 65 Jahren oder älter pflegebedürftig. Die meisten von ihnen erhalten Pflege in Privathaushalten (1,69 Millionen, 69%; Statistisches Bundesamt, 2017). Damit hilfe- und pflegebedürftige Menschen eine für sie abgestimmte Versorgung erhalten können, wurde mit dem Pflegeweiterentwicklungsgesetz (2008) ein am Care und Case Management (CCM) orientierter Anspruch auf Pflegeberatung gesetzlich festgelegt.
CCM ist für Personen gedacht, die aufeinander abgestimmte Versorgungsangebote wegen fehlender Ressourcen nicht selbst organisieren und koordinieren können, jedoch wegen einer Vielzahl von Problemen mehrere Angebote der Unterstützung benötigen (DGCC, 2012). Dass diese Angebote häufig kaum zu überblicken und Zugänge komplex sind und in der Folge häufig Fehl-, Über- und Unterversorgungen stattfinden, wurde bereits mehrfach dargestellt (z. B. SVR, 2012). Die Aufgaben des CCM sind gesetzlich geregelt (§ 7a SGB XI), es soll dabei helfen, komplizierte Betreuungssituationen zu unterstützen. Die Angaben zur Inanspruchnahme von CCM durch Pflegestützpunkte (PSP) schwanken zwischen 2% (Schmidt & Kraehmer, 2016b) und 9% (Michell-Auli et al., 2010).
PSP sind in der Regel interprofessionell besetzt. Mitarbeitende haben überwiegend einen Abschluss in Pflege, Sozialer Arbeit oder im Sozialversicherungswesen.
International gibt es zahlreiche Studien, die auf positive Effekte durch das CCM verweisen. So lassen sich bspw. die Zufriedenheit bei Nutzenden signifikant verbessern (Enguidanos et al., 2012), Krankenhausaufenthalte reduzieren (Mitchell et al., 2014) und das Mortalitätsrisiko senken (Parsons et al., 2012). CCM unterstützt die Alltagsbewältigung, die psychische Gesundheit (Berglund et al., 2014) und reduziert Umzüge in Langzeitpflegeeinrichtungen (Newcomer, et al., 2004).
Da CCM als komplexe Intervention von den Rahmenbedingungen in den jeweiligen nationalen Gesundheitssystemen abhängt, sind vor allem deutsche Untersuchungen dazu von Interesse.
In einer Übersichtsarbeit (Gärtner et al., 2015), die nationale CCM-Studien für Personen über 65 Jahren berücksichtigt, konnte gezeigt werden, dass sich Kooperationen zwischen informellen und formellen Beteiligten verbessern lassen (Olbert et al., 2009; Peters-Klimm et al., 2009), sich höhere Überlebensraten zeigen (Mostardt et al., 2012; Schmitt, 2011; Schmitt et al., 2011), längere Verweildauern in der Häuslichkeit möglich sind (Mostardt et al., 2012), es zu geringeren Wiederaufnahmeraten in Krankenhäuser kommt (Ruemenapf et al., 2013) sowie (gesundheits-) ökonomische Einsparungen möglich sind (Ruemenapf et al., 2013; Schmitt et al., 2011).
Studien zur Arbeit der PSP zeigen eine hohe Akzeptanz der Angebote (Michell-Auli et al., 2010; Schmidt & Kraehmer, 2016a), verweisen aber auch auf die fehlende Unterstützung durch Akteure der Gesundheitsversorgung (Schmidt & Kraehmer, 2016b).
Insgesamt zeigte sich eine schwache Studienlage zum CCM in Deutschland und eine unzureichende Untersuchung der Sichtweise von allein lebenden, pflegebedürftigen Menschen über 65 Jahre (Gärtner et al., 2015). Diese Personengruppe, die 44% aller Pflegebedürftigen ausmacht, rückt in den Fokus der Versorgung, weil oftmals Vertrauenspersonen fehlen, Behördengänge allein bewältigt werden müssen und Pflegephänomene wie soziale Isolation und Einsamkeit vermehrt auftreten können. Allein Lebende sind durch Pflege und Therapie finanziell am stärksten belastet und ihre Versorgung wird weitaus häufiger durch formelle Hilfen übernommen im Vergleich zu Mehrpersonenhaushalten (ZQP, 2014).
