Cite

Einleitung und Problemstellung

Galt die Fermentierung von Milch früher als wichtigste Konservierungshilfe von Lebensmitteln, stehen mittlerweile Aspekte wie Geschmacks- und Aromaveränderung sowie Erhöhung der gesundheitlichen Wertigkeit im Vordergrund (Heller, 2006). Fermentierte Lebensmittel spielten zudem in der Siedlungsgeschichte des Menschen eine wesentliche Rolle. Es wurden und werden an unterschiedlichen Orten der Welt, unabhängig voneinander, verschiedene fermentierte Produkte entwickelt und verzehrt. Da sich die beteiligte Mikroflora teilweise stark unterscheidet, entsteht eine umfangreiche Produktvielfalt. Mittlerweile greifen Unternehmen, im speziellen Molkereien, dieses Wissen auf und entwickeln für den heimischen Markt neue Produktkreationen (Müller-Auffermann et al., 2013). Auch österreichische Unternehmen versuchen durch Produktinnovationen konkurrenzfähig zu bleiben. Ein Großteil der weltweit hergestellten fermentierten Milchproduktarten wird von den österreichischen Unternehmen noch nicht produziert und ist somit für die heimischen Konsumenten schwer verfügbar. Unter dem Begriff „ausgefallene Herstellungsweise“ werden in dieser Studie Herstellungsweisen und Rezepturen zusammengefasst, die in Österreich unüblich sind. Die Herstellungsweisen und Rezepturen stammen aus anderen Kulturen und/oder fremden Gebieten. Unter dem Begriff „Ethno-Food“ (engl. ethnic foods) versteht man Speisen, die aus dem Kulturkreis einer ethnischen Gruppe stammen (Kwon, 2015). Mittlerweile sind vereinzelt Produkte mit ausgefallener Herstellungsweise, wie beispielsweise das isländische Produkt Skyr, in den österreichischen Regalen zu finden. Die Erzeugung von fermentierten Milchprodukten mit ausgefallener Herstellungsweise würde die Produktvielfalt im österreichischen Handel anheben. Eine Umsatzsteigerung bei den Molkereiprodukten könnte realisiert werden. Die weltweite Vielfalt an fermentierten Milchprodukten ist enorm, und um den Umfang des Beitrages überschaubar zu halten, werden nur Produkte aus dem eurasischen Raum behandelt. Die Studie soll klären, wie Experten das Potenzial fermentierter Milchprodukte mit ausgefallener Herstellungsweise für eine erfolgreiche Markteinführung in Österreich einschätzen. Weiter sollen zukünftige Trends in diesem Bereich untersucht und mögliche Chancen und Hemmnisse aufgezeigt werden. Aus der genannten Zielsetzung ergeben sich folgende Forschungsfragen:

Wie ist das derzeitige Konsumverhalten von fermentierten Milchprodukten in Österreich und welche Entwicklungen sind in Zukunft zu erwarten?

Gibt es Einschränkungen bei der technologischen Machbarkeit und Qualitätssicherung von fermentierten Milchprodukten mit ausgefallener Herstellungsweise in Österreich?

Welche Potenziale bieten die derzeit im Handel verfügbaren fermentierten Milchprodukte mit ausgefallener Herstellungsweise?

Welche der im eurasischen Raum industriell erzeugten fermentierten Milchprodukte können mit welchen Maßnahmen erfolgreich am österreichischen Markt etabliert werden?

Entwicklung der fermentierten Milchprodukte

Man geht davon aus, dass die längere Haltbarkeit von fermentierten Lebensmitteln auf zufällige Entdeckungen zurückzuführen ist. Der Fermentationsprozess erlaubte, dass Milchbestandteile deutlich länger konsumiert werden konnten als die Rohmilch selbst (Heller, 2006; Chandan und Kilara, 2013). Durch die Fermentierung erlangt das Milchprodukt zudem eine bessere Verträglichkeit, da durch die Mikroorganismen der enthaltene Milchzucker (Laktose) aufgespalten wird. Somit ist der beschwerdefreie Genuss von Milch auch für die erwachsene Bevölkerung möglich (Langenbach, 2010). Fermentierte Milchprodukte repräsentieren auch heute noch einen wichtigen Sektor der humanen Ernährung, weltweit werden rund 400 verschiedene Produkte konsumiert, welche sich je nach vorhandener Mikroflora sehr stark unterscheiden. Beispielsweise dominieren im Nahen Osten aufgrund der subtropischen Bedingungen thermophile, in Skandinavien hingegen eher mesophile Milchsäurebakterien (Law, 1997). Mesophile Bakterien bevorzugen einen Temperaturbereich zwischen 18–32 °C, thermophile Bakterien hingegen bevorzugen höhere Temperaturbereiche (zwischen 35–50 °C) (Weber, 1996).

Die in den Milchprodukten lebenden Bakterienstämme fördern und unterstützen die menschliche Verdauung (Marco et al., 2017). Diese Eigenschaft wird von Marketingexperten auch immer wieder ausgelobt. Der Begriff „funktionelle Lebensmittel“ (engl. functional foods) hat sich mittlerweile für Produkte mit positiver Gesundheitswirkung etabliert (Chandan und Kilara, 2013). In skandinavischen Ländern ist der Konsum von fermentierten Milchprodukten stark verbreitet. Dabei gibt es ausgeprägte Unterschiede hinsichtlich Geschmacksrichtungen und der Textur der einzelnen Produkte. Generell können sie als fadenziehend und viskos charakterisiert werden. Zu den bekanntesten Erzeugnissen zählen Viili, Ymer, Skyr, Langfil und Keldermilk (Chandan und Kilara, 2013). Eine Erhöhung des Trockenmassegehalts im Endprodukt durch Eindampfen, Umkehrosmose, Ultrafiltration oder Zentrifuge wird als „Aufkonzentration“ bezeichnet. Durch diesen Prozess entstehen neue Produktvariationen. Wird beispielsweise Joghurt oder Buttermilch aufkonzentriert, entstehen Produkte mit erhöhtem Proteingehalt. Um die Haltbarkeit noch weiter zu erhöhen, werden die fermentierten Milchprodukte vielerorts in der Sonne getrocknet. Produkte wie „leben zeer“ aus Ägypten oder „Kashk“ aus dem Nahen Osten sind Beispiele für solche Erzeugnisse (Chandan und Kilara, 2013). Fermentierte Milchprodukte aus dem eurasischen Raum lassen sich nach deren Fermentationsprozessen wie folgt einteilen:

Fermentation durch Milchsäurebakterien

An der mikrobiellen Fermentation der Milch sind zahlreiche Mikroorganismen beteiligt. Typische Milchsäurebakterien sind Streptokokken, Leuconostoc und Laktobazillen, für Probiotika werden vor allem Bifidobacterium ssp., Lactobacillus acidophilus und Lactobacillus casei ssp. als Reinkultur oder in Kombination mit anderen Spezies eingesetzt. Je nachdem, welche Mikroorganismen verwendet werden und welche Temperaturen vorherrschen, entstehen unterschiedliche Milchprodukte, welche sich primär hinsichtlich ihrer Konsistenz und ihres Geschmacks unterscheiden (Kielwein und Baatz, 1986). Es folgt eine beispielhafte Auswahl an eurasischen, fermentierten Milchprodukten, die am österreichischen Markt zum Teil noch wenig Bedeutung haben. Die Einteilung erfolgt hinsichtlich der eingesetzten Kulturen.

Einsatz mesophiler Kulturen:

Tjukkmjolk und Filmjölk stammen ursprünglich aus Skandinavien. Die Produkte weisen eine für sie charakteristisch dehnbare und dickflüssige Konsistenz auf. Die Fermentation erfolgt durch spezielle Laktokokken-Stämme (vor allem Lactococcus cremoris). Neben der Milchsäure werden auch extrazelluläre Proteine produziert, die dem Produkt eine viskose Konsistenz verleihen. Tjukkmjolk ist ein in Norwegen sehr beliebtes Sauermilcherzeugnis, während Filmjolk in Schweden eine lange Tradition besitzt (Weber, 1996).

