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Von der Beschreibung zur Verdichtung


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Einleitung

Im Zuge der Staatsbildung erlangte Baden, das im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts vom Status einer Markgrafschaft zu einem Kurfürstentum (1806) und schließlich zum Großherzogtum (seit 1809) aufstieg, neben seiner Souveränität auch ein geschlossenes Staatsgebiet.

Ich danke dem Gutachter, Stefan Nellen und Thomas Stockinger für ihre Kritik und Anregungen!

Mit dem Prozess der territorialen Arrondierung ging auch eine Neugestaltung der Landesverwaltung und des Verwaltungsraumes einher.

Hans-Peter Ullmann: »Baden 1800 bis 1830«, in: Hansmartin Schwarzmaler et al. (Hg.): Handbuch der badenwürttembergischen Geschichte, Bd. 3: Vom Ende des Alten Reiches bis zum Ende der Monarchien, Stuttgart 1992, S. 25–77, hier S. 26–30; weiterhin Willy Andreas: Geschichte der badischen Verwaltungsorganisation und Verfassung in den Jahren 1802–1818, Bd. 1: Der Aufbau des Staates im Zusammenhang der allgemeinen Politik, Leipzig 1913.

Das Reitzenstein’sche Organisationsedikt von 1809, das die Verwaltungslandschaft neu ordnete, zielte neben einer »gleiche[n] und einfache[n] Verwaltung«

Organisationsedikt, 26. 11. 1809, in: Grosherzoglich Badisches Regierungsblatt (1809), Nr. 49, S. 395–494 [OrgE 1809], hier S. 395.

auf die Errichtung der Bezirke und Kreise als administrative Ordnungsräume ab.

Die Bezirke bildeten in der neuen Verwaltungsordnung von 1809 die unterste Ebene der staatlichen Verwaltung. Die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts voranschreitende Verdichtung und Vereinheitlichung des staatlichen Zugriffs auf die lokale (Gemeinde-)verwaltung war konflikt- und spannungsgeladen.

Zum Aspekt von Kooperation und Konflikt im Zusammenhang mit dem »administrativen Vorrücken in die Fläche« siehe in konzeptioneller Hinsicht Jörg Ganzenmüller / Tatjana Tönsmeyer: »Einleitung: Vom Vorrücken des Staates in die Fläche. Ein europäisches Phänomen des langen 19. Jahrhunderts«, in: Jörg Ganzenmüller / Tatjana Tönsmeyer (Hg.): Vom Vorrücken des Staates in die Fläche. Ein europäisches Phänomen des langen 19. Jahrhunderts, Köln 2016, S. 7–31, hier S. 8, 10, 12. Weiterhin die einzelnen Beiträge im ersten Abschnitt.

Dementsprechend stand die Bezirksverwaltung mit ihren Amtmännern als lokalen Vertretern der Regierung und des Innenministeriums im Vormärz und in der Revolution von 1848/1849 im Zentrum des politischen Konflikts mit den Gemeindeverwaltungen wie auch mit der lokalen Gesellschaft.

Jürgen Maciejewski: Amtmannsvertreibungen in Baden im März und April 1848. Bürokratiekritik, bürokratiekritischer Protest und Revolution von 1848/49, Frankfurt am Main 2010; Joachim Eibach: Der Staat vor Ort. Amtmänner und Bürger im 19. Jahrhundert am Beispiel Badens, Frankfurt am Main 1994; Paul Nolte: Gemeindebürgertum und Liberalismus in Baden 1800–1850. Tradition – Radikalismus – Republik, Göttingen 1994. Zur Politik der »Policey« im Sinne einer »absichtsvollen, zweckgerichteten Gestaltung gesellschaftlicher Verhältnisse« im 18. Jahrhundert in Baden vgl. André Holenstein: ›Gute Policey‹ und lokale Gesellschaft im Staat des Ancien Régime. Das Fallbeispiel der Markgrafschaft Baden(-Durlach), 2 Bde., Tübingen 2003, Bd. 1, S. 434–518; Bd. 2, S. 827–832, Zitat S. 827.

Als Vertreter der Staatsverwaltung ›vor Ort‹

Der Begriff ›vor Ort‹ nimmt Bezug auf den Bezirk als unterste staatliche Verwaltungsebene und bezieht sich insbesondere auch auf die Gemeindeverwaltungen, Bewohner sowie lokalen Verhältnisse des Bezirks. Der Begriff wurde in diesem Kontext verwendet von Eibach: Staat vor Ort, S. 11–12.

lag auch die Informationsbeschaffung in den Händen der Amtsvorstände. Es war Aufgabe der Amtmänner, den vorgesetzten Behörden Informationen und Erkenntnisse über die (land-)wirtschaftlichen, infrastrukturellen, sicherheits-, wohlfahrts- und gesundheitspolizeilichen Verhältnisse in ihren Bezirken bereitzustellen. Im Mittelpunkt der Informationsbeschaffung stand die Praxis der Ortsbereisung, die das Reitzenstein’sche Organisationsedikt von 1809 unter der Bezeichnung »Ruggericht« oder »Vogtgericht«

OrgE 1809, Beilage C, S. 433.

in rein administrativer Form vorschrieb. Zwar wurde mit dieser Bezeichnung an die Tradition des badischen Frevelgerichts des 18. Jahrhunderts angeknüpft, doch fiel nun die Gerichtsfunktion weg.

Als gut ein halbes Jahrhundert später mit der Verwaltungsreform von 1863/1865 eine partizipative Verwaltungspraxis eingeführt wurde, veränderte sich das Verhältnis zwischen dem Bezirksamt als Verwaltungszentrum und der lokalen Gesellschaft grundlegend.

Zu Kommunikations- und Aushandlungsprozessen zwischen lokaler Verwaltung und Bürgern vgl. Peter Becker: »Sprachvollzug: Kommunikation und Verwaltung«, in: Peter Becker (Hg.): Sprachvollzug im Amt. Kommunikation und Verwaltung im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts, Bielefeld 2011, S. 9–42, hier S. 13–14; Rüdiger von Krosigk: Bürger in die Verwaltung! Bürokratiekritik und Bürgerbeteiligung in Baden. Zur Geschichte moderner Staatlichkeit im Deutschland des 19. Jahrhunderts, Bielefeld 2010, S. 15; Stefan Haas / Mark Hengerer: »Zur Einführung. Kultur und Kommunikation in politisch-administrativen Systemen der Frühen Neuzeit und der Moderne«, in: Stefan Haas / Mark Hengerer (Hg.): Im Schatten der Macht. Kommunikationskulturen in Politik und Verwaltung 1600–1950, Frankfurt am Main 2008, S. 9–22, hier S. 10; Eibach: Staat vor Ort, S. 16–17. Weiterhin Stefan Haas: Die Kultur der Verwaltung. Die Umsetzung der preußischen Reformen 1800–1848, Frankfurt am Main 2005; Patrick Wagner: Bauern, Junker und Beamte. Lokale Herrschaft und Partizipation im Ostelbien des 19. Jahrhunderts, Göttingen 2005.

Die liberale Verwaltungsreform führte eine Beteiligung von Einwohnern des Bezirks als Bezirksräte an der staatlichen Bezirksverwaltung und ersten Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie eine körperschaftliche Kreisselbstverwaltung ein. Hierdurch sollte das Vertrauen der lokalen Gesellschaft in die staatliche Verwaltung gestärkt und Kenntnisse, Gemeinsinn und Engagement der Bürger als Ressourcen für die Verwaltung mobilisiert werden.

Dieser Beitrag geht der Frage nach, in welcher Weise die Praxis der Ortsbereisungen, bei der zwar die Untersuchung mündlich vor Ort durchgeführt wurde, jedoch die gesammelten Informationen in einem Protokoll oder Tagebuch schriftlich festgehalten wurden, die Erzeugung und Wahrnehmung des Bezirks als Verwaltungsraum – vor allem im Hinblick auf das Verhältnis zwischen dem Bezirksamt als Verwaltungszentrum sowie den Bewohnern und Gemeinden des Bezirks als Teil der lokalen Gesellschaft – beeinflusste. Hierzu wird die Verwaltungspraxis der Ortsbereisungen im Großherzogtum Baden zunächst im Rahmen des stark zentralisierten Verwaltungssystems von 1809 und sodann im Rahmen der partizipativen Verwaltungsorganisation von 1863/1865 bis in die 1870er Jahre untersucht.

Im Hinblick auf die 1863/1865 neu geschaffene ›volkstümliche‹ Einrichtung des Bezirksrats als kollegiales Organ der Bezirksverwaltung rückt die Mittlerrolle der ehrenamtlichen Bezirksräte stärker in den Mittelpunkt des Interesses dieses Beitrags. Für die Besetzung der Bezirksräte ernannte die Regierung jeweils sechs bis neun Bewohner eines Bezirks aus einer von der Kreisversammlung aufgestellten dreifachen Kandidatenliste zu Bezirksräten. Der Bezirksrat als Kollegialorgan wurde vom Amtsvorstand des jeweiligen Bezirks geleitet. Neben der Teilnahme an den monatlichen Sitzungen des Bezirksrats waren die Bezirksräte auch beauftragt, »als Einzelne«

»Gesetz, die Organisation der innern Verwaltung betreffend«, 5. 10. 1863, in: Großherzoglich Badisches Regierungs-Blatt (1863), Nr. 44, S. 399–414 [VerwG 1863], hier § 9, S. 402f.

in den ihnen zugewiesenen Gebieten tätig zu werden. Hinsichtlich der Teilnahme von Bezirksräten an den Ortsbereisungen sowie der Unterstützung der Bezirksverwaltung als lokale Informanten, Berater und Sachverständige interessiert insbesondere die Frage, wie diese Mittlerrolle der Bezirksräte dazu beiträgt, die Distanz zwischen der Bezirksverwaltung und der lokalen Gesellschaft zu verringern.

Einem kultur- und medienwissenschaftlichen Raumverständnis folgend ist »nicht der Raum als Begriff einer physikalischen Entität, sondern die Möglichkeit einer Beschreibung räumlicher Verhältnisse hinsichtlich kultureller und medialer Aspekte«

Stephan Günzel: »Raum – Topographie – Topologie«, in: Stephan Günzel (Hg.): Topologie. Zur Raumbeschreibung in den Kultur- und Medienwissenschaften, Bielefeld 2007, S. 13–29, hier S. 13.

von Bedeutung. So besteht der Bezirk nicht nur als ein gegebener, funktionaler Verwaltungsraum,

Zum Verwaltungsraum als funktionaler Zusammenhang administrativer Zuständigkeiten vgl. Pascale Cancik: »Verwaltung, Raum, Verwaltungsraum – eine historische Annäherung«, in: Hermann Hill / Utz Schliesky (Hg.): Die Vermessung des virtuellen Raums. E-Volution des Rechts- und Verwaltungssystems III, Baden-Baden 2012, S. 29–54.

sondern wird als solcher auch in Abhängigkeit von kommunikativen Praktiken erzeugt.

Den von der Verwaltung eingesetzten Medien kommt dabei eine große Bedeutung zu. Als Medien – im Sinne von Mitteln zur Erfüllung eines Zweckes – einer kommunikativen Verwaltungspraxis können beispielsweise Schriftlichkeit, Mündlichkeit und Unmittelbarkeit, eine partizipative Verwaltung – zu der auch das Aushandeln und Vermitteln gehören – sowie die amtliche Öffentlichkeitsarbeit betrachtet werden.

Zum Aspekt von »Medien« als »Mittel« vgl. Cornelia Vismann: Medien der Rechtsprechung, hg. von Alexandra Kemmerer / Markus Krajewski, Frankfurt am Main 2011, S. 115.

Sie beeinflussen auf recht unterschiedliche Weise die Erzeugung und Wahrnehmung des Verwaltungsraumes in Bezug auf die Distanz von Verwaltungszentrum und lokaler Gesellschaft.

Vgl. Jörg Döring / Tristan Thielmann: »Einleitung: Was lesen wir im Raume? Der Spatial Turn und das geheime Wissen der Geographen«, in: Jörg Döring / Tristan Thielmann (Hg.): Spatial Turn. Das Raumparadigma in den Kultur- und Sozialwissenschaften, Bielefeld 2008, S. 7–45, hier S. 16–17.

Das Medium der schriftlichen Kommunikation in Form von Schriftwechseln, Anordnungen, Berichten und Ähnlichem unterstreicht eine größere Distanz zwischen dem Bezirksamt als Verwaltungszentrum und der lokalen Gesellschaft – hier insbesondere im Hinblick auf entlegenere Gemeinden – im Bezirk. Die räumliche Distanz kommt etwa in der Dauer der Zustellung eines Briefes – im Falle eines Schriftwechsels zwischen dem Bezirksamt und Bezirksangehörigen oder Gemeinden – oder in der Geschwindigkeit, in der Nachrichten im Bezirk zirkulieren, zum Ausdruck.

Zu einer auf Schriftlichkeit basierenden Normkommunikation der Zentralverwaltung mit der lokalen Gesellschaft über eine größere Distanz hinweg vgl. Bernd Wunder: »Vom Intelligenzblatt zum Gesetzblatt. Zur Zentralisierung inner- und außeradministrativer Normkommunikation in Deutschland (18./19. Jahrhundert)«, in: Jahrbuch für europäische Verwaltungsgeschichte 9 (1997), S. 29–82; Joachim Eibach: »Die Bekanntmachung der Gesetze und Verordnungen in den badischen Gemeinden ab 1803«, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins N. F. 142 (1994), S. 431–440; Veronika Duma: »›Worauf die Völker schon lange so sehnsüchtig gewartet haben …‹. Zur Kommunikation der neuen Gemeindeordnung«, in: Peter Becker (Hg.): Sprachvollzug im Amt. Kommunikation und Verwaltung im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts, Bielefeld 2011, S. 131–153.

Zwei Sichtweisen lassen sich bei einer auf Schriftlichkeit basierten Verwaltungspraxis zwischen Verwaltungszentrum – hier dem Bezirksamt – und lokaler Gesellschaft in Bezug auf die Wahrnehmung des Raumes ausmachen: Für den Amtmann – als die zentrale Figur des Verwaltungszentrums – war die lokale Gesellschaft außerhalb der Gemäuer seines Amtssitzes mittelbar gegeben. Aus der Perspektive der Bewohner des Bezirks wiederum stellte sich das Bezirksamt als Verwaltungszentrum als etwas Entferntes und in einem Gebäude Abgeschlossenes dar. Schriftlichkeit erzeugt Distanz.