Daraus ergab sich für diese Untersuchung die Fragestellung, wie Angebote des CCM die Eigenständigkeit allein lebender, mehrfacherkrankter, älterer Menschen unterstützen.
Die Studie war eingebettet in das Mixed-Methods-Forschungsprojekt „Selbstbestimmtes und aktivierendes Leben und Sicherheit im Alter (SaLSA)“ der Hochschule Neubrandenburg, die von 2011–2015 in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern (M-V) durchgeführt wurde (Schmidt & Kampmeier, 2017). Dieser Beitrag stellt ausgewählte Ergebnisse zu Auswirkungen des CCM aus Sicht von 65+ Personen dar; er greift ausgewählte Ergebnisse der Dissertation des Erstautors auf. Weitere Ergebnisse, z.B. zur Nutzung von Videokonferenzen innerhalb des CCM, werden an anderer Stelle publiziert. Alle Studienteilnehmenden gaben nach Information und Aufklärung schriftlich eine informierte Einwilligung zur Teilnahme an der Studie. Die Ethikkommission der Universitätsmedizin Greifswald genehmigte die Studie (BB13/12).
Die Studie nutzte ein interpretativ-hermeneutisches Studiendesign, um subjektive Erfahrungen von allein lebenden, mehrfacherkrankten, älteren Menschen erfassen und ihre Sichtweise auf das CCM verstehen zu können. Die Darstellung des qualitativen Ansatzes erfolgt nach den COREQ Guidelines (Tong et al., 2007).
Eingeschlossen wurden allein Lebende in Privathaushalten, die Angebote des CCM durch einen PSP persönlich in Anspruch genommen haben, zu Studienbeginn 65+ Jahre waren und nach Information und Aufklärung eine schriftliche Einwilligung zur Teilnahme abgaben. Ausgeschlossen wurden Personen mit kognitiven Beeinträchtigungen nach Einschätzung des Interviewers.
Es gab zwei Zugangswege. Es erfolgten Presseaufrufe in zwei Bundesländern (Berlin und M-V) und es wurden PSP als Gatekeeper genutzt. Die Auswahl des Samples erfolgte unter Berücksichtigung der Einschluss- und Ausschlusskriterien in Anlehnung an das theoretische Sampling (Strauss & Corbin, 1996, S. 149) parallel zur Datenanalyse.
Es wurden im fortwährenden Projektverlauf Personen eingeschlossen, die ähnliche
Vor der Teilnahme an der Studie nutzten die Teilnehmenden CCM durch einen der 35 PSP in Berlin oder einen der 14 PSP in M-V (Nutzungszeitraum 4–12 Monate).