Ymer stammt ursprünglich aus Dänemark und wird aus dem Retentat ultrafiltrierter Milch hergestellt und weißt aufgrund der Aufkonzentration einen erhöhten Proteingehalt von 5 bis 6 % auf. Als Starterkultur werden vorzugsweise Leuconostoc cremoris und Lactococcus diacetylactis verwendet (Chandan und Kilara, 2013).

Einsatz thermophiler Kulturen:

Ayran ist ein halbflüssiges Getränk auf Joghurtbasis mit Salz und Mineralwasser. Der Ursprung liegt im Kaukasus sowie dem anatolischen Raum und avancierte sich zum Nationalgetränk der Türkei (Maurer, 2012).

Griechisches Joghurt zeichnet sich durch einen höheren Trockenmassegehalt als klassisches Joghurt aus und wird daher als weniger säuerlich wahrgenommen. Der Herstellungsprozess läuft zunächst gleich dem von Joghurt ab. Nach dem Fermentationsprozess erfolgt eine Aufkonzentration mittels Ultrafiltration oder Zentrifuge (Chandan und Kilara, 2013).

Labneh ist dem Griechischen Joghurt ähnlich. Die Konzentrierung erfolgt mithilfe einer Zentrifuge. Der Fettgehalt wird anschließend durch die Zugabe von Rahm eingestellt (Chandan und Kilara, 2013).

Kishk ist eine auf Joghurt basierende, orientalische Spezialität. Gekochte, im Anschluss getrocknete und zu einem Pulver vermahlene Weizenkörner werden dem Joghurt beigemischt. Das Gemisch wird in kleine Portionen geteilt und in der Sonne getrocknet. Zusätzlich kann Kishk mit Salz und Gewürzen verfeinert werden (Chandan und Kilara, 2013).

Dahi, Shrikhand und Lassi sind Sauermilchprodukte, die aus Indien, Afrika und Zentraleuropa stammen. Dahi ist dem westlichen Joghurt sehr ähnlich. Aus Dahi wird durch Aufkonzentration Shrikhand hergestellt und ähnelt somit dem Griechischen Joghurt. Es entsteht eine feste, cremige Masse, die mit Zucker und getrockneten Früchten verfeinert wird. Lassi ist ein aus Dahi hergestelltes Erfrischungsgetränk, das mit Fruchtzubereitungen, wie beispielsweise Mango, veredelt wird (Chandan und Kilara, 2013).

Mishti doi ist ein, vor allem in Indien und Bangladesch konsumiertes, fermentiertes Milchprodukt mit leicht bräunlicher Färbung und fester Konsistenz. Es wird üblicherweise mit frischem, unraffiniertem Rohrzucker (sogenanntem Jaggery) gesüßt (Chandan und Kilara, 2013).

Einsatz probiotischer Kulturen:

Yakult ist ein aus Japan stammendes fermentiertes Milchprodukt. Hergestellt aus Magermilch, die unter Zugabe von Glucose sowie Glycin und mithilfe von speziellen Lactobacillus-casei-Kulturen vergoren wird. Das Unternehmen Yakult verwendet speziell für dieses Produkt gezüchtete Lactobacillus-paracaseishirota-Kulturen und zusätzlich Algenextrakte als Wachstumsstimulierung für die Starterkulturen. Das fermentierte Produkt wird anschließend im Verhältnis 1:4 mit Wasser verdünnt und mit Aromazusätzen verfeinert (Weber, 1996; Wennstrom und Mellentin, 2002; Chandan und Kilara, 2013).

Bifidusmilch-Erzeugnisse: Bifidobakterien gehören zur normalen Bakterienpopulation im Darm von Säugetieren und sollten auch in dominierender Anzahl auftreten. Milcherzeugnisse werden selten mit reinen Bifidokulturen fermentiert, da sie nur sehr langsam säuern und einen hohen Anteil an Essigsäure produzieren. Kommerziell am erfolgreichsten werden Bifidusmilch-Erzeugnisse vom französischen Konzern Danone unter der Marke Activia vermarktet. Danone verwendet speziell für diesen Zweck gezüchtete Bifidobacterium animalis-Kulturen, sie sind auch unter dem Namen Bifidus ActiRegularis® bekannt (Weber, 1996; Activia, 2017).

Acidophilusmilch-Erzeugnisse: Der Bakterienstamm Lactobacillus acidophilus wird in Verbindung mit anderen Kulturen in einem hohen Maß in der globalen Joghurtherstellung eingesetzt. Um eine gesundheitliche Wirkung im menschlichen Darm zu begünstigen, bedarf es jedoch spezieller Acidophilus-Kulturen. Wegen seines geringen Säuerungsvermögens ist Lactobacillus acidophilus wenig resistent gegenüber anderen Mikroorganismen (Weber, 1996; Spreer, 2011).

Actimel® ist ein probiotisches Joghurtgetränk der Firma Danone. Neben den Joghurtkulturen Lb. bulgaricus und Sc. thermophilus enthält es zusätzlich eine spezielle Kultur von Lactobacillus paracasei, welche vom Hersteller unter dem Namen Lb. Casei Danone® geschützt wurde (Actimel, 2016).

Fermentation durch Milchsäurebakterien und Hefen

Durch die Zugabe von Hefen findet neben der Milchsäuregärung auch eine alkoholische Gärung im Substrat statt. Dadurch wird ein Produkt mit speziellen sensorischen Produkteigenschaften erzeugt. Die aus dem eurasischen Raum stammenden Produkte Kefir und Kumys werden näher betrachtet:

Kefir ist das am meisten verzehrte Sauermilchprodukt in Russland. Zur Herstellung von Kefir sind sogenannte Kefirknöllchen nötig. Dabei bilden Spezies der Gattung Lactobacillus, Leuconostoc, Lactococcus und Acetobacter sowie verschiedene Hefen (u.a. Candida kefyr oder Saccharomyces cerevisae) blumenkohlartige Gebilde von bis zu mehreren Zentimetern Größe. Aufgrund der Anwesenheit der Hefen kommt es zur Bildung von Ethanol und CO2, welche dem Produkt einen frischen und prickelnden Geschmack verleihen. Im Zuge der industriellen Herstellung werden die Kefirknöllchen nach der Fermentation abgesiebt und stehen nach einem Waschprozess für einen neuen Produktionszyklus zur Verfügung (Weber, 1996).

Kumys ist ein ursprünglich aus Stutenmilch hergestelltes fermentiertes Milchprodukt aus Asien. Es wird heutzutage in größeren Mengen in den GUS-Staaten aus Stuten- und Kuhmilch produziert. Zu der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) zählen beispielsweise Russland, Armenien und Kasachstan. Die Mikroflora von Kumys besteht in erster Linie aus thermophilen Laktobazillen und Hefen der Gattung Saccharomyces (Weber, 1996).

Fermentation durch Milchsäurebakterien und Schimmelpilze

Die Fermentation von Milchprodukten mithilfe von Milchsäurebakterien in Kombination mit Schimmelpilzen ist vor allem in Finnland üblich und unter dem Namen „Viili“ bekannt. Wie die Produkte Tjukkmjolk und Filmjölk weist auch Viili eine dehnbare Konsistenz auf. Hauptsächlich ist der Mikroorganismus Lactococcus cremoris mit der Bildung von extrazellularen Proteinen für diese Besonderheit verantwortlich (Kontusaari und Forsén, 1988). Bei der Herstellung von Viili wird zusätzlich der weiße Milchschimmel Geotrichum candidum eingesetzt. Viili weist eine weiße bis gelbliche, durch das Schimmelpilzwachstum charakteristische, samtige Oberfläche auf. Dem Schimmelpilz kommt, wegen der enzymatischen Aktivität (Glykolyse, leichte Fettoxidation), besondere aromabildende Bedeutung zu. Viili wird pur, gezuckert, mit Früchten, Konfitüre oder Cornflakes verzehrt (Weber, 1996).