Eine andere Wirkung entfaltet eine kommunikative Verwaltungspraxis auf der Grundlage von Mündlichkeit und Unmittelbarkeit. Das Begriffspaar ›Mündlichkeit‹ und ›Unmittelbarkeit‹ war noch im 19. Jahrhundert – insbesondere in der Rechtsprechung – nur sehr schwer zu trennen.

Zu Mündlichkeit und Unmittelbarkeit als Medien der Rechtsprechung, insbesondere mit Blick auf ihre Auslegung bei Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach und seinem Schüler Carl Joseph Anton Mittermaier in den 1820er und 1840er Jahren, vgl. Vismann: Medien der Rechtsprechung, S. 112–129. Zur historischen Entwicklung des Mündlichkeitsprinzips im Zivilprozess im 19. Jahrhundert vgl. Hans-Gerhard Kip: Das sogenannte Mündlichkeitsprinzip. Geschichte einer Episode des Deutschen Zivilprozesses, Köln 1952.

Aus Sicht einer bürgernahen Verwaltung wurde ›Unmittelbarkeit‹ oder eine ›unmittelbare‹ Geschäftsbehandlung im Sinne eines direkten Kontaktes zwischen den Behörden und den Beteiligten verstanden und war positiv besetzt, da hierdurch eine »eigene Anschauung«

»Präsidialschreiben« vom 17. 9. 1849 des Innenministers Adolf Freiherr Marschall von Bieberstein (1806–1891), abgedruckt bei Gideon Weizel: Das Badische Gesetz vom 5. October 1863 über die Organisation der innern Verwaltung mit den dazu gehörigen Verordnungen, sammt geschichtlicher Einleitung und Erläuterungen. Nach amtlichen Quellen bearbeitet, Karlsruhe 1864, S. 55. Siehe auch weiter unten in diesem Beitrag.

der Verhältnisse gewonnen und Ermessensspielräume besser genutzt werden konnten.

Siehe dazu den Vortrag des badischen Ministerialrats Gideon Weizel von 1847 zur Konzeption einer guten Verwaltungspraxis: Generallandesarchiv Karlsruhe [GLA], 236/3570, Vortrag Weizel, Erste Abteilung, fol. 15. Zu diesem Vortrag ausführlicher Krosigk: Bürger in die Verwaltung, S. 82–86.

Zum Beispiel machten die periodischen Ortsbereisungen und die Einzeltätigkeit der Bezirksräte als Informanten, Berater und Sachverständige in den ihnen zugewiesenen Gebieten eine mündliche Kommunikation der Verwaltungsakteure in direktem Kontakt mit Vertretern der Gemeinden und den Bewohnern des Bezirks vor Ort erforderlich und ließen so den Verwaltungsraum unmittelbar erfahren.

Zur Bedeutung kommunikativer Prozesse für die Wahrnehmung und Erzeugung von Räumen vgl. Gabriela B. Christmann: »Das theoretische Konzept der kommunikativen Raum(re)konstruktion«, in: Gabriela B. Christmann (Hg.): Zur kommunikativen Konstruktion von Räumen. Theoretische Konzepte und empirische Analysen, Wiesbaden 2016, S. 89–117; Becker: »Sprachvollzug«, S. 18–28; Alexander C. T. Geppert / Uffa Jensen / Jörn Weinhold: »Verräumlichung. Kommunikative Praktiken in historischer Perspektive, 1840–1930«, in: Alexander C. T. Geppert / Uffa Jensen / Jörn Weinhold (Hg.): Ortsgespräche. Raum und Kommunikation im 19. und 20. Jahrhundert, Bielefeld 2005, S. 15–49.

Zu einer partizipativen Verwaltungspraxis gehörte auch die Darstellung der Bezirke in den amtlichen »Jahresberichten der Landeskommissäre«, die vor allen Dingen auf den Informationen der Ortsbereisungen aufbauten und seit Mitte der 1860er Jahre veröffentlicht wurden. Durch die Beschreibung und den Vergleich der Verwaltungsverhältnisse in den einzelnen Bezirken beeinflussten die Jahresberichte die Erzeugung und Wahrnehmung des Bezirks als Verwaltungsraum.

Zur Erzeugung von Räumen durch Beschreibung vgl. Günzel: »Raum«, S. 13; Lars Behrisch: »Vermessen, Zählen, Berechnen des Raums im 18. Jahrhundert«, in: Lars Behrisch (Hg.): Vermessen, Zählen, Berechnen. Die politische Ordnung des Raumes im 18. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2006, S. 7–25, hier S. 16; weiterhin Döring / Thielmann: »Einleitung«, S. 13.

Die Medien, die die badische Verwaltung mit ihrer partizipativen Verwaltungspraxis in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausbaute und einführte, zielten darauf ab, räumliche Distanz zwischen Zentralverwaltung und Bezirksverwaltung sowie zwischen Bezirksverwaltung und lokaler Gesellschaft zu verkleinern – und damit in einem gewissen Sinne auch die Verwaltungsräume zu minimieren. Hierzu wurde eine Beteiligung von Bürgern auf der Ebene der Bezirksverwaltung eingeführt: Die Bürger wurden der Verwaltung näher gebracht, indem die Verwaltung sich selbst den Bürgern näher brachte.

Die zentrale These von der Wirkung der Verwaltungspraxis – hier insbesondere der Ortsbereisungen – auf die Erzeugung und Wahrnehmung des Verwaltungsraumes wird folgendermaßen entwickelt: Zunächst werden die Ortsbereisungen im Kontext des Reitzenstein’schen Verwaltungssystems von 1809 untersucht. Hierbei wird die Entwicklung der Ortsbereisungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dargestellt und gezeigt, welche Wirkung ihre Praxis auf die räumliche Distanz zwischen Bezirksverwaltung und lokaler Gesellschaft hatte. Im zweiten Abschnitt werden zunächst die mit der Verwaltungsreform von 1863/1865 neu eingeführten Landeskommissäre und Bezirksräte im Hinblick auf ihre Mittlerrolle zwischen Verwaltungszentrum und Bezirksverwaltung sowie lokaler Gesellschaft im Zeichen einer unmittelbaren Verwaltungspraxis vorgestellt. Sodann geht es um die Rolle der Bezirksräte als Mittler zwischen Bezirksverwaltung und lokaler Gesellschaft im Kontext einer partizipativen Verwaltungspraxis. Auch wird der Frage nach der Wirkung der Bezirksräte auf die räumliche Verfassung des Bezirks als Verwaltungsraum nachgegangen. Abschließend wird ein Blick vornehmlich auf die »Jahresberichte der Landeskommissäre« geworfen, die auf den Informationen der Ortsbereisungen beruhten und seit Mitte der 1860er Jahre die Vorstellung des Bezirks als Verwaltungsraum mittelbar mitprägten.

Ortsbereisungen und lokaler Raum im zentralisierten Verwaltungssystem von 1809
Verwaltung aus der Distanz: die Mittelstellen im Verwaltungssystem von 1809

Das Reitzenstein’sche Organisationsedikt von 1809 prägte die Verwaltung im Großherzogtum Baden bis zur liberalen Reform von 1863/1865. Ein wesentliches Merkmal der Verwaltung von 1809 war der stark ausgeprägte Zentralismus, der seinen Mittelpunkt im Innenministerium fand und eine gleichförmige Tätigkeit der Bezirksverwaltung sicherstellen sollte: »Von einem obersten Punkte aus sollte sich der staatliche Wille in immer weiteren Kreisen gleichmäßig über das Land ausdehnen«.

Andreas: Verwaltungsorganisation, Bd. 1, S. 265; zur Entstehung der Bezirke auch Walter Grube: Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden-Württemberg, Bd. 1: Geschichtliche Grundlagen, Stuttgart 1975, S. 100–104.

Die Bezirke als unterste Ebene der staatlichen Verwaltung bildeten die funktionale und rechtliche Zuständigkeit der Bezirksverwaltung in räumlicher Hinsicht ab. Die leitende Idee war die Durchsetzung gleicher Verwaltungsstandards in allen Bezirken. Die Einteilung der Bezirksämter erfolgte nach der Leistungsfähigkeit eines Exekutivbeamten und nach geografischen, verwaltungstechnischen, finanziellen sowie bevölkerungspolitischen (ca. 7000 Einwohner) Gesichtspunkten.

Zur Einteilung der Ämter und der Kreisdirektorien infolge des Organisationsedikts von 1809 vgl. Weizel: Das Badische Gesetz, S. 32–36; auch Berthold Krapp: Die badische Ämterorganisation vom Reichsdeputationshauptschluß bis zum Ende der Rheinbundzeit, Karlsruhe 1931, S. 36, 40–45.

Aus der Perspektive der 1860er Jahre äußerte sich Ministerialrat Gideon Weizel in seinem Kommentar zum liberalen Verwaltungsgesetz von 1863 – gewissermaßen aus einer Innenperspektive der Verwaltung – kritisch über die Reitzenstein’sche Verwaltungsorganisation von 1809.

Das Reitzenstein’sche Organisationsedikt wird allgemein als eine besonders bürokratische und hierarchische Verwaltungsorganisation betrachtet. So Eibach: Staat vor Ort, S. 31–34; Ludwig Seiterich: »Kreisdirektorium und Kreisregierung im ehemaligen Grossherzogtum Baden und die historische Entwicklung ihrer Zuständigkeiten«, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins N. F. 42 (1929), S. 493–556, hier S. 497–500.

So waren die Bezirksämter in erster Linie »instruierende […] und vollziehende […] Stellen«,

Weizel: Das Badische Gesetz, S. 41.

die auf eine gleichmäßige Normimplementation in den Bezirken ausgerichtet waren.

Zur verwaltungsinternen Bürokratiekritik und Reformdiskussion Mitte der 1840er Jahre vgl. Krosigk: Bürger in die Verwaltung, S. 73–77.

Bis zur grundlegenden Neuorganisation der Verwaltung mit der Reform von 1863/1865 wurden zahlreiche Reformbemühungen unternommen, um die Landesverwaltung zu vereinfachen.

Die Zahl der Kreise wurde von zunächst zehn auf neun (1809), dann auf acht (1815) und sechs (1819) herabgesetzt. Die Reformen dienten insbesondere einer Vereinfachung und Beschleunigung des Geschäftsgangs; vgl. Seiterich: »Kreisdirektorium und Kreisregierung«, S. 533–534.

Eine weitreichende Reform der Mittelstellen erfolgte durch die landesherrliche Verordnung vom 26. Januar 1832. Die sechs Kreisdirektorien wurden aufgehoben und an ihrer Stelle vier Kreisregierungen eingesetzt. Die neuen Kreise wurden »unter Berücksichtigung seiner [des Großherzogtums] geographischen Lage und des Handelszugs einzelner Distrikte« eingeteilt, wie sich auch in den Namen widerspiegelte: Seekreis (mit Sitz in Konstanz), Oberrheinkreis (Freiburg), Mittelrheinkreis (Rastatt, seit 1847 Karlsruhe) und Unterrheinkreis (Mannheim).

»Eintheilung des Großherzogthums in vier Kreise und Aufstellung von Regierungen betreffend«, 26. 1. 1832, in: Großherzoglich Badisches Staats- und Regierungs-Blatt (1832), Nr. 9, S. 133–134; vgl. Seiterich: »Kreisdirektorium und Kreisregierung«, S. 538.

Die neuen Kreisregierungen von 1832 fungierten in erster Linie als Rekursbehörden sowie als »aufsehende und kontrollierende Behörde über die Bezirksverwaltung«.

Weizel: Das Badische Gesetz, S. 61; vgl. Seiterich: »Kreisdirektorium und Kreisregierung«, S. 540–541. Zu den Kompetenzen der Kreisregierungen gehörten wichtige Fragen des Gemeindewesens: »Verordnung über die Competenz in Gemeindesachen und über die Zahl der Instanzen dabei«, 17. 7. 1833, in: Großherzoglich Badisches Staats- und Regierungs-Blatt (1833), Nr. 32, S. 183–186, hier S. 183–184; außerdem frühere Geschäfte des Innenministeriums: »Verordnung, die Vereinfachung der Geschäftsbehandlung bei den Verwaltungsstellen, insbesondere die Competenzbestimmung derselben betreffend«, 21. 6. 1850, in: Großherzoglich Badisches Regierungsblatt (1850), Nr. 31, S. 230–232 [VereinfVO], hier S. 232.

Da die Kreisregierungen auf der Grundlage von Berichten der Bezirksämter über lokale Angelegenheiten entschieden, nahm das Berichtswesen eine gewichtige Rolle ein und unterstrich die räumliche Distanz der Kreisregierungen sowohl zur Bezirksverwaltung als auch zur lokalen Gesellschaft.

Ministerialrat Weizel – noch immer aus der Perspektive der partizipativen Verwaltungsreform von 1863 – sah mit Blick auf die Verwaltungsorganisation von 1809 in den geringen Kompetenzen der unteren Verwaltungsstellen – also vor allem der Bezirksämter – eine wesentliche Ursache für das »so viel besprochene und beklagte Vielregieren und in seinem Gefolge die Vielschreiberei«.

Weizel: Das Badische Gesetz, S. 45.

Das Berichtswesen und der Schriftwechsel zwischen Bezirksämtern und Kreisregierungen verdeutlichen noch einmal die Distanz zwischen dem lokalen Raum mit seiner örtlichen Gesellschaft und Verwaltungsverhältnissen auf der einen Seite und den administrativen Entscheidungsträgern in den Kreisregierungen auf der anderen Seite:

Wenn rein örtliche Angelegenheiten von den entfernt gelegenen höhern Stellen entschieden werden müssen, so müssen sämmtliche thatsächliche Verhältnisse actenmäßig gemacht werden, um eine richtige Entscheidung herbeizuführen; die untern Behörden entwickeln in langen Berichten ihre Ansichten über die zu erlassende Verfügung oder die zu treffenden Maßnahmen.

Weizel: Das Badische Gesetz, S. 45.

Zwar trafen die Kreisregierungen ihre Entscheidungen auf der Grundlage der Berichte der Bezirksämter, doch ob diese immer auch auf »eigener Anschauung«

Weizel: Das Badische Gesetz, S. 45.

der örtlichen Verhältnisse beruhten, musste Weizel offen lassen. Somit eröffnet Weizels weiterführender Kommentar einen Blick darauf, dass das Innenministerium der liberalen Verwaltungsreform von 1863 die Defizite der Verwaltungsorganisation von 1809 in der Distanz der Entscheidungsträger in den Kreisregierungen zu den lokalen Verhältnissen und der nicht immer gesicherten unmittelbaren Anschauung der Bezirksämter sah:

Ob aber das Bezirksamt die Sache genau aus eigener Anschauung kennt, ob es nicht blos auf die Berichte der Ortsbehörde hin wieder berichtet, ist eine andere Frage; gewiß aber ist, daß die obere Behörde nur durch das Auge der untern sieht und daß gar keine Gewähr dafür gegeben ist, daß die untere Behörde die Sache vollkommen durch unmittelbares Eingreifen und Erheben klar erfaßt hat, und sich dieselbe nicht etwa nur auf gewöhnlichem schriftlichen Wege vielleicht unvollständig und nicht unbefangen vortragen läßt.