Aus einer Vorstudie (Schmidt & Luderer, 2014) wurden Dimensionen für einen teilstandardisierten
Dimensionen des Interviewleitfadens, in Anlehnung an Vorstudie (Schmidt & Luderer, 2014)– „Wie haben Sie den Pflegestützpunkt, also seine Mitarbeiter/-innen und seine Angebote, in Ihrer damaligen Situation erlebt?“ – Was hat es für Sie in Ihrer damaligen Situation bedeutet, vom Pflegestützpunkt unterstützt zu werden? Bitte versuchen Sie sich zu erinnern. [Pause] – Vielleicht fällt Ihnen ja eine bestimmte Situation ein, die Ihnen aus der Zeit besonders im Gedächtnis geblieben ist? – Erzählen Sie doch mal, wie es dazu kam, dass Sie Kontakt zum Pflegestützpunkt aufgenommen haben. [Pause] Wie war das für Sie, der erste Kontakt? [Pause] Welche Hoffnungen und Erwartungen hatten Sie? Welche Unterstützungen haben Sie denn durch die Mitarbeiter/-innen in Anspruch genommen? [Pause] Und was noch so? – Erzählen Sie doch mal, was sich für Sie verändert hat, seitdem Sie Kontakt mit der Mitarbeiterin hatten. Was hat sich nicht erfüllt? Was hätten Sie sich anders gewünscht? – Welche Bedeutung hat es für Sie, dass Sie mit den Mitarbeitern vom Pflegestützpunkt Kontakt aufgenommen haben? Was hat Sie positiv überrascht? Was hat Ihnen nicht so gefallen? – Wie haben Ihre Angehörigen oder Freunde die Arbeit der Mitarbeiter/-innen erlebt? – Wie haben Sie die Beendigung der Unterstützung erlebt? Wie ging es danach weiter? Was ist seitdem einfacher geworden, was aber auch schwieriger? Jetzt haben wir einiges besprochen. Was möchten Sie mir noch erzählen, das bisher nicht zur Sprache gekommen ist in unserem Interview? Was möchten Sie mich noch fragen? – Wie war denn das Interview für Sie? – Wie kam denn das, dass Sie sich entschieden haben, an dem Interview teilzunehmen? [Pause] Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview begann mit einem Erzählstimulus, der lautete, „
Weiterhin wurden in einem standardisierten Verfahren verschiedene Stichprobenmerkmale erhoben, wie z.B.
Zur Erfassung der
Der Erstautor führte im Zeitraum von August 2013 bis Oktober 2015 Interviews, überwiegend bei den Personen zuhause. In zwei Fällen haben die Interviews auf Wunsch der Studienteilnehmenden telefonisch stattgefunden. Bei drei Interviews war jeweils eine Vertrauensperson anwesend.
Die Interviews dauerten im Durchschnitt 27 Minuten (
Die Auswertung erfolgte in Anlehnung der Grounded Theory (Strauss & Corbin, 1996). Es wurde insbesondere auf die korrekte Umsetzung der ersten zwei Schritte des Codierens Wert gelegt, da eine vollständige Umsetzung des Prozesses der Grounded Theory im Rahmen des Projekts nicht möglich war.
Durch ein offenes Codieren des Datenmaterials wurde zunächst das gesamte Textmaterial auf den Bedeutungsgehalt gesichtet und Zeile für Zeile analysiert, später waren es kürzere Textabschnitte. Durch das axiale Codieren konnten erste Codes verfeinert werden, mit dem Ziel einer Kategorienbildung. Dieser Prozess im hermeneutischen Verfahren wurde erst abgeschlossen, wenn keine neuen Erkenntnisse mehr aufzuzeigen waren (Datensättigung).
Es musste davon ausgegangen werden, dass die befragten Personen während der Datenerhebung belastende Lebenssituationen wie bspw. Abhängigkeit, Versorgungsprobleme und Alleinsein thematisieren. Wegen der Vulnerabilität des Samples wurden die Personen nicht noch einmal aufgesucht, um die Daten zu validieren. Für eine Intersubjektivierung und Nachvollziehbarkeit der analysierten Daten fanden stattdessen mehrere Treffen in Analysegruppen statt, um die sich entwickelnden Kategorien kommunikativ zu validieren. Zur Unterstützung der Analyse wurde die Software MAXQDA 11 herangezogen.