Die österreichische Molkereibranche

Die zehn größten Molkereien in Österreich, dazu zählen Berglandmilch, NÖM AG, Salzburg Milch, Gmundner Molkerei, Rupp AG, Prolactal, Gebrüder Woerle, Pinzgau Milch, Kärntnermilch und die Obersteirische Molkerei, sind für über 90 % des Gesamtumsatzes aller österreichischen Milchverarbeitungsunternehmen verantwortlich. Der EU-Beitritt und die damit verbundene Marktliberalisierung führten zudem zu einem vermehrten Wettbewerb zwischen den europäischen Molkereien. Folglich ist der Kostendruck für die vergleichsweise kleinstrukturierte Molkereibranche in Österreich gestiegen und damit der Export zu einem wichtigen Faktor geworden. Dies zeigt sich auch in der positiven Handelsbilanz im Bereich Milch und Molkereiprodukte (VÖM, 2015). Die Erfolge im Export lassen sich hauptsächlich durch die hohe Qualität der Erzeugnisse sowie Innovationen erklären. Die geringe Unternehmensgröße und die dadurch erhöhte Flexibilität der heimischen Molkereien wirken sich positiv auf das Hervorbringen von Produktinnovationen aus (Berger, 2004). Das österreichische Molkereiprodukt-Regal ist durch eine hohe Sortimentstiefe und eine hohe Anzahl an Innovationen gekennzeichnet, zirka 300 Artikel werden jedes Jahr neu gelistet. Zudem stieg der Anteil der Handelsmarken in den letzten Jahren markant (Berger, 2004; AC Nielsen, 2016). Aufgrund der notwendigen Kühlung sind die Kosten pro Regalmeter im Molkereiprodukt-Segment am höchsten. Für den Lebensmitteleinzelhandel (LEH) sind Molkereiprodukte durchwegs lukrativ, sie bilden das mit Abstand absatzstärkste und neben Fleisch- und Wurstwaren auch das umsatzstärkste Segment (AC Nielsen, 2016). Die Produkte Griechisches Joghurt, Ayran, Kefir und Lassi sind jene fermentierten Milchprodukte mit ausgefallener Herstellungsweise, die bereits im österreichischen LEH vertreten sind.

Chancen in der Molkereibranche

Das Molkereiprodukte-Regal ist ein hart umkämpfter Markt, in dem Konsumtrends und gesellschaftliche Entwicklungen eine große Rolle spielen. Global kann der Trend zu einem erhöhten Konsum an fermentierten Milchprodukten festgestellt werden. Vor allem der Gesundheitsaspekt und die vermeintliche Natürlichkeit des Produktes sind hier Triebkräfte (Chandan und Kilara, 2013). In Österreich hingegen stagniert der Konsum von Milchprodukten, mit Ausnahme von Käse. Probiotische Milchprodukte wie Yakult, Activia und Actimel konnten nach ihrer Markteinführung beachtliche Umsatzzahlen erwirtschaften (Kocina, 2010). Die Ergebnisse der Untersuchung von Meindl (2009) zeigen, dass bei funktionellen Molkereiprodukten die Faktoren Genuss, Gesundheit und Wohlbefinden die vorrangigen Kaufmotive sind. Besonders den Heavy-Usern ist der gesundheitliche Zusatznutzen wichtig. Die Kommunikation von gesundheitlichem Zusatznutzen ohne wissenschaftlicher Fundierung ist seit der Health-Claim-Verordnung (Nr. 1924/2006) der EU jedoch nicht mehr erlaubt.

Naturjoghurts verzeichnen, aufgrund ihrer vielseitigen Verwendung, eine hohe Nachfrage. Zudem werden gezielte Werbemaßnahmen, die auf diese vielschichtige Anwendbarkeit hinweisen, verstärkt wahrgenommen. Ebenfalls sehr beliebt sind Bioprodukte, da auch sie Natürlichkeit und Wohlbefinden suggerieren. Eine österreichische Studie von Satovich (2016) zeigt anhand einer paarweisen Vergleichsprüfung zwischen Produkten mit und ohne Bio-Siegel, dass Produkte mit Bio-Siegel bevorzugt werden. Ebenfalls war die Akzeptanz jener Produkte mit Bio-Siegel größer. Zahlen der RollAMA (2017) bestätigen, dass biologisch produzierte Lebensmittel, vor allem Frischeprodukte, steigende Beliebtheit verzeichnen. Die Ausgaben für Bioprodukte sind in den letzten sechs Jahren um 37 % gestiegen. Griechisches Joghurt und High-Protein-Produkte werden ebenfalls verstärkt nachgefragt. In den USA besetzt Griechisches Joghurt bereits 30 % des Joghurtsegments (Chandan und Kilara, 2013). Griechisches Joghurt wird hauptsächlich aus Griechenland importiert, da es sich um eine spezifische Produktbezeichnung handelt, die laut EU-Verordnung Nr. 1169/2011 nur bei Produkten aus Griechenland legitim ist. Das „Joghurt griechischer Art“ wird hingegen auch in Österreich produziert.

Auch laktosefreie Produkte sind mittlerweile sehr beliebt. Das Handelspanel von AC Nielsen zeigt, dass der Umsatz (+ 6 %) sowie der Absatz (+ 7 %) von laktosefreien Milchprodukten im Vergleich zum Vorjahr (2016) anstieg (Friedrich, 2017). Fermentierte Milchprodukte enthalten durch die Milchsäuregärung weniger Laktose und sind daher für den menschlichen Organismus bekömmlicher. In einer schwedischen Studie wurde der Kohlenhydratgehalt (Laktose, Galaktose und Glukose) von Milch, fermentierten Milchprodukten (Joghurt, Filmjölk und Kefir) und laktosefreien Produkten untersucht. Das klassische Joghurt zeigte den geringsten Laktosegehalt (mit 2,91 g 100 g-1) unter den fermentierten Milchprodukten, gefolgt von Kefir (3,38 g 100 g-1) und Filmjölk (3,51 g 100 g-1). Zum Vergleich: Frischmilch (1,5 % Fett) weist einen Laktosegehalt von rund 4,72 g 100 g-1 auf, laktosefreie Milch (1,5 % Fett) rund 0,04 g 100 g-1 (Ohlsson et al., 2017).

Die Bevölkerung in den westlichen Industrieländern wird zusehends älter, auch in Österreich ist diese demographische Entwicklung zu erkennen. Im Jahr 2007 stellten Personen über 60 Jahren noch 22 % der österreichischen Gesamtbevölkerung dar, bis 2050 soll dieser Anteil auf 34 % anwachsen. Diese Altersverteilung der Bevölkerung spielt für die Lebensmittelbranche eine zentrale Rolle (Reithmayr, 2010). Viele Senioren gehen mittlerweile täglich einkaufen und nehmen somit die Neueinführungen von Produkten unmittelbar wahr (Derndorfer, 2008). Neben den Senioren bieten auch jüngere Personen, die sogenannte Generation Z (geboren zwischen 1995 und 2010), ein durchaus großes Potenzial für den Absatz von fermentierten Milchprodukten mit ausgefallener Herstellungsweise, da sie die ethnisch vielfältigste Kundengruppe darstellen. Für sie ist sogenanntes Ethno-Food oftmals die Norm (Boysen, 2015). Im Jahr 2015 lebten 1,813 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich, 1,334 Millionen gehören zur „ersten Generation“, da sie selbst noch im Ausland geboren wurden (Statistik Austria, 2016). Zusätzlich kann der Verzehr von Ethno-Food als ein Zeichen der Wertschätzung für eine fremde Kultur gesehen werden. Neben der Migration trägt auch der Tourismus wesentlich zur Etablierung von Ethno-Food in Österreich bei (Dabringer, 2006). Neben dem Begriff „Ethno-Food“ wird auch der Terminus „Ethno-Marketing“ immer bedeutender. „Ethno-Marketing ist die Ausgestaltung aller Beziehungen einer Unternehmung auf eine Zielgruppe, die sich aufgrund von historischen, kulturellen und sprachlichen Gegebenheiten von der Bevölkerungsmehrheit in einem Land unterscheidet“ (Brauhofer und Yadollahi-Farsani, 2011). Man geht davon aus, dass die ethnischen Zielgruppen in Abhängigkeit von ihrer Herkunft ein spezifisches Konsumverhalten aufweisen. Daher scheint es aus Sicht des Marketings erfolgsversprechend, wenn diese Zielgruppe mit einem auf sie abgestimmten Marketingmix angesprochen wird. Laut Pichler (2009) sollte man beim Bewerben von Milchprodukten allgemein auf eine Doppelstrategie aus informativer und emotionaler Werbung setzen. Dieser informative Aspekt sollte jedoch mit Daten und Fakten fundiert sein. Als Ansatz für das Milchmarketing der Zukunft wird empfohlen, Milch und Milchprodukte, neben Konsumentenwünschen wie Convenience und Produktvielfalt, als natürliches, wertvolles Lebensmittel zu bewerben. Der gesundheitliche Aspekt sollte dabei idealerweise mit dem Begriff „Wohlbefinden“ verbunden werden.