Weizel: Das Badische Gesetz, S. 45–46.

Zwar folgte die Erweiterung der Kompetenzen der Bezirksämter infolge der Verordnung vom 21. Juni 1850 »zur Vereinfachung der Geschäftsbehandlung bei den Verwaltungsstellen«

VereinfVO.

dem Grundsatz, »daß in der Regel die Bezirksämter die erste Instanz für alle Gegenstände der inneren Verwaltung sein sollten«.

Zitat nach Weizel: Das Badische Gesetz, S. 54; vgl. Seiterich: »Kreisdirektorium und Kreisregierung«, S. 549–550.

In der Tendenz wurde mit der Reform von 1850 wie in den vorangegangenen Jahrzehnten der Schwerpunkt der Verwaltungskompetenzen auf die Ebene der Bezirke verlagert und damit auch in räumlicher Hinsicht Distanz zwischen Entscheidungsträgern und lokaler Gesellschaft abgebaut.

Das Rüge- und Vogtgericht als frühe Form der ›Ortsbereisungen‹ seit 1809

Mit dem Reitzenstein’schen Organisationsedikt von 1809 wurden auch Rüge- und Vogtgerichte eingeführt, die die Amtmänner periodisch spätestens alle drei Jahre in jedem Ort des Bezirks durchführen sollten. Dabei ging es jedoch nicht mehr um Gerichtstage, sondern um »alle Gegenstände der amtlichen Verwaltung«, die entweder an »Ort und Stelle« zu erledigen oder deren Erledigung einzuleiten war.

OrgE 1809, Beilage C, S. 433.

Aus den nun rein administrativ ausgerichteten ›Vogtgerichten‹ entwickelten sich die späteren ›Ortsbereisungen‹.

Im Organisationsedikt bezeichnete man die Ortsbereisungen noch als »Rug- oder Vogt-Gerichte«; OrgE 1809, Beilage C, S. 433. In der diesbezüglichen Vollzugsverordnung hießen sie nur »Vogtgerichte«; »Die Vogtgerichte betreffend«, 3. 10. 1811, in: Großherzoglich-Badisches Regierungsblatt (1811), Nr. 27, S. 127–133 [VogtGerVO 1811]. In den folgenden Jahrzehnten verwandte man dann allerdings meist die Bezeichnung ›Rügegerichte‹; vgl. »Gesetz über die Verfassung und Verwaltung der Gemeinden«, 31. 12. 1831, in: Großherzoglich-Badisches Staats- und Regierungs-Blatt (1832), Nr. 8, S. 81–115 [GemeindeG 1831], hier § 151, S. 113; Erlass vom 11. 12. 1849 gemäß Friedrich Fröhlich: Die badischen Gemeindegesetze sammt den dazu gehörigen Verordnungen und Ministerial-Verfügungen, mit geschichtlichen und erläuternden Einleitungen und Anmerkungen. Nach amtlichen Quellen bearbeitet, Karlsruhe 21861, S. 250. Als das Innenministerium 1858 die vielzähligen Veränderungen, die das GemeindeG 1831 im Laufe der Jahrzehnte erfahren hatte, noch einmal zusammenfassend veröffentlichte, wurde der Terminus ›Rügegericht‹ beibehalten; »Die Zusammenstellung der Gemeindegesetze vom 31. Dezember 1831 mit ihren bisher erschienen Abänderungen betreffend«, 5. 11. 1858, in: Großherzoglich Badisches Regierungsblatt (1858), Nr. 57, S. 511–574, hier § 172, S. 552. Im Erlass des Innenministeriums, »die Vornahme der Ortsbereisungen durch die Amtsvorstände betreffend«, vom 22. 5. 1858, Nr. 5887, in: Großherzoglich Badisches Central Verordnungsblatt (1858), Nr. 8, S. 39–41 [OrtsberE 1858], wird schließlich der Terminus ›Ortsbereisungen‹ verwendet.

Sie lassen sich als Techniken des Verwaltens und Regierens verstehen.

Zum Wandel des Informationsinteresses am Beispiels Badens im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert vgl. André Holenstein: »Gute Policey und die Information des Staates im Ancien Régime««, in: Arndt Brendecke / Markus Friedrich / Susanne Friedrich (Hg.): Information in der Frühen Neuzeit. Status, Bestände, Strategien, Berlin 2008, S. 202–213; Holenstein: Gute Policey und lokale Gesellschaft, Bd. 1, S. 403–533.

Bei den Ortsbereisungen ging es darum, Informationen und Zusammenhänge hinsichtlich der lokalen Verhältnisse zu erheben.

Siehe dazu auch den Beitrag von Birgit Näther in diesem Band.

Erst mit diesen besonderen Informationen konnte die Verwaltung dementsprechende Programme entwickeln und gegebenenfalls gestaltend in die lokalen Verhältnisse eingreifen.

Zum Bedarf an spezifischen Informationen als Voraussetzung ZU Planung und Gestaltung im politisch-administrativen Raum vgl. Peter Becker: »Beschreiben, Klassifizieren, Verarbeiten. Zur Bevölkerungsbeschreibung aus kulturwissenschaftlicher Sicht«, in: Arndt Brendecke / Markus Friedrich / Susanne Friedrich (Hg.): Information in der Frühen Neuzeit. Status, Bestände, Strategien, Berlin 2008, S. 393–419, hier S. 394–396. Mit besonderem Fokus auf Wissensformen Peter Collin / Thomas Horstmann: »Das Wissen des Staates – Zugänge zu einem Forschungsthema«, in: Peter Collin / Thomas Horstmann (Hg.): Das Wissen des Staates. Geschichte, Theorie und Praxis, Baden-Baden 2004, S. 9–38.

Abbildung 1

Verwaltungsgliederung in Baden, Württemberg und Hohenzollern 1815–1857 (Quelle: Redecker / Schöntag: »Verwaltungsgliederung 1815–1857«).

Praxis und Gegenstände des »Vogtgerichts« wurden auf dem Wege der Verordnung vom 3. Oktober 1811 konkretisiert.

VogtGerVO 1811, S. 127–133.

Für die Erhebung der Zustände sollten die gesamte Bürgerschaft und alle Inhaber öffentlicher Ämter einberufen und einzeln vernommen werden.

VogtGerVO 1811, S. 128.

Und zur Vorbereitung des Vogtgerichts wurde der Bezirksbeamte angehalten, im Vorfeld mit »sachkundigen Personen« zu sprechen und sich gegebenenfalls die notwendigen Kenntnisse anzueignen. Insbesondere sollte er jene Ortsvorsteher und Gerichtsleute hinzuziehen, die er für »am geeignetsten« hielt.

VogtGerVO 1811, S. 132, Punkt 27.

Die wichtigsten Verfahren der Kontrolle und Informationsbeschaffung waren das persönliche Gespräch, die Begutachtung von Unterlagen sowie die Prüfung durch »Augenschein«.

VogtGerVO 1811, S. 130, Punkt 14.

Die Amtsvorstände sollten »untersuchen«, »erforschen«, »sich erkundigen« und »nach eingenommene[m] Augenschein […] prüfen« und so weiter.

VogtGerVO 1811, S. 129–130.

Die Beobachtungen zu den lokalen Verhältnissen waren in ein Protokoll aufzunehmen, das anschließend an das Kreisdirektorium einzusenden war.

VogtGerVO 1811, S. 132, Punkt 28.

Die Gegenstände der Untersuchung, die das Protokoll systematisch erfassen musste, waren dabei genau vorgegeben. Sie entsprachen letztlich den besonderen Interessen des Innenministeriums.

Zu administrativen Techniken und Verfahren der InformationsbeSchaffung und -übermittlung wie Protokollen, Fragebögen, Formularen vgl. Becker: »Beschreiben«, S. 397–400; Holenstein: »Gute Policey und Information des Staates«, S. 205–206; Peter Becker / William Clark: »Introduction«, in: Peter Becker / William Clark (Hg.): Little Tools of Knowledge. Historical Essays on Academic and Bureaucratic Practices, Ann Arbor 2001, S. 1–34. Zur Information als Kategorie historischer Forschung vgl. Arndt Brendecke / Markus Friedrich / Susanne Friedrich: »Information als Kategorie historischer Forschung. Heuristik, Etymologie und Abgrenzung vom Wissensbegriff«, in: Arndt Brendecke / Markus Friedrich / Susanne Friedrich (Hg.): Information in der Frühen Neuzeit. Status, Bestände, Strategien, Berlin 2008, S. 11–44. Aus dem spanisch-lateinamerikanischen Kontext vgl. Arndt Brendecke: »Tabellen und Formulare als Regulative der Wissenserfassung und Wissenspräsentation«, in: Wulf Oesterreicher / Gerhard Regn / Winfried Schulze (Hg.): Autorität der Form – Autorisierung – Institutionelle Autorität, Münster 2003, S. 37–53.

Abbildung 2

Verwaltungseinteilung der Staaten Württemberg, Baden, Hohenzollern-Sigmaringen und Hohenzollern-Hechingen um 1835 (Quelle: Grube: Vogteien, Ämter, Landkreise, nach S. 104).

Die zu begutachtenden Angelegenheiten wurden in der Verordnung zur Durchführung von »Vogtgerichten« vom 3. Oktober 1811 einzeln aufgelistet und bezogen sich auf Gegenstände, die das »allgemeine Staatswohl oder das Wohl des Orts betrafen«.

VogtGerVO 1811, S. 128.

»Privatsachen« wurden dagegen explizit ausgenommen. Im Einzelnen interessierten vor allem die Gemeindeverwaltung,

VogtGerVO 1811, S. 129. Im Bereich der Gemeindeverwaltung sollten untersucht werden: Verwaltungsunterlagen: Gemeindeschriften, Verordnungen sowie deren Verzeichnis (Punkt 8); Finanz- und Besitzverhältnisse: Grundbücher, Unterpfandbücher, Kontraktenprotokolle (Punkt 8); Eignung der Personen mit Gemeindeämtern (Punkt 9).

die Waisen- und Armenpolizei,

VogtGerVO 1811, S. 129, Punkte 11 und 12.

die Nutzung öffentlicher Flächen durch Bürgerschaft oder Gemeinden,

VogtGerVO 1811, S. 130, Punkt 14: »Allmend-Stücke, Waiden, und öde Plätze«.

Bau- und Feuerpolizei,

VogtGerVO 1811, S. 130, Punkt 15: Zustand öffentlicher Bauten (Kirche, Pfarrhaus, Schule, Rathaus, Hirtenhaus, Bürgerturm) sowie Gebäude mit Feuergewerbe, gemeinwirtschaftliche Ortsbacköfen und Waschhäuser; Punkt 16: Feuerspritzen und Löschwerkzeuge.

Wasser- und Straßenbau,

VogtGerVO 1811, S. 130–131, Punkt 17: zur Vermeidung von Überschwemmungen Zustand von Dämmen und Schleusen, Pflanzungen zum Anbau von Faschinen; Nutzung der Gewässer für Wasserwerke (Mühlen u. a.); Punkt 18: Zustand von Land- oder Vicinalstraßen und Brücken.

Gesundheits- und Wasserpolizei,

VogtGerVO 1811, S. 131, Punkt 20: Zustand von Trinkwasser und Brunnenstuben und in Verbindung damit Umwandlung von Schöpfin Pumpbrunnen, Vorsorge von Ausfluss bei stehenden Gewässern sowie Kontrolle der Lage des Friedhofs im Hinblick auf Hygiene.

Bodenschätze

VogtGerVO 1811, S. 131, Punkt 22: Vorkommen von Mineralien (Heilquellen, Salzquellen, Torf, Steinkohle, Gips und Steingruben).

sowie die Entwicklung der Agrarwirtschaft mit Blick auf Weinbau, Baumschulen und Viehzucht.

VogtGerVO 1811, S. 131–132, Punkte 23, 24 und 25.

Die zu erkundenden Verwaltungsbereiche belegen das breite Interesse der höheren Verwaltungsstellen an den lokalen Verhältnissen. Auch zeigt die Auswahl der Untersuchungsgegenstände, dass die Bezirksverwaltung ihren Verwaltungsraum durchaus auch als einen (Land-) Wirtschafts- und Infrastrukturraum betrachtete.

Die Ortsbereisungen stellten zunächst einmal eine wichtige Form einer kommunikativen Verwaltungspraxis dar, die der (Zentral-)Verwaltung die entsprechenden Informationen über die lokalen Verhältnisse und wichtige örtliche Kenntnisse erschließen sollte. Allerdings war die Praxis periodischer Ortsbereisungen zunächst noch von den normativen Vorgaben weit entfernt. Waren die Landgemeinden noch zu Beginn des Jahrhunderts für die Zentralverwaltung weitgehend »terra incognita«,

Eibach: Staat vor Ort, S. 79.

so lässt sich auch für die 1810er Jahre und frühen 1820er Jahre noch nicht von einer regelmäßigen Praxis der Ortsbereisungen sprechen. Aus einer Umfrage des Innenministeriums bei den Kreisdirektoren aus dem Jahr 1823 geht hervor, dass die Bezirksämter die Ortsbereisungen im Zeitraum seit 1817 nicht regelmäßig durchgeführt hatten.

Holenstein: Gute Policey und lokale Gesellschaft, Bd. 2, S. 529–530; Eibach: Staat vor Ort, S. 78–79.

In den 1820er Jahren wurden sie zwar häufiger vorgenommen, doch lässt sich noch immer nicht von einer »normgerechten Praxis« oder einer »regelmäßigen Durchführung« der Ortsbereisungen sprechen.

Eibach: Staat vor Ort, S. 142.

Die Bezirksämter waren zu zwei Dritteln mit nur einem Amtmann besetzt und damit überlastet.

Eibach: Staat vor Ort, S. 63, 78–79, 142.

In den 1830er und 1840er Jahren schien sich ein Wandel durchzusetzen. So wies das Innenministerium 1831 die Bezirksämter an, die Gemeinden ihres Bezirks in drei Gruppen einzuteilen und jeweils eine davon im Jahr zu bereisen.

Eibach: Staat vor Ort, S. 142.

In den 1840er Jahren fanden die Ortsbereisungen öfter statt als noch vor 1830.