Das Sample (
Charakteristik des Sample (n=20)Merkmale Angaben Geschlecht – n (%) weiblich 12 (60) männlich 8 (40) Alter in Jahren Range 64–89 M 73,7 SD 8,04 Familienstand – n (%) ledig 3 (15) verwitwet 13 (65) geschieden 3 (15) verheiratet 1 (5) Kontakt über - n (%) Zeitung 5 (25) Pflegestützpunkte 15 (75) Chronische Erkrankungen Range 2-7 M 2,8 SD 1,33 Pflegestufea 0 (Pflegebedarf <90 min/d) 1 (5) I (Pflegebedarf 90–180 min/d) 10 (50) II (Pflegebedarf 180–300 min/d) 8 (40) III (Pflegebedarf >300 min/d) 1 (5) Barthel-Index Range 35–80 M 57 SD 12,5
Die für diese Untersuchung einbezogenen Personen profitierten ganz unterschiedlich durch CCM. Das Ankerbeispiel
Wie Angebote des CCM die Eigenständigkeit allein lebender, mehrfacherkrankter, älterer Menschen unterstützen, wird nachfolgend dargestellt. Die einzelnen Kategorien werden erörtert und mit Ankerbeispielen aus den geführten Interviews belegt.
Es zeigte sich durch die Interviews, dass die Möglichkeiten der Alltagsunterstützung durch das CCM weit über die Vorstellungen der Nutzer/-innen hinausgingen. So hatten sich einige bereits damit
Mit dem CCM wurden Wege zur Ermöglichung eines selbstständigen Lebens trotz Erkrankung und Pflegebedarf aufgezeigt. Alltagsunterstützung wurde empfunden, wenn individuelle Hilfen beschafft wurden (u.a. IP22, 29–30). So begrüßten Nutzer/-innen den Zugang und die Organisation pflegerischer und therapeutischer Angebote, die ihren Alltag erleichterten, wodurch sie sich weniger belastet fühlten (u.a. IP22–76):
Durch die Organisation von Hilfsmitteln wurde die Selbstständigkeit der Nutzer/-innen unterstützt. Eine Nutzerin profitierte bspw. von einem elektrischen Rollstuhl, der nach Initiative des CCM durch die Krankenkasse bewilligt wurde.
Die Unterstützung durch das CCM wurde zum Teil hoffnungsstiftend erlebt. So berichtete eine Nutzerin:
Die in den Interviews benannten Veränderungen des Alltags bezogen sich in vielen Äußerungen auf die psychische Ebene, weil Nutzer/-innen in ihrem Selbstwertgefühl gestärkt und ihnen Ängste genommen wurden (u.a. IP3). Auch alltagsrelevante Veränderungen aufgrund des Erkenntnisgewinns zu Anspruchsvoraussetzungen von Leistungen sowie Hilfe- und Unterstützungsangeboten waren möglich. Die Veränderungen wurden darin wahrgenommen, dass Zugänge vereinfacht und Teilhabe am sozialen Leben gefördert wurde, weil bspw. Mobilitätseinschränkungen mithilfe von Hilfsmitteln aufgehoben wurden.
Die vor dem CCM schwer zu durchschaubaren Zuständigkeiten in den Behörden, bei Leistungsträgern und Leistungsanbietern sowie die
Die Befragten gaben ihre Daten häufig weiter, ohne zu wissen, wofür und für wen sie von Bedeutung waren. Die daraus folgende Unsicherheit trug dazu bei, Misstrauen gegenüber
Die Unterstützung durch das CCM wurde als positiv erlebt, weil damit in der Wahrnehmung der Befragten keine spezifischen (z.B. finanzielle) Interessen verbunden waren:
Wenn Hilfen, wie z.B. Rampen oder Türschwellen,
Auch gegenüber Ämtern bestand vielfach
Beschränkungen des eigenen Alltags, wie z.B. Mobilitätseinschränkungen, die verhindern, in die Arztpraxis zu kommen oder einkaufen zu gehen (IP1, 95–106), werden in Bezug auf verschiedene Bewilligungsverfahren (z.B. unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr bzw. Hilfsmittel für die Unterstützung der Mobilität/Kostenübernahme durch Leistungsträger (u.a. IP2, 53–63)) thematisiert. Die Erstellung entsprechender Bescheide war häufig mit langen Wartezeiten verbunden (u.a. IP1, 51–56) oder wurde als zusätzliche Belastung erlebt:
Verlässlichkeit zeichnete sich dadurch aus, dass die Nutzer/-innen wussten, dass sie ihre/-n Case Manager/-in jederzeit und bei jedem Anliegen erreichen können:
Wurde Nutzern (schwerwiegende) Diagnosen mitgeteilt, wussten sie, dass sie diese mit ihrem/r Case Manager/-in besprechen konnten, wodurch sie wiederum neue Hoffnung schöpften:
In einer existenziellen Krise hat das CCM beim Verarbeiten einer schlechten Nachricht geholfen und durch eine Beratung, die
Aus Sicht der Befragten gab es ihnen eine große Sicherheit, zu wissen, dass sie mit ihrer Lebenssituation nicht alleine sind und ihre Case-Manager in jederzeit kontaktieren können:
Gefühle von Verlässlichkeit und
In einigen Interviews wurde deutlich, dass die Nutzer/-innen bewusst entscheiden, wann sie ihre/n Case Manager/-in ansprechen und wann nicht. In Einzelfällen werden die Case Manager/-innen in stressigen Arbeitssituationen und als jemand, der generell wenig Zeit hat, erlebt (u.a. IP2, 90–92):
Diese Ambivalenz zwischen
Hilfreich für eine Akzeptanz war eine detaillierte Information und nachvollziehbare Begründung von Leistungen. Dies scheint keinesfalls trivial, denn (wie weiter oben dargestellt) für die Nutzer/-innen waren vor dem Kontakt mit dem CCM Angebote und Zugänge nicht transparent:
Hilfen konnten ebenso leichter angenommen werden, wenn sie gemeinsam mit ihrem/r Case Manager/-in angefragt wurden (u.a. IP26, 114–116). Die aktive Suche nach
Die Nutzer/-innen nahmen die knappen Zeitressourcen ihres/r Case Manager/-in vor dem Wissen wahr, dass es ohne sie nicht geht. Nicht zuletzt wurde es alltagsunterstützend empfunden, wenn z.B. Familienmitglieder oder Nachbarn entlastet wurden, weil die eigene Lebenssituation
Nutzer/-innen profitierten in erster Linie von CCM, weil ihre Case Manager/-in sie durch das aus ihrer Sicht komplizierte Gesundheits- und Versorgungssystem leiteten und sie sich in ihrer einzigartigen Lebenssituation wahrgenommen fühlten. Das individualisierte Angebot von Hilfe und Unterstützung und die erlebte Verlässlichkeit stärkte die Sicherheit der Nutzer/-innen, was wiederum Auswirkungen auf ihren Alltag hatte. Das CCM half den allein lebenden, mehrfacherkrankten, älteren Menschen, ihre individuellen Lebenssituationen bewältigen zu können.
Diese positiven Erfahrungen decken sich mit den Ergebnissen nationaler Studien (Buescher et al., 2011; Korinth, 2008). Dennoch sind vulnerable Personen besonders betroffen von Schnittstellenproblemen, Versorgungsbrüchen sowie Fehl- und Unterversorgungen (SVR, 2012), wodurch sich die Komplexität verstärkt. Es ist daher verständlich, dass eine Abnabelung von CCM aus Sicht der Befragten keinesfalls angestrebt wird. Einfache Zugänge, klare Zuständigkeiten und stabile Netzwerke können die Versorgungssituation entspannen, woraus sich für das CCM der Auftrag ergibt, gemeinsam mit Akteuren vor Ort (d. h. im Bezirk, im Landkreis, in der Kommune) eine Zusammenarbeit zu organisieren, die auf die Bedarfe der Zielgruppe zugeschnitten ist.