Saisonale Sorten und limitierte Auflagen (engl. Limited Editions) wirken sich ebenfalls positiv auf die Umsätze des Handels aus, da eine höhere Einkaufsfrequenz erreicht sowie mehr Volumen pro Einkauf erzielt werden kann. Eine Studie des Marktforschungsinstitutes GfK zeigt, dass die Käuferreichweite durch Saisonsorten und limitierte Auflagen um 8 bis 9 % gesteigert wurde. Insgesamt wurde ein Absatzplus von 22 % erreicht (Holzschuh, 2015). Zusätzlich ist ein Trend zu regionalen Produkten erkennbar. Regionale Erzeugnisse spielen im Milchproduktebereich eine zunehmende Bedeutung. So wird beispielsweise das von der Pinzgau Milch hergestellte Alnatura Lassi mit den Produktattributen „hergestellt aus biologischer Bergbauernmilch“ beworben (Billa, 2017; Friedrich, 2017).

Hemmnisse in der Molkereibranche

Trotz der genannten Trends ist der Pro-Kopf-Verbrauch von Milchprodukten leicht rückläufig, was auf eine weitestgehende Marktsättigung für Milchprodukte in Österreich schließen lässt. Die Entwicklung der österreichischen Milchwirtschaft geht daher in Richtung einer höheren Veredelung der Produkte. Diese Veränderung spiegelt sich vor allem in der gesteigerten Wertschöpfung des Käse-Segments wider (BMLFUW, 2010). Im Fruchtjoghurtsegment kann im Gegenzug sowohl ein mengen- als auch wertmäßiger Rückgang verzeichnet werden (RollAMA, 2016). Eine im Jahr 2014 in Österreich durchgeführte Studie von Kropfmüller (2014) hat sich mit dem Verzehr von Fruchtjoghurts mit unterschiedlichem Zuckergehalt auseinandergesetzt. Es stellte sich heraus, dass drei Viertel der Befragten Fruchtjoghurt im Allgemeinen als zu süß empfinden. Beinahe die gleiche Anzahl an Befragten wünscht sich eine Reduktion des Zuckergehaltes in den Erzeugnissen.

Das Segment der Molkereiprodukte ist ein sehr traditioneller Markt in Österreich. Innovationen haben meist ein zu geringes Potenzial und sind einem intensiven Preiswettbewerb ausgesetzt. Dieser Preisdruck ist in Österreich deutlich zu spüren, auch hervorgerufen durch den verstärkten Einsatz von Handelsmarken. Herstellermarken und Marktführer haben in den letzten Jahren mengenmäßig stark verloren. Hier ist im Zeitraum von 2009 bis 2014 ein Rückgang von 34 % zu beobachten. Dem gegenüber konnten Mehrwert-Handelsmarken im gleichen Zeitraum volumenmäßig mit einer Steigerung von 15 % stark zulegen (Holzschuh, 2015).

Ein Grund, warum klassische Joghurts in Österreich einen Vorteil gegenüber fermentierten Milchprodukten mit ausgefallener Herstellungsweise haben, liegt am Gewohntsein von Joghurts, auch als „Mere Exposure Effekt“ bezeichnet. Mit diesem „Effekt der bloßen Darbietung“ ist gemeint, dass Konsumenten ihre Einstellung gegenüber einem Produkt durch wiederholte Darbietung verbessern (Zajonc, 1965; Pliner, 1982). Somit geht den bereits vorhandenen, bekannten Molkereiprodukten, im Gegensatz zu den neu eingeführten Erzeugnissen, das Vertrauen der Konsumenten voraus. Neben dem Geschmack tragen auch alle anderen Sinne zur Sympathie oder Antipathie bei. So kann bei den viskosen, fadenziehenden skandinavischen Sauermilchprodukten durchaus eine Abneigung aufgrund ihrer spezifischen Konsistenz auftreten. Beim finnischen Erzeugnis Viili kommt erschwerend der charakteristische Schimmelbelag an der Produktoberfläche hinzu, der Irritationen und aversive Reaktionen auslösen kann. Die Ablehnung neuer Lebensmittel, auch „Neophobie“ genannt, ist auf einen biologischen Schutzmechanismus zurückzuführen (Milton, 1993). Die Angst vor neuen Speisen ist bei Kleinkindern am stärksten ausgeprägt, lässt jedoch im Alter nach, da neue Geschmacksrichtungen mit bereits bekannten verglichen werden können (Röwe, 2013).

Ein weiteres Hemmnis für den Milchmarkt stellt der Trend zur veganen und vegetarischen Ernährung dar. In einer repräsentativen IFES-Studie aus dem Jahr 2013 gaben 9 % der österreichischen Bevölkerung an, entweder vegan oder vegetarisch zu leben. Zwischen 40.000 bis 80.000 Menschen ernähren sich ausschließlich vegan (Vegane Gesellschaft Österreich, 2017). Dies zeigt sich auch in der steigenden Anzahl an Milchersatzprodukten pflanzlichen Ursprungs. Wurden diese Substitute zunächst vor allem auf Sojabasis hergestellt, steigt nunmehr auch die Anzahl an Produkten aus Hafer, Mandeln, Lupine oder Kokos. Die Käuferreichweite aller gekühlten Milchalternativen stieg von 8,8 % im Jahr 2012 auf 16 % im Jahr 2016 (Holzschuh, 2017). Janssen et al. (2016) konnten drei Hauptmotive für die Adaption einer veganen Ernährungsweise feststellen: Tierbezogene Aspekte, wie Tierwohl und Tierschutz, stellten den Hauptgrund dar, gefolgt von dem persönlichen gesundheitlichen Nutzen einer veganen Lebensweise und umweltschutzrelevanten Aspekten wie verringerte Treibhausgasemissionen durch den Verzicht auf tierische Lebensmittel.

Neben den konsumentenbezogenen Hemmnissen können auch produktionstechnische Hemmnisse für die Molkereien auftreten. Für fermentierte Milchprodukte mit ausgefallener Herstellungsweise sind oft Starterkulturen aus dem jeweiligen Land notwendig, die importiert werden müssen. Ein Unternehmen holt sich damit wissentlich potenzielle Kontaminationskeime in den laufenden Betrieb. Sollten Kulturkeime, wie z. B. Laktobazillen-Stämme, durchgängig Antibiotikaresistenzen aufweisen, kann dies unter Umständen eine gesundheitliche Gefahr darstellen. Voraussetzung dafür ist die Aufnahme von großen Mengen derartiger Keime aus fermentierten Lebensmitteln und die Übertragung von Resistenzgenen auf die im menschlichen Darm beheimateten Bakterien (Abriouel et al., 2015).

Methodisches Vorgehen

Für die Beantwortung der Forschungsfragen dienen zum einen eine umfassende Literaturrecherche und zum anderen qualitative Experteninterviews. Der qualitative Forschungsansatz wurde gewählt, da aufgrund der Forschungsfragen in dieser Studie mehrere Themengebiete abgedeckt werden müssen. Bei den leitfadengestützten Interviews wurden Vertreter der Molkereibranche, des Lebensmitteleinzelhandels sowie der Forschung befragt. Bei der Auswertung fand die strukturierte Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) Anwendung. Aufgrund der wertschöpfungskettenübergreifenden Auswahl der Interviewpartner war es sinnvoll, für jeden Expertentyp einen eigenen Interviewleitfaden zu entwickeln (Gläser und Laudel, 2010). Insgesamt wurden vier Experten aus der Molkereibranche, zwei Experten aus dem Lebensmitteleinzelhandel und drei Experten aus dem Bereich Forschung interviewt. Die Ergebnisse dieser Studie können somit Tendenzen für den Markt für fermentierte Milchprodukte mit ausgefallener Herstellungsweise aufzeigen, sind jedoch aufgrund ihres qualitativen Charakters nicht für den gesamten Milchsektor repräsentativ.