Eibach: Staat vor Ort, S. 92, 111.

Zwei Jahre vor dem Ausbruch der Revolution von 1848/1849 entsprach die Quote der Ortsbereisungen im Seekreis und im Unterrheinkreis den Vorgaben von 1811, auch wenn die Gründlichkeit durchaus nicht immer die Normen erfüllte.

Eibach: Staat vor Ort, S. 142.

Erst nach der Revolution von 1848/1849 wurden die Ortsbereisungen regelmäßig durchgeführt. Dabei lässt sich am Beispiel der beiden Erlasse vom 11. Dezember 1849 und 22. Juni 1858 zeigen, dass sich die Herangehensweise der Bezirksverwaltung hinsichtlich der Kommunikation mit der lokalen Gesellschaft im Allgemeinen und im Rahmen der Ortsbereisungen im Besonderen unter dem Eindruck der Revolution grundlegend gewandelt hat.

Vermittelnde Verwaltungskommunikation und Ortsbereisungen seit 1849

Mit der Revolution von 1848/1849 veränderten Regierung und Verwaltung den Blick auf das Verhältnis zwischen Bezirksverwaltung und lokaler Gesellschaft. Man erkannte die Bedeutung einer formellen wie informellen kommunikativen Verwaltungspraxis für die Akzeptanz der staatlichen Verwaltung. Durch den persönlichen Kontakt mit den führenden Persönlichkeiten und ehrenamtlichen Amtsträgern in den Gemeinden sollten die Amtsvorstände dabei helfen, die Akzeptanz der Verwaltung bei der lokalen Gesellschaft zu verbessern. Letztlich sollte dadurch die räumliche Distanz zwischen Bezirksverwaltung und lokaler Gesellschaft verringert werden.

Zur Politisierung der Wahrnehmung der bürokratischen Verwaltung im Vormärz vgl. Bernd Wunder: »Bürokratie. Die Geschichte eines politischen Schlagwortes«, in: Adrienne Héritier (Hg.): Verwaltung und ihre Umwelt. Festschrift für Thomas Ellwein, Opladen 1987, S. 277301.

Mit seinem »Präsidialschreiben« vom 17. September 1849 unternahm Adolf Freiherr Marschall von Bieberstein (1806–1891), der nach der Niederschlagung der Revolution von Großherzog Leopold im Juni 1849 als Nachfolger Johann Baptist Bekks zum Innenminister ernannt worden war, einen ersten Ansatz zur Stärkung der Kommunikation und Kooperation zwischen den Amtsvorständen sowie einflussreichen Persönlichkeiten und Amtspersonen. Zur Umsetzung der neuen Verwaltungsführung gab er den Amtsvorständen detaillierte Anweisungen.

Ein Entwurf des Präsidialschreibens des Innenministers Marschall von Bieberstein vom 17. 9. 1849 findet sich in GLA 236/8212, fol. 47–48, hier allerdings O. D. Auszug aus dem Präsidialschreiben bei Weizel: Das Badische Gesetz, S. 55–56.

Die Amtsvorstände wurden beauftragt, unter Rücksichtnahme auf die »Bedürfnisse der Amtsangehörigen« die Entwicklung im Amtsbezirk zu fördern,

Weizel: Das Badische Gesetz, S. 55.

indem sie »durch unmittelbare eigene Anschauung alle Verhältnisse Ihres Bezirkes kennen« lernten. Ebenso sollten sie »im mündlichen Verkehre mit allen Betheiligten Zweifel und Anstände zu erledigen suchen und alle zeitraubende Vielschreiberei vermeiden«,

Weizel: Das Badische Gesetz, S. 55.

die lokalen Interessen in ihre Meinungsbildung einfließen lassen und »überall, wo es sich um wichtigere Interessen handelt, den Rat kundiger und patriotischer Männer des Bezirks« einholen. Auf diese Weise wollte man erreichen, dass die »Ansichten« der Amtsvorstände »erweitert und geläutert« werden.

Weizel: Das Badische Gesetz, S. 55.

Die Verwaltung öffnete sich aber nicht einfach nur gegenüber lokalen Interessen und Bedürfnissen als legitimen Einflussfaktoren auf die Meinungsbildung des Amtsvorstandes, sondern nutzte die Kommunikation mit der lokalen Gesellschaft umgekehrt auch dazu, Einfluss auf den Willensbildungsprozess auszuüben, indem »richtigere Begriffe über Zweck und Motive der Regierungsmaßregeln verbreitet« wurden.

Weizel: Das Badische Gesetz, S. 55.

Die Erwartungen an unmittelbare und mündlich geführte Kommunikation zielten vor allen Dingen auf eine Mobilisierung von Akzeptanz und Zustimmung im Bezirk. Das oberste Ziel war, das »öffentliche Vertrauen« durch einen stärker vermittelnden Verwaltungsstil zu gewinnen.

Weizel: Das Badische Gesetz, S. 56.

Mit dem Erlass vom 11. Dezember 1849 erteilte das Innenministerium die Ermächtigung, die »Rügegerichte« einstweilen auszusetzen.

Auf Verlangen einer Gemeinde oder Staatsbehörde musste jedoch ein Rügegericht durchgeführt werden; Fröhlich: Gemeindegesetze, S. 250.

Dennoch sollten die Amtsvorstände sämtliche Gemeinden und Ortschaften ihres Bezirks in regelmäßigen Abständen besuchen.

Der Erlass vom 11. 12. 1849, Nr. 16944, wird sinngemäß wiedergegeben im OrtsberE 1858, S. 40–41; ähnlich bei Fröhlich: Gemeindegesetze, S. 250; Weizel: Das Badische Gesetz, S. 56.

Da die Amtsvorstände freie Hand haben sollten, erließ das Innenministerium zur Führung des Tagebuchs keine förmliche Instruktion, sondern bezog sich allgemein auf die Rüge- und Vogtgerichtsordnung vom 3. Oktober 1811 und hob einzelne Punkte hervor.

Fröhlich: Gemeindegesetze, S. 250.

Damit setzte das Innenministerium die Strategie einer besseren Kommunikation der Amtsvorstände mit der lokalen Gesellschaft fort, die es mit dem Präsidialschreiben vom 17. September 1849 eingeschlagen hatte.

Fröhlich: Gemeindegesetze, S. 250; Weizel: Das Badische Gesetz, S. 56, mit Bezugnahme auf den Erlass des Ministeriums des Innern vom 11. 12. 1849, Nr. 16944.

Gut ein Jahrzehnt nach dem Erlass der Verordnung vom 11. Dezember 1849 zeigte sich das Innenministerium mit den Ergebnissen dieser Aufsichtspraxis über die Gemeinden zufrieden. So wies das Innenministerium eingangs im neuen Erlass vom 22. Mai 1858 zur Vornahme von »Ortsbereisungen durch die Amtsvorstände« noch einmal ausführlich auf die im Erlass vom 11. Dezember 1849 angestrebten Ziele unmittelbarer Kommunikation und Kooperation zwischen Amtsvorständen und lokalen Führungspersönlichkeiten hin:

Durch die im diesseitigen Erlasse vom 11. December 1849, Nr. 16.944, vorgeschriebenen jährlichen Ortsbereisungen sollte den Verwaltungsbeamten Gelegenheit gegeben werden, sich genaue Kenntniß über die öffentlichen Zustände ihrer Bezirke durch Selbstanschauung zu verschaffen, sich durch unmittelbare Wahrnehmungen und durch einen lebendigen persönlichen Verkehr mit den geistlichen und weltlichen Ortsvorgesetzten, sowie mit anderen Bediensteten und den einzelnen Einwohnern von der Befähigung, Thätigkeit und Amtsführung der Localbehörden an Ort und Stelle selbst zu überzeugen, von den öffentlichen Anstalten Einsicht zu nehmen, zugleich sollte den Amtsangehörigen dabei Veranlassung geboten sein, ihre Wünsche oder Beschwerden dem Beamten vorzutragen, so wie auf Mißstände aufmerksam zu machen, um so diesen abhelfen und wünschenswerthe Verbesserungen anbahnen zu können.

OrtsberE 1858, S. 40–41, mit Bezugnahme auf den Erlass vom 11. 12. 1849, Nr. 16944; vgl. Fröhlich: Gemeindegesetze, S. 250; Weizel: Das Badische Gesetz, S. 56.

Vor dem Hintergrund der positiven Ergebnisse und Gewissenhaftigkeit der Ortsbereisungen seit 1849 wurde ihre Vornahme mit dem Erlass des Innenministeriums vom 22. Mai 1858 vereinfacht. Die größeren Gemeinden sollten weiterhin jährlich, die kleineren hingegen alle zwei Jahre visitiert werden.

OrtsberE 1858, S. 40; vgl. Eibach: Staat vor Ort, S. 143.

Im Innenministerium gab man sich der »Erwartung« hin, »daß die Amtsvorstände fortan die Geschäfte der Ortsbereisungen mit Eifer und Umsicht gewissenhaft […] behandeln«.

OrtsberE 1858, S. 40.

Aus dem »Tagebuch über die Untersuchung der Zustände der Stadt Eberbach« am 9. Oktober 1855, das der Bezirksamtmann Peter Guerillot verfasst hatte, lässt sich ersehen, wie detailliert und systematisch die lokalen Verhältnisse beschrieben wurden. Hierbei vergaß Guerillot nicht darauf hinzuweisen, dass er sich die Untersuchung der Stadtgemeinde Eberbach bereits zu seinem Dienstantritt zur »besonderen Aufgabe« gemacht hatte und diese dann auch an einem Tag durchführen konnte, da er sich die »erforderliche Lokalkenntniß«

Roland Vetter: »Die Untersuchung der Zustände der Stadt Eberbach aus dem Jahre 1855«, in: Eberbacher Geschichtsblatt 87 (1979), S. 22–44, hier S. 25.

vorab erworben hatte.

Bezirksamtmann Guerillot erfasste im Tagebuch für die Stadt Eberbach eine ganze Reihe von lokalen Verhältnissen und Verwaltungsangelegenheiten. Hierzu gehörten: die Gemarkung der Stadt und ihrer Umgebung, klimatische Verhältnisse, Bevölkerung, Nahrungsquellen (Industrie, Handel, Schifffahrt und Fischerei, Kleingewerbe, Landwirtschaft, Wohlstand), sittliche Zustände, politisches Treiben, kirchliche Verhältnisse und Verkehr. In einem besonderen Abschnitt behandelte Guerillot weiterhin die Aspekte: Gemeindeverwaltung, Schulen, Stiftungen, Vormundschaftswesen und Polizei (Allgemein, Sittlichkeit, Sicherheit, Armenpflege, Feldpolizei, Forst- und Jagdpolizei, Straßenpolizei, Gesundheitspolizei, Gewerbepolizei, Baupolizei).

Vetter: »Untersuchung«, S. 25–42.

Letztlich praktizierte der beflissene Bezirksamtmann bei der Ortsbereisung eine unmittelbare und mündliche Erhebung der Informationen. Zum einen trug er damit zur Verringerung der Distanz zwischen dem Bezirksamt als Verwaltungszentrum und der lokalen Gesellschaft der Stadt Eberbach bei. Zum anderen schuf er durch die Erfassung umfangreicher Informationen und Erkenntnisse zu den (land-)wirtschaftlichen, infrastrukturellen, sicherheits-, wohlfahrts- und gesundheitspolizeilichen Verhältnissen vor Ort die Grundlage dafür, dass die Verwaltungsverhältnisse des lokalen Raumes schriftlich abgebildet werden konnten. Hier bot die Schriftlichkeit des Tagebuchs den höheren Verwaltungsstellen einen mittelbaren Zugang zur Stadt Eberbach als Verwaltungsraum.

ZU Konzepten des politischen und administrativen Raumes vgl. Becker: »Beschreiben«, S. 394; Behrisch: »Vermessen«, S. 9–17. ZU Raumkonzeptionen aus verwaltungswissenschaftlicher Perspektive vgl. Cancik: »Verwaltung, Raum, Verwaltungsraum«.

Die Verwaltungsreform von 1863/1865: Verwaltung und lokale Gesellschaft im Spannungsfeld einer unmittelbaren Verwaltungspraxis
Verwaltung vor Ort: Unmittelbarkeit und Bürgerbeteiligung in der Verwaltungspraxis

Mit dem Gesetz über die Organisation der inneren Verwaltung von 1863 reformierte die liberale Regierung unter Leitung des Innenministers August Lamey die bisherige dreigliedrige Verwaltung mit Innenministerium, Kreisregierungen und Bezirksämtern von Grund auf.

Siehe VerwG 1863; Grube: Vogteien, Ämter, Landkreise, S. 109–114. Zu den konzeptionellen Grundlagen der ›volkstümlichen‹ Verwaltung von 1863 vgl. Krosigk: Bürger in die Verwaltung, S. 140. Zum historisch-politischen Kontext der liberalen Ära vgl. Lothar Gail: Der Liberalismus als regierende Partei. Das Großherzogtum Baden zwischen Restauration und Reichsgründung, Wiesbaden 1968, S. 171–191.

Die Bezirks- und Kreisverwaltung sollte enger mit der lokalen Gesellschaft verflochten und die Distanz zwischen dem Bezirksamt als Verwaltungszentrum und der lokalen Gesellschaft verringert werden. Hierzu wurde, erstens, eine weitreichende Bürgerbeteiligung in der öffentlichen Verwaltung eingeführt und, zweitens, die Verwaltung durch eine Übertragung und Ausweitung von Kompetenzen auf die Ebene der Bezirke und Kreise dezentralisiert.

Zur Verwaltungsreform von 1863/1865 vgl. Krosigk: Bürger in die Verwaltung, S. 140–143. Auf die Einführung eines Verwaltungshofes braucht an dieser Stelle nicht eingegangen werden.