Nationale Untersuchungen zeigen, dass Angebote des CCM bei informellen (Kollak & Schmidt, 2012) sowie bei formellen Akteuren (Schmidt & Kraehmer, 2016b) bislang kaum bekannt sind. Durch Unkenntnis wird CCM nicht in Empfehlungen für Patientinnen und Patienten integriert. Eine wichtige Zielgruppe sind Hausarztpraxen als zentrale Anlaufstelle für ältere Menschen. Dieser Bedarf nach einer zielgruppengerechten Öffentlichkeitsarbeit und regionalen Vernetzung bestätigte sich auch in den Befragungen. Durch leichte Zugänglichkeit sind auch diejenigen zu erreichen, die Angebote aus körperlichen oder psychischen Gründen nicht in Anspruch nehmen (können).
Formelle und informelle Akteure brauchen ein gegenseitiges Verständnis für die Arbeit des anderen. Hier können bspw. gegenseitige Hospitationen im Rahmen eines Netzwerks förderlich sein, da durch das Wissen um die Zuständigkeiten der einzelnen Akteure auch die Wertschätzung und Unterstützung für deren Wirken steigen (Kollak & Schmidt, 2015, S. 92f.).
Trotz der festgeschriebenen Einschlusskriterien „ältere, alleinstehende, mehrfach Erkrankte“ wurden Personen im Alter zwischen 64–89 Jahren befragt, um breite Erkenntnisse zu Angeboten des CCM aus Sicht von Nutzern zu erhalten.
Trotz der Herausforderungen beim theoretischen Sampling aufgrund des schwierigen Zugangs zur Zielgruppe konnte eine Repräsentation des Samples erreicht werden, eine minimale und maximale Kontrastierung von Merkmalen war möglich.
Durch die Gatekeeper könnte eine Verzerrung des Samples möglich sein, weil nicht diejenigen erreicht wurden, die sich zurückziehen, sich selbst nicht zur Teilnahme melden können, keinen Zugang zu Medien haben oder sich kritisch geäußert hätten.
Das Sample weist durch eine hohe Anzahl an chronischen Erkrankungen zwar eine Multimorbidität auf, hat jedoch im Durchschnitt einen geringen Grad an Pflegebedürftigkeit.
Eine Nonresponder-Analyse erfolgte aufgrund des schwierigen Zugangs. Die Aussagen dieser Studie, die lediglich als Querschnitt angelegt war, sind daher begrenzt.
Die wichtigsten Ableitungen für die Praxis aus den Ergebnissen sind in Bezug auf die Transparenz bezüglich CCM und die Organisation des regionalen Netzwerks sowie auf das Kompetenzprofil der CCM-Akteure zu treffen. Durch eine regionale aktive Vernetzung durch persönliche Kontaktaufnahme, durch Flyer oder Aushänge kann die Wahrnehmung und damit Inanspruchnahme von CCM gestärkt werden. Insbesondere Ballungszentren sind hier aufgrund der schnellen Veränderung der Anbieterstrukturen besonderen Herausforderungen unterworfen, die gegebenenfalls nur mit kommunaler Unterstützung (Register der Gesundheitsakteure) bewältigt werden können.
Personen, die im CCM als Akteure tätig sind, benötigen vielfältige soziale, insbesondere kommunikative Kompetenzen. Im Bewusstsein, dass sie für die Nutzer/-innen von großer Bedeutung sind, sind die Einhaltung von Zusagen, das Zeitmanagement und getroffene Absprachen besonders zu reflektieren. Ein stabiles Arrangement gewährleistet Sicherheit für die Nutzer/-innen, wobei eine Ablösung aus dem CCM-Prozess zugunsten des Wirkens anderer Akteure der Regelversorgung nach wie vor angezielt werden sollte. Dies wiederum ist nur bei entsprechender Netzwerkarbeit der CCM-Akteure möglich.
Wir danken allen Studienteilnehmenden für ihre Bereitschaft, sich befragen zu lassen und für die Offenheit in den Interviews. Diese Arbeit wurde unterstützt durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (17S16X11).