Die aufgenommenen Audiodateien wurden mithilfe des Programms MAXQDA 11 transkribiert. Der Interviewleitfaden diente als Basis für die zu Beginn festzulegenden Hauptkategorien, dieses Vorgehen wird als „deduktive Kategorienbildung“ bezeichnet (Mayring, 2010). Für eine weitestgehend exakte Einordnung des Datenmaterials wurden zusätzlich weitere Subkategorien während der Codierungsphase hinzugefügt, dies wird als „induktive Kategorienbildung“ bezeichnet. Tabelle 1 zeigt alle verwendeten Codes und Subcodes.

Codierung der transkribierten Experteninterviews für die Inhaltsanalyse nach Mayring

Table 1. Coding of the transcribed expert interviews for the qualitative content analysis of Mayring

Code 1: Konsumverhalten
Subcodes: Aktuelle Marktsituation, Produkttrends, Ethno-Produkte, religionsspezifische Vorschriften, Neophobie, mögliche Hemmnisse, Ersatzprodukte, Laktoseintoleranz
Code 2: Potenzial derzeit verfügbarer Produkte
Subcodes: Griechisches Joghurt bzw. Joghurt griechischer Art, Ayran, Kefir, Skyr, Lassi, Actimel, Activia, Yakult
Code 3: Herstellung und technologische Machbarkeit
Subcodes: Verfügbarkeit von Produktionsanlagen, Schimmel und Hefen in der Produktion, Viili, Starterkulturen, Hygiene, Qualitätssicherung allgemein
Code 4: Marketing für fermentierte Milchprodukte
Subcodes: AMA-Gütesiegel, Regionalität, Bio, Heumilch, Health Claims, Werbekampagnen, Point of Sale (in den Filialen), Zielgruppe bei Ethno-Produkten, Erfolgsfaktoren für ein neues, ausgefallenes Produkt
Code 5: Zusammenarbeit zwischen Molkereien und Handel
Subcodes: Impulse für Innovationen, Produktentwicklungsprozess, Anforderungen des Handels, Anteil an erfolgreichen Neueinführungen

Ergebnisse

Die Gliederung des Ergebnisteils erfolgt in Anlehnung an das zuvor festgelegte Kategoriensystem der transkribierten Interviews.

Konsumverhalten bei fermentierten Milchprodukten in Österreich

Das derzeitige Konsumverhalten der Österreicher bei fermentierten Milchprodukten wurde aus Sicht der Experten geklärt. Dabei wurde auf die aktuelle Marktsituation, die Produkttrends und auf mögliche Hemmnisse eingegangen. Laut Aussagen der Experten stagniert das Segment für fermentierte Milchprodukte im Verhältnis zum gesamten Molkereiproduktesegment. Im Gegensatz zu den klassischen Naturjoghurts geht der Absatz bei Fruchtjoghurts zurück. Die Experten führen dies auf das verstärkte Problembewusstsein hinsichtlich Zucker zurück. „Der große Schlimme ist derzeit der Zucker, das heißt, es rennt alles in Richtung zuckerreduziert. Das ist sehr stark erkennbar.“Naturjoghurts können auch vielseitig im Haushalt verwendet werden. Zudem werden natürliche Produkte, mit einer kurzen Zutatenliste, von den Konsumenten bevorzugt. Das sogenannte Clean-Labeling ist für die Produzenten ein wichtiges Thema. Der Markt für fermentierte Milchprodukte wird von den Experten als eher innovationsarm, dafür aber reich an Produktvariationen bezeichnet. Das Griechische Joghurt profitiert derzeit am stärksten vom Naturjoghurt-Trend. Ein weiterer Trend ist High-Protein. An dieser Stelle sei das neu eingeführte Produkt Skyr mit seinem hohen Proteingehalt erwähnt. „Griechische Joghurts macht jetzt einfach jeder. Oder Protein, das ist der nächste große Trend. Man sieht überall Proteinjoghurts. Auch Cottage Cheese wird mit diesem Produkt-Attribut beworben, obwohl sich an der Rezeptur nichts geändert hat. Der war vorher schon eiweißreich, aber jetzt steht‘s halt drauf. So will man den Kunden darauf aufmerksam machen. Und wenn jetzt Protein stark gefragt ist, dann machen alle Produzenten Protein.“

Diverse Ethno-Produkte verzeichnen ebenfalls Anstiege im Absatz, wenn auch auf einem niedrigeren Niveau. „Generell werden exotische Produkte stärker nachgefragt, sie werden zwar Nischen bleiben, vorerst, aber sie werden bedeutender. Egal ob das die türkische Community oder die Kosher- und Halal-zertifizierten Produkte betrifft.“ Vor allem die Zuwächse bei einzelnen Bevölkerungsschichten werden hier als Grund genannt. Das türkische Getränk Ayran wächst hier am stärksten.

Laktosefreie Produkte verzeichnen eine verstärkte Nachfrage und werden ein zunehmend bedeutenderes Thema für den LEH. Auch fermentierte Milchprodukte weisen aufgrund des Herstellungsprozesses mithilfe von Mikroorganismen eine geringere Menge an Laktose auf; ein Umstand, der den meisten Konsumenten nicht bewusst ist.

Neben den Trends gibt es auch mögliche Hemmnisse für fermentierte Milchprodukte mit ausgefallener Herstellungsweise. Neophobie, die Angst vor dem Fremden/Unbekannten, ist meist Hauptablehnungsgrund. So wird beispielsweise dem finnischen Sauermilchprodukt Viili, aufgrund seiner Schimmelschicht an der Oberfläche, keine Chance für die Marktetablierung in Österreich zugeschrieben. Laut den Experten finden Produkte mit als untypisch wahrgenommenen Eigenschaften generelle Ablehnung. Ist man nicht mit dem Produkt aufgewachsen, ist es schwierig, im Nachhinein eine Akzeptanz aufzubauen. Auch die fadenziehende Konsistenz einiger skandinavischer Erzeugnisse wird bei den österreichischen Konsumenten als negativ bewertet. Teilweise wurden bereits ähnliche Produkte hergestellt, die Akzeptanz dieser war jedoch gering. Im Laufe der Zeit hat sich in Österreich eine cremige, glatte Konsistenz für Joghurts etabliert.

Der stagnierende bis leicht rückläufige Konsum von Milch und Molkereiprodukten im Allgemeinen steht zum Teil in direktem Zusammenhang mit der negativen Stimmungsmache (Bashing) gegenüber tierischen Produkten. „Es muss uns gelingen, dass die Gesellschaft tierische Lebensmittel wieder positiv bewertet. Das ist momentan ein großes Problem.“ So ist es nicht verwunderlich, dass vegane Milchsubstitute im Trend liegen. Neben Sojadrinks sind es vor allem Erzeugnisse auf Kokos-, Hafer- und Mandelbasis, die zurzeit stark nachgefragt werden. Darüber, ob zukünftig größere Marktanteile an diese Substitutprodukte gehen werden, herrscht kein Konsens unter den Experten. „Da bin ich eher vorsichtig. Das sind Versuche, wo sich momentan nicht wirklich Großartiges bewegt. Das sind Nischen, mehr nicht. Also den klassischen Milchprodukten kannst du mit diesen Ersatzprodukten nichts wegnehmen.“

Potenzial derzeit verfügbarer Produkte

Am Markt existieren bereits einige fermentierte Milchprodukte mit ausgefallener Herstellungsweise. Um deren Potenziale zu eruieren, wurden die Experten über die Chancen ausgewählter, bereits verfügbarer Produkte (Ayran, Griechisches Joghurt, Kefir, Skyr, Lassi und Yakult) befragt.