Im Einzelnen hat man diese Reformziele folgendermaßen umgesetzt: Mit der körperschaftlichen Selbstverwaltung der Kreisverbände

Auf der Ebene der Kreisverwaltung wurde eine weitreichende körperschaftliche Kreisselbstverwaltung zur Pflege »gemeinsamer öffentlicher Interessen und Angelegenheiten« mit einer Kreisversammlung und einem Kreisrat zur Konstituierung eines Verwaltungsraums eingeführt. Zur Geschichte der Kreisverbände sowie deren Funktionen vgl. Cornelius Gorka: »Das Organisationsgesetz von 1863 und die Entstehung der Kreise«, in: Bernd Breitkopf (Hg.): 140 Jahre kommunale Selbstverwaltung im Landkreis Karlsruhe. Entstehung und Entwicklung, Aufgaben und Organe, Wahlen und Abgeordnete, Ubstadt-Weiher 2003, S. 20–32.

sowie der Mitwirkung von sechs bis neun Bewohnern des Bezirks in einem Bezirksrat als Teil der staatlichen Bezirksverwaltung und als erste Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde eine weitreichende Bürgerbeteiligung in der öffentlichen Verwaltung geschaffen. Bei den Mitgliedern des Bezirksrats, die auch »als Einzelne«

VerwG 1863, § 9.

die Bezeichnung »Bezirksrat« führten, sollte es sich um durch »Kenntnisse, Tüchtigkeit und Gemeinsinn ausgezeichnete Bewohner des Bezirks«

VerwG 1863, § 2.

handeln. Die Bezirksräte waren im Hinblick auf ihre Tätigkeit »als Einzelne« in den ihnen zugewiesenen Gebieten dazu berufen, an einer Reihe von Verwaltungsangelegenheiten mitzuwirken.

So stellte Innenminister August Lamey in der Diskussion des Regierungsentwurfs zum Organisationsgesetz fest, »daß es das Streben unserer Zeit ist, das Staatswesen organisch mit der Gesamtbevölkerung zu verbinden und in eine Einheit zusammenzufassen«.

»Rede des Präsidenten des Ministeriums des Innern, Staatsrath Dr. Lamey, in der 84. öffentlichen Sitzung der Zweiten Kammer vom 6. d. M.«, in: Karlsruher Zeitung (9. 5. 1863); vgl. Krosigk: Bürger in die Verwaltung, S. 134–135.

Insbesondere die Bezirksräte sollten »die Staatsverwaltung bei der Lösung ihrer Aufgaben« in den Gebieten des Bezirks, die ihnen »zu vorzugsweiser Thätigkeit« zugewiesen waren, unterstützen.

VerwG 1863, § 9.

Eine Folge der partizipativen Konzeption der staatlichen Bezirksverwaltung war die personelle – und damit auch räumliche – Verflechtung von Verwaltungszentrum und lokaler Gesellschaft.

Zwar führte die Regierung mit dem Gesetz eine Bürgerbeteiligung in der Kreis- und Bezirksverwaltung ein, doch stärkte sie gleichzeitig auch die Aufsicht durch das Innenministerium. Um das Verwaltungszentrum näher an die Bezirksverwaltung heranzuführen, wurde die Einrichtung von vier Landeskommissären geschaffen, die als Bevollmächtigte Sitz und Stimme im Innenministerium hatten, aber in den vier Kreisen »über die Amt- und Kreisverwaltung und deren Beamte die unmittelbare Aufsicht« führten.

VerwG 1863, § 22; vgl. Krosigk: Bürger in die Verwaltung, S. 166–170.

Zu diesem Zwecke hatten die Landeskommissäre ihren Dienstsitz auch in den Kreisen.

Die einzelnen Bestimmungen ihrer Tätigkeit machen deutlich, dass die Regierung eine möglichst unmittelbare Kontrolle und Aufsicht im weiteren Sinne über die »Dienstführung der Beamten« und die »Zustände der Verwaltung«

VerwG 1863, § 22, Ziffer 1.

sowie die Untersuchung von Mängeln und Beschwerden gegen die Amtsführung zu begründen gedachte.

VerwG 1863, § 22, Ziffer 2.

Die Landeskommissäre waren angehalten, »auch die Zustände der Verwaltung an Ort und Stelle eingehend zu prüfen«.

VerwG 1863, § 22, Ziffer 1.

Die Aufsicht war dabei mehr als nur eine a posteriori kontrollierende und sanktionierende. So forderte man die Landeskommissäre auf, »anregend und fördernd einzugreifen, wo sie Vernachlässigungen in der Pflege der Interessen der Kreise oder Bezirke wahrnehmen, oder wo diese Interessen ihrer Wichtigkeit und ihres räumlichen Umfangs halber die Fürsorge der Staatsregierung besonders in Anspruch nehmen«.

VerwG 1863, § 22, Ziffer 3.

Um den Landeskommissären ein umgehendes Einwirken auf die Verwaltungen vor Ort zu ermöglichen, hatten sie weitgehende Befugnisse. So konnten sie »fürsorglich die nötigen Anordnungen zur Abhilfe von Beschwerden und Mißständen sofort« erlassen und in »dringenden Fällen vorläufige Enthebungen vom Dienst verfügen«

VerwG 1863, § 22, Ziffer 2.

sowie »in außerordentlichen Fällen sofortige Maßregeln, insbesondere bei Notständen und erheblichen Störungen der öffentlichen Ordnung«, treffen.

VerwG 1863, § 22, Ziffer 5.

Abbildung 3

Verwaltungsgliederung in Baden, Württemberg und Hohenzollern 1858–1936 (Quelle: Redecker / Schöntag: »Verwaltungsgliederung 1858–1936«).

Die Vollzugsverordnung vom 12. Juli 1864 erweiterte noch einmal die Befugnisse der Landeskommissäre und gab ihnen die Vollmacht, in jede Verwaltungstätigkeit eingreifen zu können und beispielsweise in Bezirksratssitzungen – außer bei Gegenständen der Verwaltungsgerichtsbarkeit – den Vorsitz zu übernehmen.

»Vollzugsverordnung zum Gesetze über die Organisation der inneren Verwaltung«, 12. 7. 1864, in: Großherzoglich Badisches Regierungs-Blatt (1864), S. 333–366 [VO 1864], § 18.

Zur Ausübung der Aufsicht über die Bezirksämter sollten die Landeskommissäre »nach eigenem Ermessen oder infolge besondern Auftrages des Ministeriums des Innern periodische Untersuchungen der Verwaltungszustände der ihnen unterstellten Bezirksämter vornehmen«.

VO 1864, § 19.

Auch hier sollte das Eingreifen unmittelbar erfolgen: »Bei wahrgenommenen Mängeln oder Mißständen in der Amtsführung eines Bezirksbeamten oder bei deßfalls erhobenen Beschwerden haben sie nach gepflogener Untersuchung fürsorglich die nötigen Anordnungen zur Abhilfe sofort zu erlassen«.

VO 1864, § 19.

Die Vollzugsverordnung von 1864 stärkte noch einmal die Aufsichts- und Mittlerrolle der Landeskommissäre zwischen Innenministerium und Bezirk. So war es »vorzugsweise Aufgabe der Landeskommissäre, den Vollzug der Verwaltungsgesetze und der Verwaltungseinrichtungen im Geiste der Landesverfassung und des Gesetzes vom 5. Oktober 1863 zu überwachen«.

VO 1864, § 17.

Zudem war es ihre Aufgabe, das Innenministerium »von den hierauf bezüglichen Zuständen der ihnen angewiesenen Bezirke in steter Kenntnis«

VO 1864, § 17.

sowie über Stimmungen und Meinungen in den Bezirken bezüglich der Verwaltung auf dem Laufenden zu halten. Nach Lameys Vorstellungen war es notwendig, »daß die Regierung Leute hat, die ihr genau und aus eigener Anschauung und Lokalkenntnis sagen können, wie es im Land steht; das können aber nur Solche, die draußen sind, nicht etwa vorübergehend auf’s Land geschickte Ministerialräthe«.

»Badischer Landtag, Karlsruhe, 8. Mai. 86. öffentliche Sitzung der Zweiten Kammer«, in: Karlsruher Zeitung (9. 5. 1863).

Die Einführung von Landeskommissären kam einem Paradigmenwechsel gleich, da sie eine auf Unmittelbarkeit beruhende Verwaltungspraxis förderte: So erklärte August Lamey in der »Begründung zum Gesetz über die Organisation der Verwaltung«, dass die »häufige Untersuchung der öffentlichen Zustände und der Dienstführung der Executivbeamten an Ort und Stelle, die persönliche Prüfung und Beseitigung von Beschwerden und Mißständen, sowie das unmittelbar nachhelfende Eingreifen der höheren Organe […] eine so wichtige Aufgabe einer guten Verwaltung« sei, dass diese »mehrere[n] Mitgliedern des Ministeriums« in fest umgrenzten Bezirken aufgetragen werden sollte.

»Begründung zum Gesetz über die Organisation der Verwaltung«, in: Verhandlungen der Stände-Versammlung des Großherzogthums Baden in den Jahren 1861/63. Enthaltend die Protokolle der zweiten Kammer, Beilagenheft 4/2, Karlsruhe 1863, S. 627–643 [Begr VerwG], hier S. 634.

Durch eine unmittelbare Aufsicht – also vor Ort und in direktem Kontakt mit den Beteiligten – beabsichtigte man, diese nicht nur effizienter zu gestalten, sie sollte vor allem auf die besonderen Verhältnisse in den Gemeindebehörden flexibel Rücksicht nehmen. So liege es bei den Landeskommissären,

eine rasche und namentlich die lokale Verwaltung zu fördern, sie sollen die lokalen Geschäfte in unmittelbarem Verkehr mit den Leuten besorgen, während ohne sie alle Detailgeschäfte, alle Beschwerden, der ganze Haushalt aller einzelnen Gemeinden unmittelbar an das Ministerium gebracht und dasselbe förmlich mit Geschäften erdrückt würde.

»Badischer Landtag, Karlsruhe, 8. Mai. 86. öffentliche Sitzung der Zweiten Kammer«, in: Karlsruher Zeitung (9. 5. 1863).

Die Regierung maß den Landeskommissären »für die Entwicklung eines lebendigeren und volksthümlicheren Geistes in der innern Staatsverwaltung« besonderen »Werth« und »Bedeutung« bei.

Begr VerwG, S. 637.

Darüber hinaus waren die Landeskommissäre zur Mitarbeit bei der Verkürzung der Distanz zwischen der Staatsregierung und dem Innenministerium sowie der Landesverwaltung verpflichtet: Sie sollten als Mitglieder des Ministeriums »sowohl wegen der genaueren Kenntniß ihres Bezirkes, als auch weil es angemessen und von politischem Vortheil ist, daß die Staatsregierung in den größern Städten des Landes durch höhere Beamten vertreten sei, in ihren Bezirken Wohnsitz nehmen, im Uebrigen aber im Ministerium über ihre Thätigkeit und die zu erlassenden Anordnungen Vortrag zu erstatten haben«.

Begr VerwG, S. 634–635.

Die lokale Aufsicht durch die Landeskommissäre als Mittlerfiguren zwischen Innenministerium und Bezirksverwaltung war also ein Medium, um räumliche Entfernung zu überbrücken. Dagegen wurden die Kreisregierungen als administrative Mittelstellen abgeschafft.

Die Bezirksräte als Mittler zwischen Bezirksverwaltung und lokaler Gesellschaft

Der Bezirksrat war eine eigentümliche Neuschöpfung des Verwaltungsgesetzes von 1863. Unter dem Vorsitz des Bezirksbeamten war der Bezirksrat für einen wesentlichen Teil der inneren Verwaltung zuständig und übte in der ersten Instanz die Rechtspflege in Streitigkeiten des öffentlichen Rechts aus. Besetzt war er mit sechs bis neun Bezirksräten, die von der Regierung aus einer von der Kreisversammlung aufgestellten dreifachen Kandidatenliste ernannt wurden.

VerwG 1863, § 2 und § 60, Absatz 1.

Ihre Ernennung aus den Bewohnern des Bezirks gab der Einrichtung ihren ›volkstümlichen‹ Charakter, auch wenn sie von dem Bezirksbeamten geleitet wurde.

Hinter der Figur des Bezirksrats stand unter anderem die Einsicht, dass die herkömmliche Form einer auf Schriftlichkeit beruhenden Verwaltungspraxis nicht ausreichte, um in der lokalen Gesellschaft Akzeptanz für Verwaltungsentscheidungen zu erzielen. So erhoffte sich die Regierung in der »Begründung« zum Gesetz über die Organisation der Verwaltung vom 9. Februar 1863, dass die »Mitwirkung der tüchtigsten und durch ihre Einsicht und ihren Gemeinsinn ausgezeichneten Männer der Bezirke unter der Leitung des ständigen angestellten Staatsbeamten bei einer Reihe von staatlichen Geschäften nicht nur eine berechtigte Forderung der Zeit, sondern auch von dem größten Nutzen für das Vertrauen in die gerechte und umsichtige Handhabung der öffentlichen Gewalt«

Begr VerwG, S. 632.

sein werde.

Die Mitwirkung der Bezirksräte sollte sich insbesondere auf öffentliche Angelegenheiten erstrecken, bei denen besondere lokale Kenntnisse vorteilhaft waren. Von einer Mitarbeit der Bezirksräte erwartete sich die Regierung »die zur richtigen Beurtheilung der thatsächlichen Grundlagen erforderlichen Erfahrungen und Kenntnisse des öffentlichen, namentlich des Gemeindelebens«.

Begr VerwG, S. 632–633.

Sie sollten ihre Kenntnisse des lokalen Raumes, zu dem die örtlichen Verwaltungsverhältnisse und die lokale Gesellschaft gehörten, in die Bezirksverwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit einbringen. Es war die Absicht, dadurch die Distanz zwischen dem Verwaltungszentrum und der lokalen Gesellschaft zu verringern. Diese vermittelnde Rolle konnten die Mitglieder des Bezirksrats als Verwaltungsorgan und Verwaltungsgericht erster Instanz sowie in ihrer Funktion ›als Einzelne‹ in ihren Distrikten ausüben.

Zur Verwaltungsgerichtsbarkeit vgl. Gernot Sydow: Die Verwaltungsgerichtsbarkeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Eine Quellenstudie zu Baden, Württemberg und Bayern mit einem Anhang archivalischer und parlamentarischer Quellen, Heidelberg 2000; Gernot Sydow: »Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Baden«, in: Karl-Peter Sommermann / Bert Schaffarzik (Hg.): Handbuch der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland und Europa, Berlin 2017 [im Druck].

Die Kompetenzen des Bezirksrats als Verwaltungsgericht erster Instanz waren insbesondere auf Bereiche ausgerichtet, bei denen die örtlichen Kenntnisse der Ehrenbeamten hilfreich sein konnten. Die Zuständigkeiten umfassten beispielsweise das Heimats- und Ortsbürgerrecht sowie den Bürgernutzen oder die Frage nach der Höhe der Beiträge und persönlichen Leistungen zu Gemeindezwecken.

VerwG 1863, § 5. Weiterhin war der Bezirksrat als erste Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständig für: Beiträge zu Kriegskosten; Beiträge und Leistungen ZU Kirchen und Schulverbänden U. a.; Beiträge zu Vizinal- und Verbindungsstraßen sowie Gemarkungsrechte U. a.; Angelegenheiten der Bodenkultur; Angelegenheiten von Jagd, Fischerei und Wasser; Stimmberechtigung und Wählbarkeit bei Gemeinde-, Bezirks- und Kreiswahlen; Verbringung in die polizeiliche Verwahrungsanstalt.