Das Griechische Joghurt bzw. das österreichische Joghurt griechischer Art stellt zurzeit das erfolgreichste fermentierte Milchprodukt mit ausgefallener Herstellungsweise im heimischen LEH dar. Grundsätzlich besitzt das Joghurt eine sehr cremige Konsistenz und einen Fettgehalt von rund 10 %. Hier ist ein Trend in Richtung fettärmerer Varianten feststellbar, wobei die Beibehaltung der Konsistenz trotz Fettreduktion die größte Herausforderung darstellt. Die abweichende Bezeichnung und die Produktion in Österreich schmälert nach Expertenmeinung die Attraktivität für die Konsumenten, da der exotische Charakter verloren geht. Im Vergleich zum Griechischen Joghurt ist Ayran trotz kontinuierlich steigender Absätze ein Nischenprodukt im LEH. „Interessant ist Ayran, da haben wir eine Mörder-Entwicklung, da liegen wir über 30 % im Vergleich zum Vorjahr.“ Vor allem die türkische Community in Österreich konsumiert Ayran in großen Mengen, dadurch ist der Vertrieb in türkischen Supermärkten lukrativer als im klassischen LEH. Dass man als heimischer Produzent solcher Produkte allerdings unter seiner eigenen Marke produzieren soll, wird von den Experten bezweifelt. Negative Reaktionen aufgrund türkisch bedruckter Milchpackungen von heimischen Molkereien sind bereits in der Vergangenheit aufgetreten.

Kefir wird in Österreich nur von der Berglandmilch in großem Stil hergestellt. Dieses Nischenprodukt hält sich beständig am Markt. Die Problematik der Gasbildung kann durch den Verzicht von Hefekulturen in der Produktion gelöst werden. Es entsteht so jedoch kein „echter“ Kefir, sondern ein mildes Produkt, das auch dementsprechend deklariert werden muss. Ein ähnlich erfolgreiches Nischenprodukt wie Kefir ist Lassi. „Lassi ist ein Trinkjoghurt mit 3 % Fett. Für ein Trinkprodukt ist es sehr dick in der Konsistenz. Sehr süß, und die Hauptsorte ist immer Mango. Es ist jedenfalls indisch angehaucht. Es ist ein Premium-Joghurtdrink. Mit dem Glück, dass Lassi als Marketingname sehr gut was hermacht.“ Zur Herstellung von Lassi werden spezielle Milchsäurebakterien aus Indien verwendet, der Produktionsprozess ist jedoch vergleichbar mit dem von herkömmlichem Trinkjoghurt.

Das aus Island stammende Produkt Skyr kann als neuer Vertreter des High-Protein-Trends gesehen werden. Ein hoher Proteingehalt bei niedrigem Fettgehalt passt zum Zeitgeist, darin sind sich die Befragten einig. Bei der Frage, ob sich das Produkt dauerhaft etablieren kann, sind sich die Experten jedoch noch unsicher, da es sehr große Ähnlichkeit zum bereits etablierten Griechischen Joghurt besitzt. Das fehlende Wissen über das Produkt muss mithilfe von Werbemaßnahmen ausgeglichen werden. „Die Frage ist, was soll der Konsument damit machen? Ein bisschen müssen wir ihm vielleicht helfen. Soll er es löffeln, soll er es irgendwo draufschmieren, soll er es wo einarbeiten?

Herstellung und technologische Machbarkeit

Die technischen Anlagen zur Herstellung von speziellen, fermentierten Milchprodukten sind in den heimischen Molkereien weitestgehend vorhanden. Es gibt einige Spezialanlagen, die mit durchaus hohem Investitionsaufwand verbunden waren. Hierzu gehört zum Beispiel eine Ultrafiltrationsanlage (UF). Damit kann aus abgeschiedener Molke das Molkenprotein rückgewonnen und in weiterer Folge dem Endprodukt zugegeben werden. Durch diesen Schritt können Erzeugnisse, wie beispielsweise Skyr, auf einen sehr hohen Eiweißgehalt aufkonzentriert werden. Die Wirtschaftlichkeit derartiger Anlagen ist jedoch fraglich. Die Herstellung von Ayran ist für heimische Molkereien grundsätzlich kein Problem. Regelmäßige Produktionen könnten jedoch, aufgrund des Salzgehaltes des Produktes, mit der Zeit die Edelstahlrohre dauerhaft schädigen.

Die Produktion von Erzeugnissen mit Schimmelpilzen und Hefen wird sehr unterschiedlich beurteilt. So stellt die Herstellung von Viili mit dem Schimmelpilz Geotrichum candidum grundsätzlich kein Problem dar, jedoch wird das Absatzpotenzial dieses Produkts als fraglich angesehen. Kefir wird bereits, wenn auch in abgeschwächter Form, erfolgreich in Österreich hergestellt. Das russische Originalprodukt ist aufgrund der geforderten Haltbarkeit im Regal und der durch CO2-Bildung entstehenden Becherbombagen nicht erzeugbar. Gasdurchlässige Verpackungen sind zwar verfügbar, aber teuer. Als weiteren Aspekt gegen die Produktion von Erzeugnissen mit Schimmelpilzen und Hefen wurde die Produktionssicherheit genannt, da Hefen und Schimmelpilze Kontaminationskeime für andere Erzeugnisse darstellen könnten. Auch die Qualitätssicherung von zugekauften Fruchtzubereitungen ist von Bedeutung. Die verwendeten Früchte und Fruchtzubereitungen werden teils global gehandelt, hierbei kommt der mikrobiologischen Sicherheit eine enorme Wichtigkeit zu.

Auch die Verfügbarkeit der Starterkulturen für fermentierte Milchprodukte mit ausgefallener Herstellungsweise und deren Einsatz stellt ein Risiko dar, da die Qualität der importierten Kulturen mangelhaft sein könnte. „Die Frage ist, ob man sich wissentlich ein zusätzliches Gefahrenpotenzial in die Produktion holt.“ Die Ware wird daher von namhaften Lieferanten, mit denen bereits lange zusammengearbeitet wird, bezogen. „Ich habe jetzt ein Paper aus China gelesen, dass 70 % der Starterkulturen in fermentierten Milchprodukten, hauptsächlich Joghurt und ähnliches, antibiotikaresistent sind. Und zwar übertragbare Resistenzen. In Europa würde sich niemand mehr trauen, so eine Starterkultur an eine Molkerei zu verkaufen, wenn sie Antibiotikaresistenz aufweist.“

Marketing für fermentierte Milchprodukte

Durch die Interviews wurden bereits erfolgreiche Marketingmaßnahmen aufgezeigt und im Anschluss Erfolgsfaktoren bezüglich der „Beschaffenheit“ eines neuen Produktes definiert. Heimische Milchprodukte zeichnen sich durch eine hohe Qualität aus, welche es laut Expertenmeinungen auch auszuloben gilt. Dem AMA-Gütesiegel kommt hier laut Experten, aufgrund seiner Bekanntheit und Akzeptanz, eine zentrale Rolle zu. „Es gibt ja diverse Siegel, aber mit dem wirklich jeder was anfangen kann, ist das AMA-Gütesiegel. Da sagt dann jeder, es ist aus Österreich und jeder hat das Gefühl, das Produkt ist geprüft und qualitativ hochwertig.“ Laut Expertenmeinung ist der Faktor „Regionalität“, neben der biologischen Erzeugung, ebenfalls ein für die heimischen Konsumenten wichtiges Attribut. Es wird bereits erfolgreich im Marketing eingesetzt. Das Bio-Segment wächst am Gesamtmarkt gesehen am stärksten, deshalb wird die Herstellung von biologischen fermentierten Milchprodukten als durchwegs empfehlenswert gesehen. In den letzten Jahren haben sich zudem fermentierte Milchprodukte aus Heumilch etabliert. Demnach erkennen die Experten einen Trend zu höherer Produktveredelung. Durch die Health-Claim-Verordnung der EU wurde das Bewerben der Gesundheitsaspekte von probiotischen Lebensmitteln eingeschränkt. Dadurch empfinden die Experten eine Neuprodukteinführung in diesem Bereich als uninteressant.

Umfangreiche Werbekampagnen werden, trotz hoher Kosten, als erfolgversprechend angesehen. Bei der Produkteinführung beurteilen Experten Verkostungen am Point of Sale als förderlich. Vor allem für den heimischen Konsumenten haben Erzeugnisse mit ausgefallener Herstellungsweise am Beginn der Markteinführung oftmals Erklärungsbedarf. Sich mit bestimmten Erzeugnissen auf einzelne Zielgruppen zu fokussieren, wird von den Experten als herausfordernd gesehen. Jedoch ist die Nachfrage nach sogenannten Ethno-Food-Produkten, welche aus dem ex-jugoslawischen Raum und der Türkei stammen, durchaus vorhanden. Dies lässt sich ebenfalls an der steigenden Anzahl von Regalmetern für Ethno-Food in den einzelnen Supermärkten erkennen. Besonders in Wien sind spezielle Ethno-Supermärkte für die Produzenten lukrative Distributionskanäle. Das Abdrucken der eigenen Marke sollte, wie bereits erwähnt, gut überlegt sein. Laut Experten muss ein neues, ausgefallenes Produkt folgendermaßen beschaffen sein, um sich im heimischen LEH zu etablieren: An erster Stelle steht der Geschmack. Aufgrund des konservativen Konsumverhaltens in Österreich, bei dem sich vor allem vertraute Geschmacksrichtungen langfristig durchsetzen, sollten die Produkte sensorisch kein komplettes Neuland betreten. „Alle Produkte müssen dem österreichischen Geschmack, der meiner Ansicht nach sehr konservativ ist, angepasst werden, ohne dass man den Charakter des Produktes komplett verliert.“ Die Bewerbung muss leicht verständlich sein und das Produkt muss dem Konsumenten einen gewissen Vorteil bringen. Das Alleinstellungsmerkmal muss erkennbar sein und auch dementsprechend kommuniziert werden.

Die beiden Produkte Actimel und Activia des Danone-Konzerns haben laut Experten unter der Health-Claim-Verordnung der EU gelitten, da die Auslobung ihrer vermeintlich gesundheitlichen Effekte nicht mehr erlaubt ist. Aufgrund der hohen Werbebudgets werden sich diese Produkte jedoch auch in Zukunft halten. Das aus Japan stammende Getränk Yakult hat am österreichischen Markt keinen großen Stellenwert. Neben der Health-Claim-Verordnung wird auch der für europäische Verhältnisse ungewöhnliche Produktauftritt als Grund genannt. „Die gesundheitlichen Effekte sind zwar wissenschaftlich sehr gut belegt, aber dieserzu japanische Auftrittist für den europäischen Markt nicht förderlich. Er schränkt die Verbreitung ein und damit die Bekanntheit.“

Milchprodukte mit ausgefallener Herstellungsweise werden von den Molkereien mehr als Nischenprodukte gesehen, die vor allem die Produktbreite und die Innovationskraft des Unternehmens erhöhen. Als Zukunftsmarkt wurden die derzeit noch wenig beachteten Grillsaucen oder pikanten Saucen auf Joghurtbasis angeführt. „Ich sehe noch einiges an Potenzial im pikanten Joghurt-Sektor.“

Zusammenarbeit der heimischen Molkereien mit dem LEH

Die Zusammenarbeit zwischen Molkereien und LEH wird als sehr eng beschrieben, vor allem die größeren Molkereibetriebe arbeiten eng zusammen und auch der LEH verfolgt Kooperationen mit regionalen Betrieben. Kurze Transportwege und die Forderung der Konsumenten nach heimischen Produkten sind hier die Hauptgründe. Die Zusammenarbeit mit kleinstrukturierten Molkereien ist in manchen Bereichen noch ausbaufähig. Eine offene Kommunikation zwischen Händler und Hersteller wird als förderlich für die Implementierung neuer Produkte angegeben.

Impulse für Innovationen kommen für die kleineren Molkereien zumeist abnehmerseitig, während die führenden Molkereien verstärkt in die eigene Produktentwicklung investieren. Die Anforderungen des Handels für eine mögliche Listung von fermentierten Milchprodukten mit ausgefallener Herstellungsweise fallen unterschiedlich aus, wobei die Anforderungen an die Verpackung meist überschaubar sind. Das beschränkte Platzangebot in den Regalen muss bestmöglich genutzt werden. Bei Sauermilchprodukten sind Bombagen generell unerwünscht und meist der Hauptgrund für Reklamationen. Zur strafrechtlichen Absicherung benötigen die Händler/Einkäufer des Weiteren ein Attest bezüglich der Unbedenklichkeit des neuen Produktes. Bevor das Erzeugnis gelistet wird, wird die Qualität ausführlich geprüft. Besonders in Hinblick auf die beschränkte Haltbarkeit der Produkte muss eine ausreichende Drehung dieser gegeben sein, damit es zu keinen bedeutsamen Abschreibungen aufgrund von Verderb kommen kann. Wurde ein Neuprodukt bei einer Handelskette gelistet, kann es sich üblicherweise langfristig im Regal etablieren.

Diskussion

Die Diskussion der Ergebnisse orientiert sich an den zu Beginn gestellten Forschungsfragen.

Derzeitiges Konsumverhalten von fermentierten Milchprodukten in Österreich und zukünftige Entwicklungen

Der Konsum von fermentierten Milchprodukten in Österreich, speziell der Konsum von Fruchtjoghurts, stagniert (RollAMA, 2016). Diese Entwicklung kann zum Teil mit der Negativ-Kampagne gegen Milch erklärt werden. Auch die steigende Anzahl an Personen mit Laktoseintoleranz könnte ein Grund für die stagnierenden Verkaufszahlen sein. Dass fermentierte Milchprodukte nur mehr geringe Mengen an Laktose enthalten, scheint den meisten Konsumenten nicht bewusst zu sein, wie auch die Experten bestätigten. Laktosefreie Milchprodukte liegen jedenfalls im Trend, die Umsätze stiegen hier von 3,8 % des Gesamtumsatzes im Jahr 2012 auf 5 % im Jahr 2016 (Holzschuh, 2017).

High-Protein-Produkte weisen eine starke Nachfrage auf. Das derzeit in den Umsätzen am stärksten steigende Erzeugnis ist Griechisches Joghurt, wobei die Verbindung mit Griechenland als Urlaubsort hier eine zentrale Rolle spielt. Erzeugnisse mit hohem Proteingehalt, dazu zählen neben Griechischem Joghurt auch spezielle Proteinjoghurts und Skyr, haben im Jahr 2016 eine volumenmäßige Absatzsteigerung von 19 % im Vergleich zum Vorjahr erreicht (Holzschuh, 2017). Auch Naturjoghurts werden aufgrund ihrer vielseitigen Einsetzbarkeit stark nachgefragt. Im Gegensatz dazu ist ein Rückgang bei Fruchtjoghurt erkennbar (RollAMA, 2016). Dies wird auch von den Experten bestätigt. Eine im Jahr 2014 durchgeführte Studie zu Fruchtjoghurts und Zuckergehalt zeigte, dass drei Viertel der Befragten Fruchtjoghurts im Allgemeinen als zu süß empfinden und sie sich eine Zuckerreduzierung wünschen (Kropfmüller, 2014). Um dieses Segment in Zukunft wieder zu fördern, wären eine Zuckerreduktion und dementsprechende Kommunikationsmaßnahmen nötig.

Der steigende Trend zu Milchersatzprodukten pflanzlichen Ursprungs ist auch im Marktsegment der fermentierten Milchprodukte erkennbar. Vegane Ernährungsweisen werden zudem immer beliebter, vor allem Tierwohl- und Tierschutzaspekte sind treibende Motive (Janssen et al., 2016). Die Käuferreichweite aller gekühlten Milchalternativen stieg von 8,8 % im Jahr 2012 auf 16 % im Jahr 2016 (Holzschuh, 2017). Bei den befragten Experten herrscht jedoch kein Konsens darüber, ob diese Substitute zukünftig den Milchprodukten weitere Marktanteile streitig machen werden. Die Molkereien verfolgen diesen Trend sehr aufmerksam.