Bei diesen Zuständigkeiten konnten Einblicke und Kenntnisse der Verhältnisse einzelner Bewohner und Gemeinden – auch im Hinblick auf das öffentliche Interesse – von Nutzen sein. Da die Praxis der Verwaltungsgerichtsbarkeit keine abstrakte Anwendung genereller Normen darstellte, sondern in den lokalen Kontext eingebunden war,

Vgl. Krosigk: Bürger in die Verwaltung, S. 149–154.

erwartete die Regierung von den Bezirksräten »die zur richtigen Beurteilung der tatsächlichen Grundlagen erforderlichen Erfahrungen und Kenntnisse des öffentlichen, namentlich des Gemeindelebens«.

Begr VerwG, S. 630.

Auch im Hinblick auf Verwaltungssachen hatte der Bezirksrat eine Reihe von Befugnissen inne, die sich – wie etwa die Erkenntnis zur Notwendigkeit öffentlicher Bauten – auf gemeindliche und lokale Verhältnisse bezogen.

VerwG 1863, § 6: Der Bezirksrat beschloss unter anderem in folgenden Verwaltungssachen: Notwendigkeit öffentlicher Bauten; Erteilung der Staatsgenehmigung zu Beschlüssen der Gemeinden und ihrer Behörden; Voranschlag des Gemeindehaushalts, wenn der Bezirksbeamte Anstand nimmt; Gesuche und Anträge auf Verleihung von Wirtschaftsrechten und anderen Gewerbekonzessionen; Zulässigkeit gewerblicher Anlagen.

Für die Erlassung von bezirkspolizeilichen Vorschriften waren ebenfalls besondere Ortskenntnisse von Vorteil. Wenn solche Vorschriften »eine fortdauernd geltende Anordnung enthalten«, konnte der Bezirksbeamte diese nur mit Zustimmung des Bezirksrats erlassen.

VerwG 1863, § 7.

Er konnte den Bezirksrat aber auch einfach nur als ein beratendes Kollegium konsultieren. Dies galt für alle Angelegenheiten, die das Interesse eines Bezirks berührten. So bei »allgemeinen Maaßregeln« in Bereichen wie Gewerbe, Handel, Land- und Forstwirtschaft, Viehzucht oder bei der Abwendung von Teuerung und Mangel.

VerwG 1863, § 8.

Neben den Kompetenzen, die ein Bezirksrat als Kollegium ausübte, hatten die Bezirksräte eine ganze Reihe von Funktionen, die sie ›als Einzelne‹ in ihrem Distrikt zugesprochen bekamen.

Zur statistischen Entwicklung der ›Einzeltätigkeiten‹ der Bezirksräte vgl. Krosigk: Bürger in die Verwaltung, S. 212–213.

Auch hier konnten sie in amtlicher Funktion so unterschiedliche Rollen einnehmen wie die eines Informanten, Beraters und Mittlers. Weitreichende Funktionen erhielten die Bezirksräte im Bereich Sicherheit und Ordnung zugewiesen.

ZU den polizeilichen Funktionen siehe VerwG 1863, § 9, Ziffer 1, sowie die Verordnung »Die polizeilichen Funktionen der Bezirksräte betreffend«, 20. 8. 1864, in: Großherzoglich Badisches RegierungsBlatt (1864), Nr. 42, S. 523–524 [PolFVO 1864].

Gerade in diesem für die Bezirksverwaltung so wichtigen Bereich hatte sich die Regierung eine rege Mitwirkung erhofft. Hier sollten die einzelnen Bezirksräte durch ihre ehrenamtliche Stellung ›vertrauensbildend‹ wirken und mit ihrer amtlichen Autorität die Bezirksverwaltung vor Ort vertreten. Allerdings schreckten die Bezirksräte gerade bei den polizeilichen Funktionen vor einer aktiven Mitwirkung zurück, da sie ihre persönlichen, geschäftlichen und politischen Verflechtungen im Bezirk nicht durch ein polizeiliches Auftreten als Bezirksrat aufs Spiel setzen wollten.

Zu den polizeilichen Funktionen der Bezirksräte und deren Ausübung vgl. Krosigk: Bürger in die Verwaltung, S. 208–210.

Wie viel Bedeutung das Innenministerium den polizeilichen Funktionen beimaß, lässt sich daran erkennen, dass es noch vor Inkrafttreten des Gesetzes, nämlich am 20. August 1864, die polizeilichen Funktionen auf dem Verordnungswege regelte.

PolFVO 1864.

Dem Gesetz nach sollten sie bei der Handhabung der Landespolizei und der Aufsicht über die Ortspolizei mitwirken

VerwG 1863, § 9, Ziffer 1, und POIFVO 1864, § 1.

und ihre Bedeutung in der Ausübung polizeilicher Funktionen sichtbar zur Schau tragen. So waren sie verpflichtet zur »Beglaubigung ihrer amtlichen Stellung […], wo sie dienstlich öffentlich aufzutreten haben, und wo es, […] geboten erscheint, daß sie für Jedermann kenntlich sind, eine Schleife in den Landesfarben mit dem Namenszug Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs auf der linken Brustseite« zu tragen.

POIFVO 1864, § 9.

In ihren Distrikten mussten die Bezirksräte ihr »Augenmerk« »auf die allgemeinen und örtlichen polizeilichen Zustände« richten.

POIFVO 1864, § 2.

Sie hatten

insbesondere darauf zu achten, daß Sicherheit und Ordnung ungefährdet bestehe, Personen und Eigenthum den gehörigen öffentlichen Schutz genießen, daß die dazu nöthigen Einrichtungen vorhanden sind und gehörig unterhalten werden, und daß das polizeiliche Aufsichtspersonal seinen Pflichten mit dem erforderlichen Eifer und Nachdruck nachkomme und dabei ein unbescholtenes und angemessenes Verhalten zeige.

POIFVO 1864, § 3.

Von ihren »Wahrnehmungen« bezüglich Sicherheit und Ordnung hatten sie dem Bezirksbeamten »Mitteilung«

POIFVO 1864, § 3.

zu machen. Wenn sie »erhebliche, die öffentliche Sicherheit gefährdende oder die öffentliche Ordnung störende Mißstände« wahrnahmen, sollten sie »unverweilt bei dem Bezirksbeamten die zur Abhilfe geeigneten Anträge […] stellen«.

POIFVO 1864, § 4.

Weiterhin sollten sie »ihr Augenmerk insbesondere auch auf den Zustand der Löscheinrichtungen, gefährliche Stellen an Straßen und Wasserschutzdämmen, die Ueberhandnahme der Landwirtschaft schädlicher Thiere, sowie auf besondere gemeinschädliche Erscheinungen in dem sittlichen und wirthschaftlichen Leben, auf den Zustand der Armenpflege und dergleichen richten«.

POIFVO 1864, § 4.

Die Kompetenzen der Bezirksräte gingen bis hin zur »fürsorglichen Festnehmung bei Verbrechen und der schleunigen Vorkehrung aller zur Sicherheit der Personen und des Eigenthums geeigneten Maßregeln«.

VerwG 1863, § 9, Ziffer 1; POIFVO 1864, § 5–6.

Ein weiterer Wirkungsbereich war die öffentliche Hygiene. Hier baute man etwa ein Jahrzehnt nach der Einrichtung der Bezirksräte ihre Befugnisse mit der Verordnung zur »Sicherung der öffentlichen Gesundheit und Reinlichkeit« vom 27. Juni 1874 weiter aus.

»Verordnung: Die Sicherung der öffentlichen Gesundheit und Reinlichkeit betreffend«, 27. 6. 1874, in: Gesetzes- und Verordnungs-Blatt für das Großherzogthum Baden (1874), Nr. 28, S. 353–359 [GesRein-VO 1874].

Die Verordnung war darauf angelegt, vor allem die besonderen lokalen Kenntnisse der Bezirksräte im Hinblick auf die Erlassung von bezirks- und ortspolizeilichen Vorschriften sowie Durchsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung der hygienischen Zustände in den Ortschaften einzusetzen.

GesReinVO 1874, § 1, Ziffer 8.

Normsetzung mittels bezirkspolizeilicher Vorschriften sowie deren Implementation sollten vor Ort durch die Bezirksräte gestärkt werden.

Zum Aspekt der Implementation – wenn auch für die Frühe Neuzeit – vgl. Achim Landwehr: Policey im Alltag. Die Implementation frühneuzeitlicher Policeyordnungen in Leonberg, Frankfurt am Main 2000; Achim Landwehr: »Policey vor Ort. Die Implementation von Policeyordnungen in der ländlichen Gesellschaft der Frühen Neuzeit«, in: Karl Härter (Hg.): Policey und frühneuzeitliche Gesellschaft, Frankfurt am Main 2000, S. 47–70. Für einen historisch-politikwissenschaftlichen Ansatz vgl. Thomas Ellwein: Der Staat als Zufall und als Notwendigkeit. Die jüngere Verwaltungsentwicklung in Deutschland am Beispiel Ostwestfalen-Lippe, 2 Bde., Opladen 1993–1997. Zur politikwissenschaftlichen ›Implementationsforschung‹ vgl. Renate Mayntz (Hg.): Implementation politischer Programme II. Ansätze zur Theoriebildung, Opladen 1983; Renate Mayntz (Hg.): Implementation politischer Programme. Empirische Forschungsberichte, Königstein im Taunus 1980.

Solche ortsspezifischen Kenntnisse des Verwaltungsraumes waren insbesondere bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorschriften zur Errichtung von Gruben in Städten in entsprechende bezirkspolizeiliche Vorschriften notwendig.

GesReinVO 1874, § 1.

Die anschließenden Abschnitte der Verordnung zur öffentlichen Gesundheit und Reinlichkeit vom 27. Juni 1874 behandelten ihre Implementierung. Zunächst wurde bemerkt, dass »nähere Bestimmungen […] mit Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse im Wege bezirks- oder ortspolizeilicher Vorschriften erlassen werden« konnten.

GesReinVO 1874, § 1, Ziffer 8.

Hierbei wirkte der Bezirksrat nicht nur dadurch mit, dass er bei bezirkspolizeilichen Vorschriften von fortdauernder »Anordnung« seine Zustimmung erteilen musste,

VerwG 1863, § 7.

sondern auch noch dadurch, dass er im Rahmen des Ermessensspielraums über die Implementierung der Vorschriften unter Berücksichtigung der lokalen Verhältnisse entschied.

GesReinVO 1874, § 1, Ziffer 9.

Auch bei der Einrichtung von Düngerstätten und Jauchebehältern an Ortsstraßen oder öffentlichen Plätzen verfügte der Bezirksrat über weitreichende Ermessensspielräume.

GesReinVO 1874, § 3, Absatz 3.

Weiterhin konnte der Bezirksrat die Ableitung von Abwässern gewerblicher Anlagen in Gewässer innerhalb von Ortschaften sowie die gewerbliche Nutzung des Wassers nach eigenem Ermessen untersagen, »wenn dadurch eine die öffentliche Gesundheit innerhalb der Ortschaften gefährdende Verunreinigung des Wassers verursacht wird«.

GesReinVO 1874, § 5, Absatz 3.

Dem Bezirksrat waren auch unmittelbar beaufsichtigende Funktionen bei der Implementierung der Verordnung zugeschrieben. Dies betraf zum Beispiel die »periodische Reinigung« von Gewässern innerhalb von Ortschaften, die die »Ortspolizeibehörde unter Aufsicht des Bezirksamts zu regeln und zu überwachen« hatte.

GesReinVO 1874, § 5, Absatz 7.

Bei der Anlage von Straßenrinnen mit »fester Grundfläche« an Ortsstraßen war den Bezirksräten ein gewisses Maß an Verhandlungsfreiheit zur Umsetzung gemäß den örtlichen Verhältnissen an die Hand gegeben.

GesReinVO 1874, § 8.

Ebenso war der Bezirksrat befugt, bei gesundheitsgefährdenden Verhältnissen in Mietwohnungen, die auf den Eigentümer zurückgingen, »nach Maßgabe der bestehenden polizeilichen Vorschriften [zu] bestimmen, in welcher Weise und in welchen Fristen dieser für Abhilfe zu sorgen hat«.

GesReinVO 1874, § 12, Absatz 2.

Für den Fall der Nichtbeachtung der Anordnungen des Bezirksrats standen diesem durchaus weitreichende disziplinarische Kompetenzen zu, wie die Untersagung der weiteren Vermietung einer Wohnung.

GesReinVO 1874, § 12, Absatz 2.

Ein zentraler Aspekt der Mitarbeit der Bezirksräte in der Bezirksverwaltung war ihre Rolle als lokale Informanten, Berater und Sachverständige für eine ganze Reihe von öffentlichen Angelegenheiten. Sie waren zu »besondere[r] Aufmerksamkeit« und »persönliche[r] Kenntnißnahme« im Hinblick auf die hygienischen Zustände in ihren Distrikten aufgefordert. Über »Mißstände« sollten sie den Amtsvorstand benachrichtigen und Verbesserungsvorschläge unterbreiten.

GesReinVO 1874, § 15.

Auf der anderen Seite waren Beschwerden gegen den Vollzug der Verordnung an den Bezirksrat zu richten, sodass letzten Endes der Bezirksrat sich denn auch mit den entsprechenden Beschwerden auseinandersetzen musste.

GesReinVO 1874, § 17.

Die Bezirksräte wirkten in der Praxis jedoch nicht nur als lokale Informanten, Berater und Sachverständige im Rahmen der monatlichen Sitzungen des Bezirksrats, sondern vermittelten auch in ihrer ehrenamtlichen Funktion unmittelbar in ihrem Kreis – ganz im Sinne einer partizipativen Verwaltungspraxis. In ihrer Mittlerrolle wirkten sie im Sinne der Bezirksverwaltung direkt im lokalen Raum. So stellte Amtmann Ernst Müller etwa für den Bezirk Adelsheim fest, dass Bezirksräte Fragen, die in den Sitzungen vorgeschlagen worden waren, mit Vertretern der Gemeinden ihrer Distrikte diskutierten, was sich positiv auf die Entscheidungsfindung auswirkte.

GLA, 338/1182, Jahresbericht des Bezirksamts Adelsheim 1881.