Mögliche Einschränkungen bei der technologischen Machbarkeit und Qualitätssicherung von fermentierten Milchprodukten mit ausgefallener Herstellungsweise

Generell ist die Produktion von fermentierten Milchprodukten mit ausgefallener Herstellungsweise für die heimischen Produzenten gut zu bewerkstelligen. Dennoch müssen einige Punkte beachtet werden: Die Produktion von Viili und Kefir und die dazu benötigten Hefen und Schimmelpilze bergen ein gewisses Risikopotenzial. Die Keime können Kontaminationsquellen für andere innerbetriebliche Produkte darstellen. Abgetrennte Produktionsprozesse sind hierbei unerlässlich, auch in Anbetracht der geforderten Haltbarkeit aller Milchprodukte für den Handel. Die industrielle Erzeugung von „echtem“, mit Hefen hergestelltem Kefir, ist nur eingeschränkt möglich. Der Einsatz von Hefe führt zu erheblichen Bombagen der Endverpackung, die weder vom Handel noch vom Konsumenten erwünscht sind. Gasdurchlässige Verpackungen stellen aufgrund der hohen Kosten laut Experten keine Alternative dar. Der Einsatz einer Ultrafiltrationsanlage ermöglicht die zusätzliche Gewinnung des Molkenproteins und einer damit verbundenen Erhöhung des Proteingehalts im Endprodukt. Unter anderem wird das Produkt Skyr mit diesem überaus kostenintensiven Verfahren hergestellt. Der Großteil der aus China stammenden Starterkulturen weist laut Experten Antibiotikaresistenzen auf, was sie für den europäischen Markt unattraktiv macht. Abrioul et al. (2015) weisen in ihrer Studie auf die Gefahr von antibiotikaresistenten Milchsäurebakterien für die menschliche (Darm-)Gesundheit hin.

Potenziale der derzeit im Handel verfügbaren fermentierten Milchprodukte mit ausgefallener Herstellungsweise

Griechische Joghurts mit unterschiedlichsten Fettstufen bieten zurzeit das größte Marktpotenzial. Laut Experteneinschätzung haben der High-Protein-Trend und Griechenland als beliebte Urlaubsdestination einen hohen Einfluss. Stark nachgefragt wird auch Skyr, was wiederrum mit dem hohen Proteingehalt und dementsprechenden Werbemaßnahmen zusammenhängt. Das in Österreich durch die Molkerei Berglandmilch in großem Umfang produzierte Nischenprodukt Kefir hält sich bereits seit Jahren konstant im LEH. Das Joghurt-Erfrischungsgetränk Ayran kann als „echtes Ethno-Food“ bezeichnet werden, es erfreut sich vor allem in der türkischen Community großer Beliebtheit. Für den heimischen Handel hat dieses Produkt ebenfalls Relevanz. Ein weiteres Erfolgsprodukt stellt das indische Joghurtgetränk Lassi dar. Dass hochwertige Produkte mit Exotik verbunden werden können, zeigt das Lassi-Getränk der Marke Alnatura. Es wird mit dem Attribut „regionaler Bergbauernmilch“ aus dem Pinzgau beworben. Ein eingängiger Eigenname wie Lassi ist für das Produktmarketing zusätzlich von Vorteil, wie ein Experte resümiert. Demgegenüber leiden probiotische Produkte wie Actimel, Activia oder Yakult unter der Einführung der europäischen Health-Claim-Verordnung (Nr. 1924/2006). Einzig jene mit starkem Werbebudget halten sich beständig am Markt. Der hohe Bekanntheitsgrad und die ständig wechselnden Geschmacksrichtungen sind hierfür ebenfalls von Vorteil.

Maßnahmen für eine erfolgreiche Etablierung von fermentierten Milchprodukten mit ausgefallener Herstellungsweise in Österreich

Das Molkereiprodukteregal ist ein hart umkämpfter Markt, in dem es sehr schwierig ist, echte Innovationen durchzusetzen. Ein Experte bringt es wie folgt auf den Punkt: „Bei den Milchprodukten handelt es sich um einen absoluten Verdrängungswettbewerb, der über Schein-Innovationen und den Preis ausgefochten wird.“ Insofern birgt die Etablierung von Produkten mit ausgefallener Herstellungsweise eine Reihe an Herausforderungen. Aus Indien oder Finnland stammende, jedoch in Österreich unbekannte Produkte, die zusätzlich eine ungewöhnliche Beschaffenheit und Textur aufweisen, sind schwer auf dem heimischen Markt zu etablieren. Das Nachkaufverhalten von Produkten aus beliebten Urlaubsländern kann über alle Segmente im LEH beobachtet werden. Demnach gilt auch für die Produzenten, Trends in diesem Bereich aufmerksam zu verfolgen. Kleinere Unternehmen können ihre Produktionsstruktur oftmals flexibler und schneller an derartige Entwicklungen anpassen. Fermentierte Milchprodukte mit ausgefallener Herstellungsweise sollten geschmacklich nicht gänzliches Neuland für die heimischen Konsumenten sein. Ethno-Foods müssen sensorisch an vertraute Geschmäcker angepasst werden, um den Großteil der Konsumenten erreichen zu können. Generell können fermentierte Milchprodukte gut als qualitativ hochwertige Erzeugnisse vermarktet werden. Die Beliebtheit von Bioprodukten in Österreich zeigt sich in den gestiegenen Ausgaben für Bioprodukte, sie stiegen um 37 % in den letzten sechs Jahren (RollAMA, 2017). Auch Satovich (2016) konnte in ihrer Studie über die sensorische Bewertung von verschiedenen Naturjoghurts den großen Zuspruch für Bioprodukte bestätigen. Zudem stellt auch der Aspekt „Regionalität“ ein wichtiges Kaufkriterium in Österreich dar. Die Neuentwicklung von probiotischen Produkten aufgrund der Health-Claim-Verordnung empfiehlt keiner der Experten. Durch verstärkte Migration aus dem osteuropäischen Raum werden Ethno-Produkte aus diesen Ländern in Zukunft interessanter für die heimischen Hersteller. Die zwei bedeutendsten Zielgruppen bilden Personen aus dem ex-jugoslawischen Raum sowie aus der Türkei. Jedoch kann die hohe Markentreue der Konsumenten ein Hemmnis für die Akzeptanz heimischer Produkte darstellen.

Die Ergebnisse der Expertenbefragung und der Literaturrecherche zeigen, dass eine Einführung von fermentierten Milchprodukten mit ausgefallener Herstellungsweise, vor allem aus dem skandinavischen und eurasischen Raum, am heimischen Markt derzeit nicht empfehlenswert ist.

Schlussfolgerungen

Milchprodukte mit ausgefallener Herstellungsweise sollten geschmacklich kein gänzliches Neuland für die heimischen Konsumenten sein. Sie müssen demnach sensorisch und hinsichtlich ihrer Beschaffenheit an das allgemein vertraute Geschmacksempfinden der Gesamtbevölkerung angepasst werden. Daher kann die Einführung von fermentierten Milchprodukten mit ausgefallener Herstellungsweise zum gegebenen Zeitpunkt nicht empfohlen werden. Aufgrund zunehmender Migration aus dem osteuropäischen Raum werden Ethno-Produkte aus diesen Ländern für die heimischen Hersteller in Zukunft aber interessanter. Auch die Produktion für die Marke einer ausländischen Molkerei kann angesichts der Markentreue vieler Konsumenten mit Migrationshintergrund eine Alternative darstellen. Für weiterführende Untersuchungen würde sich eine Charakterisierung der Konsumentenschicht mit Migrationshintergrund anbieten. Deren Einkommen, Herkunft und Geschmackspräferenzen sind sowohl für den heimischen LEH als auch für die heimischen Molkereien von großer Relevanz.

eISSN:
0006-5471
Language:
English
Publication timeframe:
4 times per year
Journal Subjects:
Life Sciences, Ecology, other