Auch Gustav Adolf Jägerschmid, Amtmann in Durlach, verwies auf positive Erkenntnisse mit den Vermittlungsbemühungen der Bezirksräte in Angelegenheiten, die normalerweise bei den Gemeinden auf Widerstand trafen. Er hatte mit der »Berufung« einzelner Mitglieder des Bezirksrats zu »besonders schwierigen Verhandlungen« gute Erfahrungen gemacht, da ihre Bemühungen »in der Regel von gutem Erfolg begleitet« waren.

GLA, 236/10280, Jahresbericht des Bezirksamts Durlach 1869.

Jägerschmid verwies hier insbesondere auf gemeinnützige Unternehmungen und öffentliche Bauten, die jeweils mit höheren Kosten verbunden waren. Eine wichtige Ressource der Bezirksräte war das Vertrauen, das ihnen die Bevölkerung entgegenbrachte, so zumindest erklärte Jägerschmid die Wirksamkeit der Vermittlungsbemühungen der Bezirksräte gegenüber den Gemeinden: »Hier sind die Bezirksräthe die besten Assistenten des Beamten; weil Leute aus dem Volk, so genießen sie auch von vorneherein mehr Vertrauen und ihre Ansichtsäußerungen finden allenthalben zunächst bei den Vertretern der Gemeinden mehr Eingang«.

GLA, 236/10280, Jahresbericht des Bezirksamts Durlach 1869.

Darüber hinaus konnten die Bezirksräte auch auf die lokale Interessenslage einwirken und so zwischen Bezirksverwaltung und Gemeindeanliegen vermitteln. In seinem Jahresbericht für 1865 führte Oberamtmann Karl Richard den Bau im öffentlichen Interesse sowie die Beilegung von Streitigkeiten bei Feldwegzulagen und Wassernutzung als Bereiche für die Vermittlungsbemühungen an.

GLA, 236/10287, Jahresbericht des Bezirksamts Engen 1865.

Auch in den Jahresberichten der Landeskommissäre, die auf jenen der Bezirksämter beruhten, finden sich Berichte über erfolgreiche Vermittlungsaktivitäten der Bezirksräte. Landeskommissär Camill Winter in Karlsruhe erwähnte diesbezüglich die Vermittlungsbemühungen von Bezirksräten in verschiedenen Verwaltungsgebieten. So hatten die Bezirksräte in Pforzheim »jeweils an Ort und Stelle über strittige Verhältnisse nähere Erhebungen gemacht, darüber Vorträge erstattet und dadurch nicht nur zur Herbeiführung richtiger Entscheidungen, sondern auch zur Beseitigung irriger Auffassungen bei den Betheiligten in Verwaltungssachen wesentlich beigetragen«.

»Jahresbericht des Großherzoglich Badischen Landescommissärs für die Kreise Baden und Karlsruhe für das Jahr 1868«, in: Jahres-Berichte der Großherzoglich Badischen Landes-Commissäre über die Zustände und Ergebnisse der innern Verwaltung, 1865–1872, Karlsruhe 1866–1873 [Jahresberichte der Landeskommissäre], hier für das Jahr 1868, Karlsruhe 1868, S. 46. Ähnlich berichtete Landeskommissär Renck von positiven Erfahrungen mit einzelnen Bezirksräten, die »Erkundigung an Ort und Stelle über das tatsächliche Verhältnis in einzelnen dem Kollegium vorliegenden Streitfällen« angestellt hatten; »Jahresbericht des Großherzoglich Badischen Landescommissärs für die Kreise Konstanz, Villingen und Waldshut für das Jahr 1866«, in: Jahresberichte der Landeskommissäre 1866, S. 60.

Den hier angeführten positiven Beispielen mit ›Einzeltätigkeiten‹ der Bezirksräte stehen natürlich auch negative Bemerkungen von Amtmännern und Landeskommissären – insbesondere was die Ausübung der polizeilichen Funktionen anbelangt – gegenüber. Im Laufe der 1870er Jahre entwickelten sich die Mitwirkung bei den Unterstützungszahlungen für die Familien von eingezogenen Reservisten, der Bereich öffentliche Gesundheit und Reinlichkeit sowie die Kreisarmenkinderpflege als bevorzugte Bereiche der ›Einzeltätigkeit‹ der Bezirksräte.

Vgl. Krosigk: Bürger in die Verwaltung, S. 209–214.

Statistisch betrachtet schlug sich die ›Einzeltätigkeit‹ in der Kategorie »Gutachten und sonstige Tätigkeit der Bezirksräte« positiv nieder. Für den Zeitraum von 1874 bis 1879 stabilisierten sich die Aktivitäten auf einem Durchschnittswert von jährlich 994 vermerkten Aktivitäten in den 52 Bezirksämtern.

Vgl. Krosigk: Bürger in die Verwaltung, S. 212–213.

Als wichtigen Hinweis auf die vertrauensbildende Wirkung der Bezirksräte betrachtete Ludwig W. Renck, der von 1874 bis 1877 Präsident des Verwaltungsgerichtshofes war, den Rückgang an Rekursen gegen Entscheidungen der Bezirksverwaltung – auch wenn die Reform des Heimats- und Ortsbürgerrechts im Jahre 1870 diese Entwicklung positiv beeinflusste – seit Einführung der neuen Verwaltungsorganisation im Jahre 1865.

Ludwig Renck: »Das erste Jahrzehnt der badischen Verwaltungs-organisation«, in: Zeitschrift für badische Verwaltung und Verwaltungsrechtspflege 20 (1874), S. 189–194, hier S. 191–192; vgl. Krosigk: Bürger in die Verwaltung, S. 223–224.

Durch die Einrichtung von Bezirksräten als Verwaltungsorgan und als Verwaltungsgericht erster Instanz sowie die Ausstattung der einzelnen Bezirksräte mit administrativen und polizeilichen Kompetenzen in den ihnen zugewiesenen Gebieten sollte die Distanz zwischen Bezirksverwaltung und lokaler Gesellschaft verringert werden. Vor Ort sollte die Bezirksverwaltung institutionell in die Fläche ›vorrücken‹ und dadurch räumliche Distanz abbauen.

Vgl. Ganzenmüller / Tönsmeyer: »Vorrücken des Staates«.

Die Teilnahme der Bezirksräte an den Ortsbereisungen

Auch wenn die Teilnahme der Bezirksräte an den Ortsbereisungen, welche die Amtsvorstände jährlich in größeren Städten und alle zwei Jahre in kleineren Städten ihrer Bezirke durchführten, nicht Gegenstand des Verwaltungsgesetzes von 1863 und der Vollzugsverordnung von 1864 war, machten sich Amtsvorstände und Landeskommissäre sehr früh Gedanken über die Zuziehung der jeweiligen Bezirksräte. Die Ortsbereisungen bildeten eine besondere Gelegenheit für ›unmittelbare‹ Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Amtsvorständen und den Bezirksräten sowie mit Vertretern der lokalen Gesellschaft.

Der folgende Abschnitt zur Teilnahme der Bezirksräte an den Ortsbereisungen der Bezirksvorstände stützt sich in wesentlichen Teilen auf Krosigk: Bürger in die Verwaltung, S. 205–208.

Jonathan Winter, Landeskommissär in Konstanz, empfahl 1865 den Amtsvorständen, die Mitglieder zu den Ortsbereisungen in den jeweiligen Distrikten »einzuladen«. Dabei sollten die Bezirksräte »mit allen Verhältnissen in den Gemeinden« bekannt gemacht werden und zudem so das Interesse am »Dienst« gefördert und die Bezirksräte mit der Überwachung des Vollzugs von Anordnungen beauftragt werden.

»Jahresbericht des Großherzoglich Badischen Landescommissärs für die Kreise Villingen und Konstanz für das Jahr 1865«, in: Jahresberichte der Landeskommissäre 1865, S. 45.

Auch im darauffolgenden Jahresbericht für 1866 wiederholte Winter, dass die Amtsvorstände die Ortsbereisungen dazu nutzen mögen, die Bezirksräte, »wenn auch ohne alle Förmlichkeit, in den Dienst einzuführen«.

»Jahresbericht des Großherzoglich Badischen Landescommissärs für die Kreise Lörrach, Freiburg und Offenburg für das Jahr 1866«, in: Jahresberichte der Landeskommissäre 1866, S. 144.

Da es bei diesen Anlässen insbesondere auch um die Verwaltungszustände in einzelnen Gemeinden ging, brachten Bezirksräte, die bereits einmal ein Ehrenamt in einer Gemeinde oder im Kreise innegehabt hatten – das waren im Durchschnitt mehr als ein Drittel

Vgl. Krosigk: Bürger in die Verwaltung, S. 245, Tabelle 1: »Zusammensetzung der Bezirksräte nach Berufen und Ehrenämtern«.

–, wichtige Erfahrungen und Kenntnisse im Hinblick auf einzelne Gemeinden und Angelegenheiten mit.

In seinem Bezirk Ettenheim nutzte Oberamtmann Johann Gruber die Bereisungen der Gemeinden dazu, die Bezirksräte zu vermehrter ›Einzeltätigkeit‹ zu motivieren und ihnen Aufgaben anzuweisen. Er hatte die Bezirksräte »in die Verhältnisse eingeweiht und [ihnen] die Beaufsichtigung des Vollzugs einzelner Bescheidsauflagen […] aufgetragen, auch anderweite Aufträge wie hinsichtlich des Standes einzelner Straßen und Wege […] erteilt«.

GLA, 236/10290, Jahresbericht des Bezirksamts Ettenheim 1872.

Auch im darauffolgenden Jahr hatte Johann Gruber die Bezirksräte zu den Ortsbereisungen zugezogen und diese Gelegenheit dazu genutzt, »denselben manchfach Stoff zur Einzeltätigkeit an die Hand« zu geben, doch geschah dies »vorerst noch ohne nennenswerten Erfolg«.

GLA, 236/10290, Jahresbericht des Bezirksamts Ettenheim 1873.

Dagegen erwähnte er, dass sie sich vor allem – auch gegen den Widerstand der Gemeindevertreter – in der Kreisarmenpflege engagieren würden. Auch in seinem späteren Amt Achern bemühte sich Johann Gruber darum, die Bezirksräte durch gemeinsam durchgeführte Ortsbereisungen enger in die Tätigkeit der Bezirksverwaltung einzubinden. Durch »förmliche Übertragung« von Geschäften sowie »wiederholte Belehrung und Zuforderung« hoffte er, eine Verbesserung der »Einzeltätigkeit« herbeiführen zu können.

GLA, 236/10245, Jahresbericht des Bezirksamts Achern 1879; ähnlich GLA, 236/10244, Jahresbericht des Bezirksamts Achern 1878. Auch in seinem späteren Amt Durlach nutzte Johann Gruber wiederum die Ortsbereisungen, um eine vermehrte Einzeltätigkeit der Bezirksräte anzuregen und sie bei »andern gewichtigen Verhandlungen« heranzuziehen; GLA, 236/10458, Jahresbericht des Bezirksamts Durlach 1884/85.

Oberamtmann Ludwig Arnsperger, Grubers Vorgänger in Achern, hatte über mehrere Jahre hinweg die Ortsbereisungen zu einer engen Zusammenarbeit mit den Bezirksräten genutzt, »um bei ihnen Einsicht in die Verhältnisse, Interesse für die in Frage kommenden einzelnen Aufgaben zu wecken«.

GLA, 236/10240, Jahresbericht des Bezirksamts Achern 1875.

Arnsperger ging es also vor allem auch darum, die Bezirksräte im Sinne der Bezirksverwaltung von den Maßnahmen zu überzeugen und ihre Unterstützung zu gewinnen. Ludwig Arnspergers Bemühungen hatten jedoch im Hinblick auf eine »weiter gehende Anregung«

GLA, 236/10240, Jahresbericht des Bezirksamts Achern 1875.

der Tätigkeit nicht den gewünschten Erfolg.

Im Bezirk Müllheim hatten Oberamtmann Ludwig Sachs zufolge mehrere Bezirksräte »von der Einladung Gebrauch gemacht und dem Geschäft mit großem Interesse angewohnt«.

GLA, 236/10331, Jahresbericht des Bezirksamts Müllheim 1867.

Über weitergehende ›Einzeltätigkeiten‹ wird in diesem Zusammenhang nicht berichtet. In den folgenden Jahren nahmen Bezirksräte jedoch in Verwaltungssachen vor Ort mit den Beteiligten Kontakt auf und berichteten dann in der Bezirksratssitzung über das Ergebnis ihrer Untersuchung.

GLA, 236/10331, Jahresbericht des Bezirksamts Müllheim 1867, 1868–1872.

Im Bezirk Meßkirch besuchten die Bezirksräte nach Auskunft von Oberamtmann Gustav von Stösser auch ohne seine Begleitung die Gemeinden ihres Distrikts, doch führten diese Initiativen nicht zu weiteren Aktivitäten und gaben auch »nur zu wenigen Anträgen Anlaß«.

GLA, 236/10326, Jahresbericht des Bezirksamts Meßkirch 1865.

Auch in den darauffolgenden Jahren sollte die ›Einzeltätigkeit‹ der Bezirksräte im Bezirk Meßkirch insgesamt gering bleiben, obwohl Stössers Nachfolger, Adolf Fuchs, für das Jahr 1869 zwei positive Fälle hervorhob, ohne diese aber genauer zu benennen.

GLA, 236/10326, Jahresbericht des Bezirksamts Meßkirch 1866, 1868 und 1869.

Viele Amtsvorstände und Landeskommissäre berichteten positiv über die Hinzuziehung von Bezirksräten bei Ortsbereisungen, auch wenn diese nicht unbedingt allzu weitreichende Tätigkeiten umfassten. In seinem Jahresbericht für 1869 hob Landeskommissär Camill Winter in Karlsruhe besonders die »vielseitige Verwendung« der Bezirksräte in der Bezirksverwaltung hervor und lobte dabei einige Bezirksämter besonders. Zugleich wies er auf die erfolgreiche Mitwirkung zweier Bezirksräte in Rastatt hin.

»Jahresbericht des Großherzoglich Badischen Landescommissärs der Kreise Karlsruhe und Baden für das Jahr 1869«, in: Jahresberichte der Landeskommissäre 1869, S. 48–49.

Wohl in Reaktion auf Winters Bemerkungen erinnerte Stadtdirektor Franz Sales Hebting in Pforzheim im darauffolgenden Jahresbericht von 1870 daran, dass er die Bezirksräte zu den Ortsbereisungen und »allen übrigen auswärtigen Geschäften bedeutender Art« hinzuzuziehen und insbesondere die Durchsetzung von Anordnungen gemeinsam zu überwachen pflege.

GLA, 236/10347, Jahresbericht des Bezirksamts Pforzheim 1870. In seinem Jahresbericht ließ sich Landeskommissär Winter denn auch noch einmal besonders auf die in Pforzheim bestehende Praxis ein; »Jahresbericht des Großherzoglich Badischen Landescommissärs für die Kreise Karlsruhe und Baden für das Jahr 1870«, in: Jahresberichte der Landeskommissäre 1870, S. 46.

Für 1871 bemerkte Hebting, dass er mit der Einladung der Bezirksräte zu den Ortsbesuchen die Erfahrung gemacht habe, »daß dieses Verfahren stets von dem besten Erfolg begleitet war«,

GLA, 236/10347, Jahresbericht des Bezirksamts Pforzheim 1871.

ohne dies genauer zu spezifizieren.

In welcher Form die Ortsbereisungen als Grundlage für die Zusammenarbeit der Amtsvorstände mit ihren Bezirksräten genutzt werden konnten, erläuterte dann einige Jahre später im Jahresbericht für 1875 etwas detaillierter Otto von Scherer, der 1874 das Amt des Stadtdirektors in Pforzheim übernommen hatte. Scherer hatte bei den 13 Ortsbereisungen die betreffenden Bezirksräte regelmäßig mitgenommen, um bei dieser Gelegenheit »durch Spezialanschauung« die bezirkspolizeilichen Vorschriften bezüglich der Verordnung über öffentliche Reinlichkeit und Gesundheit am Beispiel von Düngerstätten und Jauchebehältern »zur Ausführung zu bringen«.

GLA, 236/10348, Jahresbericht des Bezirksamts Pforzheim 1875.

Jedoch erwähnen die Schilderungen der darauffolgenden Jahre nicht, inwieweit sich die Bezirksräte tatsächlich bei der Durchsetzung der Verordnung – vor allem auch gegenüber den Gemeindebehörden – engagierten. Hebting stellte für das Jahr 1878 lediglich fest, dass sich ihre ›Einzeltätigkeit‹ »in bemerkenswerter Weise bestätigt«

GLA, 236/10348, Jahresbericht des Bezirksamts Pforzheim 1878.

habe. Allerdings klangen die darauffolgenden Jahresberichte im Hinblick auf die ›Einzeltätigkeit‹ schon wieder sehr viel nüchterner und bescheidener.

GLA, 236/10349, Jahresbericht des Bezirksamts Pforzheim 1879–1881.

Auch wenn die gemeinsamen Ortsbereisungen in einigen Bezirken nicht hinreichten, um eine verstärkte ›Einzeltätigkeit‹ der Bezirksräte anzuregen, so bildeten sie dennoch in kommunikativer Hinsicht eine wertvolle Praxis für die Zusammenarbeit von Amtsverwaltung und Bezirksräten. Sie boten dem Bezirksvorstand eine Gelegenheit, um vor Ort Sichtweisen der staatlichen Verwaltung zu vermitteln, eine geteilte Problemwahrnehmung herbeizuführen und die Unterstützung der Bezirksräte für die Maßnahmen der Verwaltung zu gewinnen. Zugleich konnten sie sich auch unmittelbar über lokale Reaktionen und Absichten informieren. Die Durchführung der Ortsbereisungen gemeinsam mit den jeweiligen Bezirksräten des Distrikts bot damit eine Möglichkeit, nicht nur Informationen zu den Verwaltungsverhältnissen zu erheben, sondern auch noch Erkenntnisse über den jeweiligen lokalen Handlungsbedarf, die Interessenslage und das Stimmungsbild innerhalb der lokalen Gesellschaft zu erlangen. Für die Bezirksverwaltung war es wichtig, über solches »administratives Orientierungswissen« zu verfügen, um aus der Distanz des Bezirksamts mögliche lokale Handlungsspielräume ausnutzen zu können.

Vgl. Krosigk: Bürger in die Verwaltung, S. 225–233.

Die Ergebnisse der Ortsbereisungen als Vorstellungen von Verwaltungsräumen in amtlichen Verwaltungsberichten

Der letzte Abschnitt dieses Beitrags untersucht die Verwendung der Ergebnisse der Ortsbereisungen in den »Jahresberichten der Landeskommissäre«. Während im Reitzenstein’schen Verwaltungssystem von 1809 diese ausschließlich verwaltungsintern verwendet wurden, leitete die Verwaltungsreform von 1863/1865 auch eine neue Phase der publizistischen Öffentlichkeitsarbeit der badischen Verwaltung ein.

Eine Zusammenstellung der amtlichen Veröffentlichungen bis zum Jahre 1897 findet sich in: Badische Bibliothek. Systematische Zusammenstellung selbständiger Druckschriften über die Markgrafschaften, das Kurfürstenthum und Großherzogthum Baden, Teil I: Staats- und Rechtskunde, Bd. 1, Karlsruhe 1897, S. 108–112.

Die »Jahres-Berichte der Grossherzoglich badischen Landes-Commissäre über die Zustände und Ergebnisse der innern Verwaltung«, die für die Jahre 1865 bis 1872 veröffentlicht wurden,

Jahresberichte der Landeskommissäre.

sollten vor allem die Einwohner der Bezirke erreichen, die ehrenamtlich in der Kreisselbstverwaltung sowie als Bezirksräte tätig waren. Um eine größere Verbreitung sicherzustellen, wurden Auszüge auch in Zeitungen veröffentlicht. Hinter den Jahresberichten stand die Idee, »öffentliche Besprechungen« von Verwaltungsfragen in der Presse anzuregen und das statistische Material für die Publizistik bereitzustellen.

»Vorwort«, in: Jahresberichte der Landeskommissäre 1865, S. V.

Die »Jahresberichte der Landeskommissäre« stützten sich inhaltlich vornehmlich auf das Material, das die Bezirksverwaltungen in ihren jährlichen Reporten »über die Verwaltungszustände« lieferten. Die Landeskommissäre wiederum verfassten für ihren jeweiligen Kreis einen Jahresbericht, den sie an das Innenministerium weiterleiteten.

VO 1864, § 27. Die Jahresberichte der Bezirksverwaltung bildeten die Grundlage für die Jahresberichte der Landeskommissäre und für die seit 1880 herausgegebenen Jahresberichte des Innenministeriums: Jahres-Bericht des Großherzoglich Badischen Ministeriums des Innern über seinen Geschäftskreis, 1880-1896, Karlsruhe 1883–1897.

Die Einführung einer Beteiligung der Bürger in der staatlichen Bezirksverwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie einer körperschaftlichen Kreisselbstverwaltung brachte also auch ein umfangreiches Berichtswesen hervor. Die »Jahresberichte der Landeskommissäre« erschienen nur bis 1872 als eigenständige Veröffentlichung und wurden dann eingestellt. Seit 1873 wurden sie aber dem »Statistischen Jahrbuch«

Statistisches Jahrbuch für das Großherzogthum Baden, 1868-1938, Bd. 1–44, Karlsruhe 1869–1938.

einverleibt, und zwar als erläuternde Bemerkungen zur 1. Abteilung (Tabellen). Von Letzteren erschien von 1873 bis 1879 eine Sonderausgabe als »Statistische Erhebungen zu den amtlichen Jahresberichten«.

Statistische Erhebungen zu den amtlichen Jahresberichten über die Ergebnisse der innern Verwaltung im Großherzogthum Baden, 1873–1879, Karlsruhe 1874–1881.

Allmählich bewegte man sich bei der Öffentlichkeitsarbeit von der Perspektive der Kreise auf die badische Landesebene. Von 1880 bis 1896 wurden die »Jahresberichte des Innenministeriums« veröffentlicht.

Jahres-Bericht des Badischen Ministeriums, 1880–1896.

Da ihre Anfertigung sehr zeitaufwendig war und sie für jeweils zweijährige Berichtszeiträume veröffentlicht wurden, passte man 1882 auch die Berichtszeiträume der Jahresberichte der Bezirksämter diesem Rhythmus an.

GLA, 346/2916, Zugang 1991/49, Schreiben des Innenministeriums, 27. 10. 1882, Nr. 16872.

Die Schilderungen über die Verwaltungszustände in den »Jahresberichten der Landeskommissäre« umfassten zunächst »Allgemeine Verhältnisse der Bezirke«. Erst nach dieser Kategorie wurden die einzelnen Verwaltungszweige und -einrichtungen angeführt: Hierzu gehörten Bezirksämter und Gemeindeverwaltungen, Kirchen-, Schul- und Stiftungswesen sowie die Kreisverbände.

»Jahresbericht der Großherzoglich Badischen Landescommissäre über die Zustände und Ergebnisse der innern Verwaltung für das Jahr 1872«, in: Jahresberichte der Landeskommissäre 1872, S. III–V (Inhaltsverzeichnis).

Im Abschnitt »Allgemeine Verhältnisse der Bezirke« nahm der Aspekt »Wirthschaftliches Leben« den größten Platz ein. Hierzu gehörten »Wohlstand im Allgemeinen«, »Nahrungsquellen«, »Verkehrsverhältnisse«, »Anstalten zur Förderung des Wohlstandes« sowie »Armenwesen«. Aus der Perspektive des Verwaltungsraumes liegt die besondere Wirkung darin, dass in den Tabellen jeweils die Verhältnisse der einzelnen Bezirke und Kreise statistisch dargestellt und miteinander verglichen wurden. Die Interessen des Innenministeriums an der Entwicklung der lokalen Räume wurden im Hinblick auf die administrativen, wirtschaftlichen, infrastrukturellen und weiteren Verhältnisse systematisiert. Damit entstanden die Bezirke und Kreise als homogene, vergleichbare Verwaltungsräume, die darüber hinaus je nach Kategorie auch als (Land-)Wirtschafts- oder Infrastrukturräume gelesen werden konnten.

Beispielhaft können hier die »Verkehrsverhältnisse« angeführt werden. Hier geht es um Eisenbahnen, Eisenbahnverkehr, Dampfboote, Hafenverkehr, Post- und Telegrafenverwaltung sowie Straßenbauten. Den Verkehrsverhältnissen wurde nicht nur eine große Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung Badens beigemessen. Eine Wirkung von Verkehrsinfrastruktur lag ebenso in der Verkürzung räumlicher Distanzen.

Vgl. Günzel: »Raum«, S. 16. Zur Wirkung der Eisenbahn auf den Raum vgl. Wolfgang Schivelbusch: Geschichte der Eisenbahnreise. Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert, München 1977.

Insbesondere auch für die Mobilität der Amtmänner und Landeskommissäre in ihren jeweiligen Verwaltungsgebieten sowie für die Erreichbarkeit von Bezirksämtern in eher ländlichen Gebieten war die Verkehrsinfrastruktur von großer Bedeutung. Ihre Art und Qualität spielte eine große Rolle dabei, wie entlegen oder nahe gewisse Gebiete für einen Amtmann waren. Distanzen – und damit die Entfernungen im Verwaltungsraum – ließen sich durch gut ausgebaute Verkehrsverbindungen reduzieren.

Zum Straßenbau im Großherzogtum Baden bis 1870 vgl. Adrian Ciupuliga: Straßenbau und Straßenbauverwaltung in Baden 1770–1870, unpublizierte Dissertation, Universität Konstanz 1997.

Die Statistiken, Tabellen und Berichte in den »Jahresberichten der Landeskommissäre« wiederum beschreiben die Bezirke und Kreise als homogene, vergleichbare sowie nach sachlichen Gesichtspunkten organisierbare Verwaltungsräume. Die Tätigkeit der Verwaltung, wie sie sich in diesen Abhandlungen in ihren administrativen, wirtschaftlichen, infrastrukturellen und sozialen Verhältnissen darstellte, hatte also neben einer inhaltlichen und zeitlichen auch ganz wesentlich eine räumliche Dimension.

Während durch die partizipative Verwaltungspraxis und die Einführung von Bezirksräten die Distanz zwischen Bezirksverwaltung und lokaler Gesellschaft abgebaut werden sollte, war es beabsichtigt, dass durch die Veröffentlichung der »Jahresberichte der Landeskommissäre« die jeweiligen Bezirke als Verwaltungsräume mittelbar in Form von Tabellen, Statistiken und Beschreibungen (ab-)gebildet werden. Durch die Auswahl der Sachpunkte, die in den Jahresberichten behandelt wurden, lässt sich verfolgen, an welchen Aspekten das Innenministerium insbesondere interessiert war.

Schlussbetrachtung

Die räumliche Distanz zwischen Bezirksverwaltung und lokaler Gesellschaft war eine Herausforderung für die Verwaltung. Letztlich hatten die Medien, Kommunikationsformen und Verwaltungspraxis eine große Wirkung auf die Erzeugung und Wahrnehmung von Raum. Im Falle der Ortsbereisungen im Großherzogtum Baden im 19. Jahrhundert lässt sich feststellen, dass sie eine wichtige Rolle für eine unmittelbare und mündliche Verwaltungspraxis spielten. Dieser Aspekt wurde mit der Verwaltungsreform von 1863/1865 und der Einführung von Bezirksräten unterstrichen. Ein Ziel der neuen partizipativen Verwaltungspraxis war es, die Distanz zwischen dem Bezirk als Verwaltungszentrum und dem lokalen Raum – also der lokalen Gesellschaft und den örtlichen Verwaltungsverhältnissen – durch die Mittlerfigur der Bezirksräte abzubauen. Gleichzeitig sollte die Präsenz der Bezirksverwaltung vor Ort in Gestalt der Bezirksräte erhöht werden. Durch die Teilnahme der Bezirksräte an Ortsbereisungen sowie ihre Tätigkeit als Einzelne in ihren Bezirken nahm die Verflechtung zwischen der Bezirksverwaltung und der lokalen Gesellschaft zu. Damit intensivierten sich auch Kommunikations- und Aushandlungsprozesse. Die partizipative Verwaltungspraxis führte somit zu einer Verdichtung des Verwaltungsraumes – im Sinne eines Abbaus von räumlicher Distanz – durch die ehrenamtlichen Bezirksräte. Die Bezirksverwaltung wurde nun nicht mehr alleine durch das Bezirksamt vertreten, sondern auch noch durch eine Reihe von Bezirksräten.

Letztlich wirkten die Medien der Verwaltungspraxis – wie beispielsweise Schriftlichkeit, Mündlichkeit und Unmittelbarkeit, eine partizipative Verwaltung mit dem Aushandeln und Vermitteln sowie die amtliche Öffentlichkeitsarbeit – auf die räumliche Distanz im Bezirk. Unmittelbarkeit, Mündlichkeit und Bürgerbeteiligung – auch bei den Ortsbereisungen – sollten im Zuge der Verwaltungsreform von 1863 dabei helfen, räumliche Distanz zwischen Verwaltungszentrum und lokaler Gesellschaft abzubauen.

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